10.16
Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesminister:innen! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher hier im Haus und vor den Bildschirmen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr mich diese Betroffenheitsshow, welche die Regierungsparteien jetzt abgezogen haben, ärgert (Abg. Ottenschläger: Das ist unglaublich! – Ruf bei der ÖVP: Was?!), und es ist wirklich nur eine Show. (Beifall bei NEOS und FPÖ. – Abg. Ottenschläger: Was ist denn das für eine Frechheit?!)
Und ich kann Ihnen nachweisen, warum es nur eine Show ist. (Rufe bei der ÖVP: Unverschämt! ... „Betroffenheitsshow“?! – Abg. Steinacker: Das ist unglaublich! – Abg. Ottenschläger: Das ist ja wirklich unglaublich! – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger. – Abg. Ottenschläger – sich von seinem Sitz erhebend –: Was soll denn das?! – Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Amesbauer und Ottenschläger.)
Ich liebe meinen Beruf als Rechtsanwalt, aber der hat auch Schattenseiten. So bleibt es uns als Anwälten nicht erspart, als Pflichtverteidiger mitunter Kinderschänder, Menschen, die sich Bilder und Videos von Kindesmissbrauch beschaffen und ansehen, zu verteidigen. Es ist schrecklich, es ist verstörend und es ist belastend, mit solchen Darstellungen konfrontiert zu werden (Abg. Pfurtscheller: Du musst ja keinen Mandanten annehmen!), wie Kinder grausam gequält werden, wie sie vergewaltigt werden, mitanzusehen, wie da Kinderseelen (Abg. Steinacker: Missbraucht!) für das ganze Leben demoliert werden. (Abg. Steinacker: Missbraucht werden! Bringt nicht einmal das Wort raus und behauptet ...! – Abg. Meinl-Reisinger: Entschuldigung, er hat „vergewaltigt“ gesagt! Was ist jetzt los bitte?! )
Leider sind diese Fälle, in denen wir so tätig werden müssen, nicht selten, und noch dazu müssen wir von einer erschreckenden Dunkelziffer ausgehen. (Abg. Meinl-Reisinger: Ich meine, ich glaube ...! – Abg. Pfurtscheller: ... „Betroffenheitsshow“ ...! – Abg. Meinl-Reisinger: Ja, die Betulichkeit ...! – Zwischenruf der Abg. Steinacker. – Abg. Haubner: Dürft nur ihr was sagen, oder was?!) Das, was zu Gericht gelangt, ist nur die Spitze des Eisberges, und alle diese Erfahrungen haben mich dazu bewogen, dass ich im Oktober 2020 diesen Entschließungsantrag eingebracht habe, der genau auf das abzielt, wofür Sie sich jetzt abfeiern lassen wollen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Meinl-Reisinger: Genau! Zum Beispiel: Betroffenheitsshow!)
Es geht genau darum, Kinderschutz auszubauen, es geht darum, Kindesmissbrauch zu vermeiden. (Abg. Wöginger: Ja tun wir eh!) Was ist mit diesem Antrag passiert? – Meine Damen und Herren Zuseherinnen und Zuseher, jetzt muss ich Ihnen erklären, wie das funktioniert: Jeder Abgeordnete hat die Möglichkeit, Anträge einzubringen, wenn sie von fünf Kolleginnen und Kollegen unterstützt sind. Diese Anträge werden dann in einem Ausschuss behandelt und, wenn sie von einer Oppositionspartei eingebracht werden, zu 99 Prozent vertagt.
Da steht dann ein Mandatar einer Regierungspartei auf, erklärt mit salbungsvollen Worten, dass das Anliegen des Antrages ja gut ist, dieser aber aus diesen und jenen Gründen vertagt wird, und genauso ist das auch mit meinem Antrag am 1. Dezember 2020, vor mehr als zwei Jahren, passiert. Passiert ist seither nichts. – Jetzt, da ein prominenter Fall auftaucht, jetzt kommt die Regierung plötzlich drauf: Da sollten wir etwas tun! – Das ist zwei Jahre zu spät, zwei Jahre und Tausende gequälte Kinderseelen zu spät! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der FPÖ.)
Einmal mehr – so wie nach dem Terroranschlag des 2.11.2020 – geht es nur um Aktionismus. Die Fantasie endet hauptsächlich bei höheren Strafen, wir wissen aber aus der Strafrechtswissenschaft, dass das keinerlei Präventivwirkung entfaltet. (Abg. Steinacker: Der Ministerratsantrag umfasst acht Seiten mit detaillierten Maßnahmen und nicht nur die Straferhöhungen! – Ruf bei der SPÖ: Ja, und? – Ruf: Und es ist auch kein Entschließungsantrag!) – Das ist ja gut so, aber warum ist das nicht schon zwei Jahre früher passiert? Warum hat jetzt ein prominenter Fall auftauchen müssen? (Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.)
Es steht weder in den Zehn Geboten noch in der Bundesverfassung und auch nicht in der Geschäftsordnung des Nationalrates, dass Anträge der Opposition immer vertagt werden müssen! (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ. – Abg. Steinacker: Tun wir auch nicht!)
Warum haben Sie damals diesen Antrag nicht aufgenommen? Das ist genau das, was wir jetzt hätten: Wir hätten jetzt schon zwei Jahre lang diese Maßnahmen, die Sie jetzt - - (Abg. Prammer: Nein, das war ein Entschließungsantrag! – Abg. Greiner: Man hätte ja etwas daraus machen können, bitte schön! – Ruf: Na, haben wir ja, darum gibt es ja jetzt ...! – Abg. Greiner: Zwei Jahre später!) – Doch, das ist so! Er hätte niemals vertagt werden müssen. Es geht um den Schutz der Kinder, es geht um den Schutz der Kinderseelen. Das war Ihnen gleich; jetzt gibt es einen prominenten Fall, jetzt ist es plötzlich wichtig. (Abg. Steinacker: Das ist echt eine Unterstellung!)
Ich richte daher jetzt zwei Forderungen an die Regierung und an die Regierungsmehrheit in diesem Haus. Erstens: Setzen Sie alle Präventivmaßnahmen mit höchster Priorität und sofort um! Das duldet keinen Aufschub. Zweitens: Verabschieden Sie sich endlich von diesem unseligen systematischen Vertagen von Anträgen der Opposition! – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)
10.21
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.