13.00

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! (Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Steger. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Herr Bundes­kanzler, wir sind uns in einer Sache einig, und das ist, dass das europäische Asylsystem gescheitert ist. Die Analyse teile ich auch.

Die Frage ist nur, wie man mit einem gescheiterten System umgeht. Das, was Sie hier als Lösung anzubieten haben, ist nichts anderes als derselbe dumpfe Populismus, dasselbe dumpfe EU-Bashing, das wir schon von Ihrem Vorgänger kennen. (Beifall bei den NEOS.)

Sie betreiben ja Kindesweglegung, wenn Sie sich hierherstellen und erklären, die EU-Kommission sei schuld daran, dass das Asylsystem nicht funktioniert. (Heiterkeit der Abg. Krisper.) Schuld daran sind Parteien wie die ÖVP, ihre Freun­de aus Ungarn, Nationalstaaten, die seit Jahren, seit Jahrzehnten ein ge­meinsames funktionierendes Asylsystem blockieren – und sicher nicht die Euro­päische Kommission. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Rendi-Wagner.)

Sie könnten sich auch fragen, was Sie – und Ihr Vorgänger als Innenminister, der hier sitzt – während der Ratspräsidentschaft gemacht haben. Ich weiß nicht, was da passiert ist. Es ist offensichtlich nicht sonderlich viel weitergegangen.

Was wichtig wäre, ist, dass die Lösung eigentlich gar nicht so schwierig wäre: Wir brauchen – und darin sind wir uns auch einig – ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem und einen effektiven Außengrenzschutz, damit sich eben nicht jeder selbst überlegen kann, ob er nach Europa kommt, und sich selbst aussuchen kann, ob er dort bleibt.

Dazu braucht es in erster Linie gemeinsame europäische Erstaufnahmezentren, wo man in Schnellverfahren in ein paar Tagen möglichst rasch klärt, ob jemand überhaupt die Chance hat, Asyl zu bekommen. Da könnte man in Bezug auf Inder, in Bezug auf Marokkaner und in Bezug auf Tunesier ziemlich rasch klären, dass sich das wohl nicht ausgehen wird, weil es schon einigerma­ßen absurd ist, dass ganz, ganz viele Menschen aus Ländern nach Europa kommen und um Asyl ansuchen, in die wir auf Urlaub fahren.

Was wir auch bräuchten, Herr Bundeskanzler – dann wäre es um einiges einfacher –, wäre eine Residenzpflicht sowohl für Asylwerber während des Ver­fahrens als auch für Asylberechtigte, solange sie Sozialleistungen bekom­men. Dann kann man sich eben nicht mehr aussuchen, wo in Europa man sein will und wo man auf sein Asylverfahren wartet. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

Was wir auch bräuchten, wären in ganz Europa raschere Asylverfahren nach dem Vorbild der Schweiz. Das könnte man sich dort abschauen. Die Schweiz hat eine Zielgröße von sechs Monaten bis zur zweitinstanzlichen Entschei­dung. Das könnte man machen. (Abg. Kickl: Es ist immer die Frage, wie man es zählt!)

Dann, Herr Bundeskanzler, haben Sie selbst etwas angesprochen, das ich auch teile: Wir brauchen raschere und funktionierende Rückführungsabkommen. Jetzt frage ich mich, seit wann die ÖVP in der österreichischen Bundesregierung ist. Was haben Sie denn in den letzten Jahrzehnten gemacht, dass da nichts weitergegangen ist? Das ist doch wiederum Kindesweglegung, dass Sie ein The­ma ansprechen und keine Lösung anzubieten haben. (Beifall bei den NEOS.)

Ich habe es Ihnen gestern im EU-Hauptausschuss gesagt: Es gibt seit vielen Jahren einen Vorschlag der NEOS. Dazu braucht es wiederum gemeinsa­me europäische Lösungen, dass man EZA-Mittel an Rückführungsabkommen koppelt. Das wird mit der österreichischen EZA nicht funktionieren, allein weil sie zu gering ist, aber natürlich geht es am Schluss um Geld.

Ich habe Ihnen gestern auch gesagt: Wenn die Freiheitlichen und die NEOS da die gleiche Position haben, würde ich einmal darüber nachdenken, ob es vielleicht – aus zwei unterschiedlichen Perspektiven kommend – eine gescheite Position ist, dass man da endlich einmal auf europäischer Ebene Druck macht, anstatt hier mit dem billigen Populismus zu sagen, die EU wäre schuld.

Herr Bundeskanzler, was Sie tun, anstatt sich diesen Problemen zu widmen, ist, dass Sie auf der Populismusklaviatur spielen, dass EU-Bürgerinnen und EU-Bürger deswegen darunter leiden müssen, weil Sie nicht bereit sind, an ge­meinsamen europäischen Lösungen zu arbeiten.

Man muss sich das vorstellen: Sie verweigern jetzt zwei europäischen Staaten, die alle Voraussetzungen für einen Beitritt zu Schengen erfüllt haben, die Teilnahme daran, machen gleichzeitig Ihrem Freund Viktor Orbán die Mauer und vergessen, wer denn eigentlich momentan schuld daran ist, dass so viele Asylwerberinnen und Asylwerber nach Österreich kommen. Wer ist denn jetzt Schengenaußengrenze, woher die Flüchtlinge kommen? – Natürlich Un­garn. Viktor Orbán, Ihr Freund, lässt sie alle durchkommen. Dem machen Sie die Mauer, und die Rumän:innen und Bulgar:innen müssen darunter leiden. (Beifall bei den NEOS.)

Herr Bundeskanzler, wir kennen den Populismus von Ihrem Vorgänger. Sie erinnern sich vielleicht, dass Sebastian Kurz ein paar Tage vor der EU-Wahl erklärt hat: Brüssel will uns das Schnitzel verbieten. Solche Ankündigun­gen waren lächerlich, aber sie waren maximal lächerlich. Was Sie machen, ist gefährlich. Sie verprellen unsere europäischen Partner. Sie beleidigen un­sere europäischen Partner mit dieser Performance. Sie stellen sich ins Abseits – und das Ganze nur wegen einer Landtagswahl in Niederösterreich. (Beifall bei den NEOS.)

Jetzt weiß ich, dass Sie hier genauso wie gestern den Kopf schütteln. Man muss sich nur überlegen: Wer schüttelt denn hier den Kopf? Wer sagt denn, dass das nicht stimmt? – Das ist derselbe Bundeskanzler, der vor einem Jahr erklärt hat: Nein, die Österreichische Volkspartei hat sich selbstverständlich 2019 zum ersten Mal ans Gesetz gehalten und die Wahlkampfkostenobergrenze ein­gehalten. – Wir wissen, dass das nicht stimmt. (Abg. Steinacker: Na schauen wir mal, ob das stimmt!) Der Rechnungshof übt jetzt auch Kritik. Die Frage ist, ob man Ihrem Wort überhaupt noch glauben kann. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Wöginger: Das ist nicht korrekt! Das weißt du!)

13.05

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Gödl. – Bitte.