15.43

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Mit­glieder der Bundesregierung! Die letzten beiden Antworten waren gesponsert von den großen österreichischen Kammern. Die bedanken sich recht herzlich und stellen vielleicht dem Ministerium auch wieder einmal Mitarbeiter zur Verfügung, das könnte ja sein. (Ruf bei der ÖVP: Na geh!)

Wenn wir jetzt hohe Lohnabschlüsse, 7 Prozent, 8 Prozent und mehr, haben, dann knallen jedenfalls die Sektkorken in der Wirtschaftskammer, weil dementsprechend natürlich auch die Kammerumlage 2 schön mitsteigt. Und da sind wir direkt bei den Lohnnebenkosten und dem, was an dicker, fetter Last auf den österreichischen Löhnen und Gehältern liegt, was die Unternehmen im Vergleich mit ihren internationalen Mitbewerbern stemmen müssen. Jetzt kann man natürlich sagen: Ja, das ist ein Zehntelprozent, wir haben eh um 0,4 Prozent reduziert!, und so weiter. Das ist genau das Problem bei den Lohnnebenkosten: Kleinvieh macht auch Mist, und wir müssen uns ganz genau anschauen, wo dieses Geld verschwindet.

Beispielsweise kostet die geblockte Altersteilzeit – wir haben es vorgetragen – einen dreistelligen Millionenbetrag im Jahr, und wir haben eine Bildungskarenz, die auch einen dreistelligen Millionenbetrag im Jahr kostet. Mit der Bildungs­karenz kaufen wir junge, gut ausgebildete Erwerbstätige aus dem Arbeitsmarkt heraus, damit sie ein Jahr lang nichts tun, und das in Zeiten des Arbeitskräfte­mangels. (Beifall bei den NEOS.)

Das Geld, mit dem wir das machen, sind Lohnnebenkosten. Wenn die zwei Maßnahmen – geblockte Altersteilzeit, das heißt ein Frühpensionierungs­pro­gramm für Betriebe, und Bildungskarenz – miteinander 5 Prozent der Arbeits­losenversicherungsbeiträge ausmachen, dann könnte man das einsparen und die Beiträge um diese 5 Prozent senken, um nur ein Beispiel zu nennen. Man könnte halt auch einmal bei den Kammern etwas genauer schauen, wo sich diese nicht an die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit halten, und auch dort die Lohnnebenkosten senken. Das ist mühsame Klein­arbeit.

Wenn es darum geht, die Vermittlungsdauer beim AMS zu senken, also die Menschen einen Monat früher wieder in Arbeit zu bringen, würde uns dieser eine Monat über 800 Millionen Euro im Jahr bringen. Das ist wiederum ein erklecklicher Betrag, um den man die Lohnnebenkosten senken könnte. Damit könnte man den Unternehmen Luft für größere Lohnerhöhungen in diesen schwierigen Zeiten verschaffen, damit auch die Mitarbeiter, die arbeiten, tat­sächlich etwas von ihrer Leistung haben. (Beifall bei den NEOS.)

Wir haben auch gesehen – Beate Meinl-Reisinger hat es ausgeführt –, die Lang­zeitarbeitslosigkeit ist in den letzten Jahren massiv gestiegen. Jetzt gibt es in Österreich eine Arbeitslosenversicherung, die viel teurer als beispielsweise jene in Deutschland ist. Es laufen teure Programme, die dafür sorgen sollen, dass Beschäftigte, die es schwer haben, wieder gut in die Arbeit hineinfinden, aber die Langzeitarbeitslosigkeit hat sich beinahe verzwanzigfacht. Warum ist das so und warum ist Österreich da im internationalen Vergleich schlechter als andere Län­der? – Wir sind das einzige Land in der EU, in dem die Leistung aus der Arbeits­losenversicherung zeitlich nicht begrenzt ist. In allen anderen Ländern gibt es eine Zeit lang Arbeitslosengeld, dann ist es aus damit, und der Betreffende kommt in die Sozialhilfe, weil halt die Arbeitsmarktvermittlung nach zwei Jahren nicht erfolgreich war und die jeweilige Arbeitsmarktverwaltung ihren Job erledigt hat, wenn auch nicht erfolgreich.

Bei uns kann man die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung zeitlich ohne Grenze beziehen: 10 Jahre, 15 Jahre, 20 Jahre – ja, solche Fälle gibt es. Das ist nicht die Welt, aber solche Fälle gibt es. Das Signal an die Menschen, die in Arbeitslosigkeit kommen, ist ein fatales. Daher wäre die Umsetzung eines degressiven Arbeitslosengeldes, das also im Zeitverlauf sinkt, so eine wichtige Reform gewesen. Auch das ist heute internationaler Standard. Dieses lineare Arbeitslosengeld, wie wir es in Österreich haben, entspricht nicht mehr den Erfordernissen der Zeit. Es wäre gut, das Arbeitslosengeld am Beginn ein bisschen zu erhöhen, damit jemand, der in Arbeitslosigkeit kommt, gut aufge­fangen wird, aber auch das Signal zu setzen, dass das Arbeitslosengeld im Zeitverlauf sinkt, um zu signalisieren: Lieber Freund, liebe Freundin, das ist keine Dauereinrichtung, such dir schnell etwas Neues!

