13.52
Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Das Spannende an dieser Debatte ist ja, dass wir hier unter anderem gehört haben - - (Abg. Michael Hammer: Dass gar nichts spannend ist!) – Kollege Hammer findet gar nichts spannend, der wäre offensichtlich lieber woanders als im Parlament.
Das Spannende ist, dass wir die Frage gestellt bekommen haben, welche Grenzen für das Verhalten relevant sind. Der Herr Bundeskanzler hat davon gesprochen, dass Gerichte entscheiden. Das ist grundsätzlich richtig: Über strafrechtlich relevantes Verhalten entscheiden Gerichte. Wir haben auch gehört, und das ist auch meine Meinung, dass für Politikerinnen und Politiker nicht nur das Strafrecht als letzte Grenze gilt, sondern dass es auch moralische Ansprüche geben sollte. Das Wesentliche – dessen sollten wir als Abgeordnete uns immer bewusst sein, Frau Kollegin Steinacker hat es auch angesprochen – ist aber, dass wir der Gesetzgeber sind. Und weil wir der Gesetzgeber sind, sollten wir uns doch auch überlegen, ob wir aus unserer anderen Funktion, der Kontrollfunktion – die insbesondere im Untersuchungsausschuss wahrgenommen wird –, heraus nicht, wenn wir Dinge sehen, einerseits die politische Verantwortung klären und dann aus dieser Aufklärungsarbeit Schlüsse ziehen sollten.
Genau da sehe ich nämlich schon seit Jahrzehnten das wesentliche Problem in Österreich: Es ist die mangelnde Lernfähigkeit. Wir beschäftigen uns in Untersuchungsausschüssen mit Problemen, wir beschäftigen uns mit dem Verhalten von Regierungen, aber wir lernen nicht daraus und machen die Dinge nicht besser.
Am wenigsten lernfähig, das muss man ehrlich sagen, ist in diesem Zusammenhang leider die ÖVP. Sie (in Richtung ÖVP) haben über Jahrzehnte ein System der Postenkorruption, der Inseratenkorruption, der Freunderlwirtschaft nicht nur mitgestaltet, sondern im Wesentlichen mitaufgebaut. Da wir jetzt all die Dinge sehen, Herr Kollege Weidinger, die im Untersuchungsausschuss rauskommen: Ja, selbstverständlich werden Gerichte aufgrund der jetzigen Gesetze entscheiden, ob das strafrechtlich relevant war. Es muss doch aber unser Anspruch sein, dass wir diese Dinge für die Zukunft insofern ändern, als sie gar nicht mehr möglich sein sollen, selbst wenn ein Gericht jetzt entscheidet, dass sie nicht strafrechtlich relevant waren. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Weidinger.)
Die Aufgaben, die zu erfüllen sind, die wir lösen müssen, liegen schon seit vielen, vielen Jahren – ich bin jetzt seit knapp zehn Jahren hier im Parlament – auf der Hand. Es geht darum, dass wir einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt brauchen, der wirklich unabhängig ermitteln kann und auf den es keine politische Einflussnahme gibt. Wir brauchen, wie wir auch schon gehört haben, ein umfassendes Informationsfreiheitsgesetz, es soll in Zukunft kein Amtsgeheimnis mehr geben, sodass Behörden sich nicht verstecken und den Bürgerinnen und Bürgern die Informationen, die ihnen zustehen, verwehren können.
Es muss Schluss sein mit der Freunderlwirtschaft, es muss Schluss sein mit der Postenkorruption. Es muss in Bezug darauf, wie Menschen Jobs im öffentli-chen Dienst bekommen, und in Bezug auf Auftragsvergaben objektive Verfahren geben, damit es da keinen Missbrauch geben kann.
Es kann doch nicht sein, dass wir in einem Land leben, in dem es immer noch hilft, die Telefonnummer vom Generalsekretär des Finanzministeriums zu haben, um Hilfe im Steuerverfahren zu erhalten. Es muss doch das gleiche Recht für alle Bürgerinnen und Bürger gelten, und es darf keine Bevorzugung für diejenigen, die diese Telefonnummer haben, geben. (Beifall bei den NEOS.)
Wir brauchen offensichtlich auch ein schärferes Korruptionsstrafrecht. Wahrscheinlich brauchen wir sogar das schärfste Korruptionsstrafrecht, weil all die Dinge, die schon x-mal vorgefallen sind, in den letzten Jahrzehnten nicht dazu geführt haben, dass die Politikerinnen und Politiker dazugelernt haben.
