10.28

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Herr Präsident! Geschätzte Abgeord­nete! Liebe Damen und Herren! Liebe Zuseherinnen und Zuseher hier im Hohen Haus, aber natürlich auch zu Hause vor den Bildschirmen! Ich bedanke mich sehr herzlich für die Einladung zu dieser Europastunde, die uns heute Gelegen­heit gibt, ein zentrales Thema hier im Hohen Haus zu diskutieren – ein The­ma, das letztes Jahr die Debatten, die Treffen auf europäischer Ebene ohne Zweifel dominiert hat und das uns auch heuer noch beschäftigen wird; so viel, glaube ich, kann man mit Sicherheit sagen.

Ich bin Ihnen dankbar dafür, dass ich heute die Möglichkeit habe, von unserem Einsatz zu berichten und auch ganz besonders von den Erfolgen, die wir auf europäischer Ebene erzielt haben, die wir in vielen Treffen der Energieministe­rinnen und Energieminister erzielt haben. Dass es viele waren, das haben auch Sie im Hohen Haus mitbekommen, weil es bei insgesamt zwölf Energiemi­nisterräten letztes Jahr auch zu Überschneidungen mit wichtigen Sitzungen im Nationalrat gekommen ist.

Herr Abgeordneter Leichtfried, Sie haben mir ja einmal vorgeworfen, ich würde das Hohe Haus nicht ernst nehmen, gerade weil ich hier vertreten wurde, um am Rat der Energieministerinnen und Energieminister in Prag teilzunehmen. Sie können mir glauben, ich habe mir diese Entscheidungen nie leichtge­macht, ich habe sie aber auch immer mit voller Überzeugung getroffen, weil im­mer klar war: Zentrale energiepolitische Weichenstellungen passieren nicht nur hier, national, sondern passieren auf der europäischen Ebene. Die Sicherheit unserer Energieversorgung, die Leistbarkeit unserer Energieversorgung sind Themen, die wir nur im europäischen Gleichklang bewältigen können.

Geschätzte Abgeordnete, ich bin froh, dass Sie mit der Wahl des heutigen The­mas meine Entscheidungen auch unterstützen, denn ja, Sie haben völlig recht: Energiepolitik ist europäisch, und die enormen Herausforderungen, vor denen wir als Union gestanden sind und noch immer stehen – darüber sollten wir uns keine Illusionen machen –, brauchen eine entschlossene und geschlossene europäische Antwort. Genau dafür habe ich mich in vielen Treffen im letzten Jahr starkgemacht und ich bin der festen Überzeugung, wir haben dort wichtige Entscheidungen getroffen.

Ich möchte auf diese kurz eingehen. Ich glaube, es ist auch wichtig, dass wir uns noch einmal die Ausgangsposition vor Augen halten: Wir erleben da keine naturgesetzliche Entwicklung, sondern eine bewusste Manipulation der Energie­preise in Europa durch politische Entscheidungen außerhalb von Europa. Das geht nur, weil wir in der Vergangenheit Fehler gemacht haben. Russland hat uns an die Gasleine genommen (Abg. Loacker: Wir haben uns selber drange­hängt an die Gasleine!), und die Politik hat über weite Strecken dabei zugeschaut und uns sehenden Auges auch in diese Abhängigkeit gebracht. (Abg. Meinl-Reisinger: ... den Ring der Leine selbst um den Hals gelegt!) Jetzt zahlen wir den Preis für diese Abhängigkeit. (Ruf: Für den Green Deal zahlen wir ...!)

Russland hat im letzten Jahr immer wieder für Verunsicherungen auf den Märkten gesorgt – Frau Klubobfrau Meinl-Reisinger hat es vorhin erwähnt –, Mengen verknappt, Preise getrieben und mit dieser Mengenverknappung den Preis gezielt in die Höhe getrieben. Über das bestehende Strommarktdesign führen, wie Sie wissen, diese Preistreiberei und diese hohe Abhängigkeit von importiertem Gas auch zu hohen Strompreisen, unter denen derzeit die Menschen und Unternehmen in unserem Land leiden.

Deswegen möchte ich Ihnen kurz einen Überblick darüber geben, was auf euro­päischer Ebene passiert ist. Was haben wir im letzten Jahr erreichen kön­nen? – Wir haben Anfang Oktober eine EU-Verordnung über Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise beschlossen. Das beinhaltet insbe­sondere Maßnahmen zur Senkung des Stromverbrauchs in Spitzenzeiten, die Ab­schöpfung von Übergewinnen, eine Solidaritätsabgabe für fossile Ener­gieunternehmen sowie mögliche Unterstützungen für Klein- und Mittelbetriebe.

