9.39
Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich bin immer noch geplättet von der intellektuellen Tiefe der Literatur im ÖVP-Klub. (Heiterkeit und Beifall bei NEOS und SPÖ. – Abg. Leichtfried: Ich glaube, das ist das einzige Buch, das du je gelesen hast! – Abg. Steinacker: Aber bei Tiefe kommt es schon auf den Inhalt an!)
Ich meine, man muss sich das einmal vorstellen: Kollege Hammer stellt sich hierher und redet von 25 Millionen Euro da und 88 Millionen Euro dort, aber den wirklich großen Brocken, die Pensionen, bei dem die Milliarden jedes Jahr geschoben werden, die erwähnt er en passant, denn wir haben ja so eine nette Erhöhung beschlossen.
Wir sprechen in diesem Teil – für die Zuschauerinnen und Zuschauer sei es noch einmal erklärt – nur über den Pensionsteil aus der Sozialversicherung – die Beamtenpensionen sind an anderer Stelle zu diskutieren –, und da geben wir heuer 12 Milliarden Euro aus, damit die Pensionen die Höhe haben, die den Menschen gesetzlich zusteht. Schon 2026 werden es 18,8 Milliarden Euro sein – eine Steigerung um mehr als die Hälfte in vier Jahren.
Überlegen Sie sich das für Ihren persönlichen Haushalt! Wenn da irgendein Budgetposten – für Kleidung, für Essen oder für Energie – um mehr als die Hälfte steigt, dann merken Sie: Ui, da gibt es Probleme. – Das ergibt natürlich auch für ein Bundesbudget Probleme, weil das Geld ja an anderer Stelle fehlt. Natürlich sind die Pensionen gesichert, aber das Geld, das wir dorthin zuschießen, kann man an anderer Stelle nicht ausgeben, und da streiten wir dann um ein paar Millionen bei der Pflege, um ein paar Millionen für Menschen mit Behinderung, um eine halbe Million für die Entwicklungszusammenarbeit und um Pimperlbeträge im Konsumentenschutz, weil so viele Milliarden von Vornherein verplant sind. Das muss man sich einmal vor Augen führen. (Abg. Brandstätter: Bildung!)
Dann kommt noch dazu: Der Budgetdienst schreibt in seiner Analyse zu diesen 18,8 Milliarden Euro, dass die Ansätze wohl zu gering sind, weil die Inflation unterschätzt wurde. Die Ansätze sind aber im Vergleich zum vorigen Bundesfinanzrahmen schon wesentlich erhöht worden. Die Realität schaut also viel schlechter aus als das, was uns die Bundesregierung hier mit dem Budget vor Augen legt.
Das sagt niemand gern – ich kriege dann auch immer die bösen Mails von Ihnen, geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer –: Ja, wenn wir immer älter werden, ist das schön, dann müssen wir aber einen Teil der zusätzlichen Lebenserwartung auch im Erwerbsleben verbringen. Das sagt ein Politiker nicht gern ehrlich zu den Menschen, weil das Stimmen kosten könnte, und Populismus ist ja das Einzige geworden, auf dem Politik heute noch aufbaut.
Schauen wir uns das aber an: Die Österreicherinnen und Österreicher sind im Schnitt 23 Jahre lang in Pension – 23 Jahre –, und es sei jedem vergönnt, aber dem stehen bei den Männern 36 Beitragsjahre und bei den Frauen 29 gegenüber. Da ist es klar, dass sich bei dieser Anzahl Beitragsjahre 23 Pensionsjahre irgendwie finanziell nicht ausgehen – und wir wissen, dass die Zahl der Pensionsjahre, weil wir immer älter werden, steigt –, dann ist auch klar, dass wir etwas machen müssen und auch etwas machen können. Die Schweizer arbeiten vier Jahre länger als die Österreicher, die Schweden arbeiten auch vier Jahre länger als die Österreicher; auch dort gibt es Bauwirtschaft, auch dort gibt es Justizwache und auch dort gibt es Pflege, und sie schaffen es trotzdem. Ein Jahr später in Pension gehen, bedeutet fürs Budget 2,8 Milliarden Euro Unterschied. Überlegen Sie sich, was man mit diesem Geld alles machen könnte! (Beifall bei den NEOS.)
Es ist im Budgetausschuss auch diskutiert worden: Welche Maßnahmen sind denn konkret gesetzt worden, damit die Menschen länger im Erwerbsleben bleiben? Die Antwort ist – neben einer Wortwolke –: inhaltlich nichts. Da ist seit 2014 keine einzige Maßnahme gesetzt worden, die zu längerem Arbeiten anreizt; zum Teil sogar das Gegenteil. Es wurde zum Beispiel heuer beschlossen: Gehen Sie besser im Dezember 2022 als im Jänner 2023 in Pension, weil Sie dann mehr in der Tasche haben! Es werden also noch Anreize gesetzt, früher in Pension zu gehen.
Was könnte man machen, was müsste man machen? – Wir müssen eine Form von Teilpension einführen, die es den Menschen ermöglicht, nur 25 oder 15 Prozent der Pension abzurufen, die vielleicht mit Abschlägen: Ich arbeite noch weiter, aber nicht voll, weil ich in meinem Alter vielleicht dann nicht mehr so viel arbeiten will oder arbeiten kann, und den zweiten Teil der Pension rufe ich später ab, mit Zuschlägen, weil ich noch weiter darauf eingezahlt habe. – Das könnte man machen; das haben die Schweden vorexerziert und schaffen es so, dass die Menschen vier Jahre länger arbeiten.
Wir müssen die steigende Lebenserwartung ins Pensionssystem einbauen, damit wir keinen Politbasar ums Pensionsalter haben. Es ist ganz klar: Wenn ich eine um fünf Jahre höhere Lebenserwartung als ein Jahrgang 1930 habe, dann muss ich ein bisschen länger arbeiten als der Jahrgang 1930, damit sich das mathematisch ausgeht. (Zwischenruf des Abg. Stöger.) Man kann sich wie Kollege Koza, wie der Herr Bundesminister und alle seine Vorgänger dieser Realität verweigern, aber irgendwann werden wir uns der Realität stellen müssen; und ich habe keine Lust, mich der Realität zu stellen, wenn uns die EU eine Troika vorbeischickt. Ich glaube, das sollten wir selbst lösen. (Beifall bei den NEOS.)
9.44
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Rauch. – Bitte sehr.