Es muss Schluss sein mit Inseratenkorruption. Wir haben eindrücklich gezeigt bekommen, wie man das macht. Das heißt, die Inseratenvolumina müssen massiv verringert werden, und ja, Frau Kollegin Maurer: selbstverständlich auf allen politischen Ebenen. Es muss klar sein, dass in Zukunft nur Inserate geschaltet werden dürfen, wenn es wirklich Informationsbedarf gibt. Es darf keine dieser Nonsensinserate mehr geben, mit denen man den Menschen irgendetwas erklärt, was sie sowieso schon wissen. (Abg. Egger: ... in Wien anfangen!)
Ich bin überzeugt davon, dass dieses neue, dieses korruptionsfreie Österreich von allen mitaufgebaut werden muss. Ich schaue jetzt nicht nur in Richtung ÖVP, sondern ganz ehrlich auch in Richtung Sozialdemokratie und auch in Richtung Freiheitliche. Sie zu dritt waren es, die dieses System über Jahrzehnte gemeinsam aufgebaut haben. Und wenn man von massenhaftem Inserieren redet, dann muss man schon sagen, dass Sebastian Kurz es perfektioniert hat, aber erfunden hat es damals Werner Faymann.
Das System, an dem Sie (in Richtung SPÖ) jetzt Kritik üben, ist von Ihnen erfunden worden. Und genauso hat natürlich auch die FPÖ überall dort, wo sie in der Verantwortung war, dieses System genutzt. Wir erinnern uns alle an Jörg Haider, der hat das Inseratensystem in Kärnten genau gleich genutzt wie später Werner Faymann und dann Sebastian Kurz. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Wurm: Na, na! – Abg. Kickl: Ich erinnere mich noch, wie der Haselsteiner immer gern zu Gast war!) – Herr Kollege Kickl, ich weiß nicht, wer bei Jörg Haider gerne zu Gast war; ich war es nicht. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch. – Abg. Kickl: Beinahe täglich! – Abg. Haubner: Beim Haider?!) Fakt ist: Ihr Vorgänger hat auf Ibiza eindrucksvoll erklärt, wie man für entsprechende Aufträge oder für Parteispenden Gegenleistungen bekommen kann.
Der Punkt ist: Wir müssen jetzt daran arbeiten, dass sich das ändert. Es bringt sehr wenig, aus der Opposition heraus etwas zu fordern, wenn man es nachher nicht entsprechend umsetzt. Das Informationsfreiheitsgesetz hat Sebastian Kurz vor elf Jahren vorgeschlagen. Ich verhandle es für meine Fraktion, glaube ich, seit knapp neun Jahren. Die ÖVP hat es auch gemeinsam mit der SPÖ damals nicht zustande gebracht, da etwas zu tun. (Ruf bei der SPÖ: Nein!) Fakt ist, und das stimmt auch: Die größten Bremser sind natürlich in den Bundesländern, in den Städten und in den Gemeinden, und, ganz ehrlich, dort haben federführend die ÖVP und die SPÖ das Sagen. Also bitte, reden Sie mit Ihren Kolleginnen und Kollegen, damit wir endlich ein umfassendes Informationsfreiheitsgesetz bekommen! (Beifall bei den NEOS.)
Dann noch zur FPÖ, denn das finde ich besonders spannend – die Freiheitlichen, die hier auch etwas gegen Korruption tun wollen –: Es ist die Freiheitliche Partei, die immer gegen einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt war. Es ist die Freiheitliche Partei, die gegen ein Informationsfreiheitsgesetz ist. (Ruf bei der FPÖ: Wir erklären es euch dann noch einmal!) Und es ist auch die Freiheitliche Partei, die sich gegen Änderungen im Korruptionsstrafrecht wehrt. (Abg. Kickl: Stellen Sie sich vor, Pilnacek wäre unabhängiger Generalstaatsanwalt! Stellen Sie sich das einmal vor!)
Den Grünen kann man noch vorwerfen, dass sie offensichtlich bis jetzt nicht in der Lage waren, sich entsprechend durchzusetzen. Ich bin überzeugt davon, dass wir diese Reformen jetzt angehen müssen, nicht irgendwann. Und ich frage Sie: Wie viele Skandale wollen Sie noch abwarten, bis wir es endlich schaffen, ein korruptionsfreies Österreich zu haben? (Beifall bei den NEOS.)
13.59
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kollross. – Bitte sehr.