15.18

Abgeordneter Mag. Martin Engelberg (ÖVP): Herr Präsident! Herr Außen­minister! Benennen wir die Dinge doch so, wie sie sind und wie sie waren: Der Holodomor war eines der wirklich großen Verbrechen des 20. Jahrhun­derts. Es war eines der vielen Verbrechen des stalinistischen Regimes, deswegen verdient dieses auch die Bezeichnung verbrecherisches Regime. Es wurde nicht nur damals, sondern auch über viele Jahre weitgehend ignoriert, verschwiegen, totgeschwiegen.

Interessanterweise wurde es gerade in Österreich, hier in Wien, auch schon damals in den Dreißigerjahren sehr wohl wahrgenommen. Man hat auch versucht, zu helfen. Dabei hat Kardinal Innitzer eine ganz wichtige Rolle gespielt. Der bereits zitierte Historiker Timothy Snyder schreibt in seinem Buch, dass es außergewöhnlich war, dass in Wien so deutlich Stellung dazu genommen wur­de. Es haben sich also sozusagen interreligiös die katholischen Denomina­tionen, Orthodoxe, Protestanten und auch die jüdische Gemeinde zusammenge­tan und versucht, zu helfen.

Man darf nicht vergessen, dass zu den damaligen Zeiten, bis zur Schoah, die Ukraine, Polen, dieses Gebiet, das Zentrum des jüdischen Lebens in der Welt waren. Meine Familie mütterlicherseits stammt ja aus Lemberg. Lemberg war damals eine der großen Städte der österreichisch-ungarischen Monar­chie, liegt aber heute in der Ukraine. Meine Mutter und ihre Familie haben das sehr wohl wahrgenommen. Ich weiß sozusagen von Kindheit auf, dass es da ein großes Verbrechen gab – und obwohl es natürlich unvergleichbar mit der Schoah ist, die dann darauf folgte, wurde trotzdem auch immer wieder da­rüber gesprochen, wie verbrecherisch das stalinistische Regime da vorge­gangen ist.

Wir wollen daher – damals wie heute – dazu Stellung nehmen. Im Novem­ber 2006 hat das Parlament der Ukraine den Holodomor zum Völkermord am ukrainischen Volk erklärt. Dem haben sich immerhin 16 Parlamente ange­schlossen – unter anderem Australien, Kanada, USA, Tschechien, Estland und so weiter –, obwohl die Definition oder die Anwendbarkeit der Definition durchaus umstritten war. Zuletzt hat auch der Deutsche Bundestag den Holodo­mor als ein Menschheitsverbrechen dargestellt. Aus heutiger Perspektive liegt es auch nahe, von einer historisch-politischen Einordnung als Völkermord zu sprechen.

Daher auch der Entschließungsantrag hier in diesem Hohen Haus, in dem wir den Holodomor eben auch klar als Hungermord an Millionen Menschen bezeichnen und natürlich auch unbedingt dazu aufrufen und auffordern, dass sich solche Verbrechen nie mehr wiederholen dürfen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

15.21

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Scherak. – Bitte.