Die Umsetzung, die wir in Österreich gewählt haben – das haben wir hier im Hohen Haus auch schon diskutiert –, geht über die Mindestvorgaben auf EU-Ebene deutlich hinaus. Der Energiekrisenbeitrag der Fossilindustrie betrifft Öl-, Gas- und Kohleunternehmen sowie Raffinerien: Gewinne aus den Jahren 2022, 2023, die mindestens 20 Prozent über dem Mittel aus 2018 bis 2021 liegen, müssen nach EU-Vorgabe zumindest zu 33 Prozent abge­schöpft werden. Wir gehen auf einen Satz von 40 Prozent, den wir in Österreich zur Anwendung bringen, der aber auf 33 Prozent gesenkt werden kann, wenn man in Erneuerbare investiert.

Auch bei der Erlösobergrenze im Großhandel mit Strom für alle Technologien, die einen Erlös über 180 Euro pro Megawattstunde erzielen – das betrifft, Sie wissen es, Technologien wie Windkraft, Wasserkraft, Fotovoltaik, Biomasse –, haben wir uns in Österreich mit 140 Euro pro Megawattstunde für eine strengere Umsetzung entschieden. Auch da kann man den Betrag an­heben, wenn man gezielt und verstärkt in Erneuerbare investiert. Und das Stromverbrauchsreduktionsgesetz trägt dazu bei, den Stromverbrauch in Spitzenzeiten zu reduzieren. Indem wir das tun, sparen wir Gas und sen­ken damit die Preise.

Beim letzten Rat der Energieministerinnen und -minister am 19.12. haben wir drei weitere Notfallverordnungen beschlossen. Die Gassolidaritätsverord­nung – sie wird uns heute auch noch in einem weiteren Tagesordnungspunkt beschäftigen – beinhaltet eine Reihe von Maßnahmen im gemeinsamen Gaseinkauf, den effizienten Betrieb der Gasinfrastruktur, Regeln für Solidaritäts­lieferungen zwischen Mitgliedstaaten im Sinne der Versorgungssicherheit und Maßnahmen zur Eindämmung von Spekulation und Preisvolatilität; insbe­sondere auch die Schaffung eines objektiven Vergleichsinstruments, also einer LNG-Benchmark.

Warum gibt es diese Reihe von Verordnungen? – Um die Gasversorgung abzusichern, die Unsicherheit und damit die Preisausschläge auch bei einer ge­ringen Liquidität der Märkte zu senken und durch einen gemeinsamen Gas­einkauf Kosten zu reduzieren. Das sind konkrete Maßnahmen, die wirken, und genau das machen wir! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Der Marktkorrekturmechanismus – er ist heute schon referenziert worden – legt einen Höchstpreis für den Terminhandel an der niederländischen Gasbörse TTF fest. Der Mechanismus wird nach klaren Kriterien ausgelöst: wenn der Preis im Frontmonat drei Tage lang über 180 Euro pro Megawattstunde liegt, wenn er höher liegt als der globale Durchschnitt. Die Verordnung enthält auch Sicherheitskriterien, die die Versorgungssicherheit, oder bei einem Gas­notfall, also wenn es dazu führt, dass man kein Gas mehr bekommt, auch ein Aussetzen des Mechanismus ermöglichen. Dieser Mechanismus war ein dringend notwendiger, lang verhandelter, hart umstrittener Schutzschalter gegen bewusste Marktmanipulation und Gasverknappung, wie wir sie im August letzten Jahres unter anderem erlebt haben.

Und die letzte Notverordnung – über diese haben wir, auch im politischen Diskurs, noch viel zu wenig gesprochen; ich glaube, sie ist eine der wichtigsten – war eine Genehmigungsverordnung, die bei der Beschleunigung des Aus­baus erneuerbarer Energien eine Rolle spielt. Sie ist damit eine der wichtigsten Maßnahmen, um uns aus der Abhängigkeit von fossilen Energien heraus­zubringen. Diese Verordnung enthält Vorschriften, um die Genehmigung von Energiewendeprojekten zu erleichtern, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen, insbesondere ganz konkrete Verfahrensbeschleuni­gungen bei PV, Wärmepumpen, Solarthermie oder der Erneuerung beste­hender Anlagen.

All diese Notverordnungen tragen dazu bei, dass die Preise an den Energie­großmärkten bereits wieder gesunken sind. Das ist eine gute Entwicklung, und jetzt gilt es, gemeinsam dafür Sorge zu tragen, dass die niedrigeren Preise auch rasch bei den Konsumentinnen und Konsumenten ankommen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Damit es zu keinem Missbrauch kommt – auch das ist ein Thema, das uns ja gemeinsam beschäftigt –, haben sich sowohl die Bundeswettbewerbsbehörde als auch die E-Control gemeinsam in einer Taskforce zusammengetan, um die Preisentwicklung engmaschig zu überwachen, jedem Hinweis auf Manipulation nachzugehen, jedem Hinweis auf unlautere Geschäftspraktiken nachzugehen.