Warum ist dieses Signal so wichtig? – Je länger jemand arbeitslos ist, desto schwieriger bekommt man ihn wieder in Arbeit. Es ist deswegen wichtig, rasch wieder in Arbeit zu kommen, und das kann man nicht alles den Mitarbeitern des AMS aufbürden – damit werden die gar nicht fertig –, da muss man auch die Menschen bei ihrer Eigenmotivation ein Stück weit packen und entsprechende Signale setzen. Der Herr Minister ist ja Verhaltensökonom und kann das noch besser erklären als ich, er weiß es ja, er hat sich nur leider gegen den grünen Koalitionspartner nicht durchgesetzt, der, geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer, was wollte? – In Zeiten des Arbeitskräftemangels einfach noch mehr Geld draufklopfen. Nicht eine Reform, sondern das, was die Regierung sonst immer macht: throw money at the problem, wäre das Rezept der Grünen gewesen: einfach zu Beginn mehr Arbeitslosengeld und später gleich viel. Was das bringen soll, kann kein Mensch erklären. (Beifall bei den NEOS.)

Das muss man sich jetzt einmal am gelebten Beispiel anschauen: Wenn jemand 2 500 Euro brutto verdient hat und die betreffende Person arbeitslos wird und sich geringfügig etwas dazuverdient – nächstes Jahr ist die Geringfügigkeits­grenze bei 500 Euro –, dann bekommt diese Person um 140 Euro weniger, als wenn sie Vollzeit arbeiten würde. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Da darf man natürlich niemandem böse sein, wenn er sich denkt: Dann arbeite ich doch lieber geringfügig als Vollzeit und habe 140 Euro im Monat weniger, denn schon bei einer 35-Stunden-Woche statt einer 38,5-Stunden-Woche bekommt er weniger, als wenn er geringfügig arbeitet und das Arbeitslosengeld bezieht. Von der 30-Stunden-Woche rede ich da gar nicht. (Beifall bei den NEOS.) Und die Grünen hätten noch mehr Arbeitslosengeld draufgegeben – also da geht Ihnen dann keiner mehr arbeiten.

Die Unternehmen suchen Arbeitskräfte. Jetzt kann man sagen, wenn ein Lie­ferdienst aktuell für das Lager 100 Mitarbeiter sucht und die 1 850 Euro brutto verdienen würden - - (Neuerlicher Zwischenruf bei der SPÖ.) – Jetzt wird auf­geschrien: Ja, dann sollen sie halt mehr zahlen!, aber das Problem ist doch ein ganz anderes: Wieso mute ich den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zu, dass die Sozialleistungen für Leute finanzieren müssen, für die es tatsächlich einen Job gäbe? Nur weil sich einer vielleicht sagt: Na, für 1 850 Euro mache ich das nicht!, bei einem Job – als Lagermitarbeiter im Lieferdienst –, für den man keine Ausbildung braucht? 1 850 Euro sind zwar nicht viel, aber es ist ein Gehalt, das besser ist, als wenn man vom Arbeitslosengeld und von der Notstandshilfe lebt, und das ist anzuerkennen. (Beifall bei den NEOS.)

Dann noch zur Frage, wie viele Mitarbeiter aus Drittstaaten in Österreich arbeiten dürfen: Das Ausstellen der Rot-Weiß-Rot-Karte wird nie schnell gehen, solange zwei Behörden in dem Zusammenhang tätig sind, das wird immer mehrere Wochen Bearbeitungszeit in Anspruch nehmen. Jetzt gibt es ja auch eine dritte Einheit der Bundesverwaltung, die sich darum kümmert, näm­lich die ABA. Wenn ich als Unternehmen eine Rot-Weiß-Rot-Karte beim AMS und bei der Bezirkshauptmannschaft erlangen möchte, dann kann ich mir von der ABA helfen lassen. Das ist das wuchernde Wachstum der öffentlichen Hand: Zwei Behörden sind kompliziert, man schafft also eine dritte, die einem mit den zwei schon bestehenden hilft. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Leichtfried.)

Dann wundern wir uns, wenn es einen Arbeitskräftemangel gibt – der Herr Minister hat ja vorgetragen, in den letzten zehn Jahren seien 60 000 Menschen mehr in den öffentlichen Bereich arbeiten gegangen –, aber der öffentliche Bereich kauft der freien Wirtschaft die Arbeitskräfte weg, die fehlen da! Das AMS macht das ja auch: Wir haben heute die niedrigste Arbeitslosigkeit seit 14 Jahren, und vor 14 Jahren hat das AMS bei derselben Arbeitslosigkeit gemütliche 1 300 Mitarbeiter weniger gehabt als heute. Das ist das Problem. (Zwischenruf des Abg. Angerer.)

Das haben wir auch im Budget, ich habe das mit Kollegen Kogler diskutiert. Vizekanzler Kogler hat zu mir gesagt: Sie sind der Einzige, der sich nicht freut, dass wir mehr Planstellen haben. – Ja, weil wir die einzige Partei sind, die darauf schaut, dass mit dem Geld der Steuerzahler anständig umgegangen wird. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Ottenschläger.)

15.51

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gelangt Herr Klubobmann Wöginger. –Bitte sehr.