Auf nationaler Ebene haben wir infolge dieser europäischen Maßnahmen eine Vielzahl von Entlastungspaketen zur Abfederung der Energiepreise, zur Abschöpfung von Zufallsgewinnen – ich habe es schon erwähnt – und viele weitere Maßnahmen gesetzt und wir werden sie auch weiter setzen.

Wir handeln da nicht als Insel. Auch das, was wir national machen, ist europäisch eingebettet. Es geht um die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Unternehmen, auf die man natürlich auf der einen Seite achten muss, aber es geht auch darum, die Belastungen für die Menschen abzufedern. Ich möchte die Maßnahmen nicht wiederholen: von der Stromkostenbremse über den Wohn- und Heizkostenzuschuss, den Energiekostenzuschuss, den Klimabonus bis zu einer weiteren Maßnahme, die wir heute auch in einem nächsten Tagesordnungspunkt behandeln, nämlich der Abfederung der Netzverlustentgelte – übrigens auch eine Forderung der Arbeiterkammer, die wir damit umsetzen.

Es ist aber vollkommen klar – damit komme ich zum Schluss meiner Rede –, dass wir noch nicht am Ende der Anstrengungen auf europäischer Ebene sind; ganz und gar nicht!

Wir sind noch lange nicht am Ziel. Es ist niemandem verständlich – wir haben es auch in diesem Haus mehrere Male diskutiert –, warum jemand, wenn er Strom aus 100 Prozent günstigen, erneuerbaren Energieträgern bezieht, wegen hoher Gaspreise jetzt einen viel höheren Strompreis hat. Das heißt, es muss gelingen, den Strompreis vom Preis der fossilen Energieträger abzukoppeln (Abg. Stöger: Tun!), gleichzeitig ein klares Investitionssignal für Erneuerbare zu schaffen. (Abg. Stöger: Frau Ministerin! Tun! Preisregeln!)

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat angekündigt, dass das Strommarktdesign verändert wird. Das war eine Forderung, die wir, die ich auch in zahlreichen Reden eingebracht habe und die jetzt erfüllt wird. (Abg. Stö­ger: Einfach tun!) Es ist jetzt die Konsultation auf europäischer Ebene, sie läuft bis 13. Februar. Die Konsultation konzentriert sich genau auf diese Frage des Marktdesigns. Das Ergebnis dieser Konsultation wird dann ein Vorschlag der Kommission sein – auf europäischer Ebene hat nämlich die Kommission die Möglichkeit, einen Vorschlag vorzulegen –, der noch im ersten Quartal erwartet wird. Angekündigt ist er jetzt für Mitte März, und ich werde mich bei den Verhandlungen im Rat selbstverständlich weiter dafür einsetzen, dass der Strommarkt stabile Rahmenbedingungen hat, die notwendigen Anreize für den Ausbau der Erneuerbaren setzt und dass es nicht weiter der Fall ist, dass die fossilen Energiepreise die erneuerbaren Energiepreise treiben, denn es ist ganz klar: Die Erneuerbaren sind unser Weg in die Zukunft und die güns­tigste Form, Energie zu erzeugen, die wir haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich darf auch hier noch einmal bekräftigen: Nicht nur ich setze mich dafür auf europäischer Ebene ein. Ja, die Räte der Energieminister haben sich am öftesten getroffen. Der Herr Bundeskanzler, der Herr Wirtschaftsminister, wir alle haben auf europäischer Ebene die gleiche Linie: Es braucht Refor­men, weil wie gesagt klar ist: Die Erneuerbaren sind unsere günstigste Form, Energie zu erzeugen. Sie finanzieren auch keinen völkerrechtswidrigen, militärischen Überfall in einem unschuldigen Nachbarland, und deswegen muss man hier weitergehen.

Ich lade auch alle ein, dass wir diese Diskussion in den nächsten Monaten auch auf EU-Ebene und hier im Haus konstruktiv begleiten.

Zum Abschluss lassen Sie mich daher auch hier wieder versichern: Ich werde auch dieses Jahr, also 2023, wieder auf den Räten der Energieministerin­nen und -minister sein. Mir ist es wichtig, dass Österreich da mit starker Stimme Verbesserungen einfordert. Mir ist es wichtig, dass da etwas weitergeht, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen, und zwar unabhängig zu werden von fossilen Energieimporten und ein Strommarktdesign zu haben, das uns beim Ausbau der Erneuerbaren weiterbringt. – Herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.40

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich danke.

Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Graf. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.