Dringliche Anfrage
der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „Milliarden-Spekulationsverluste der Nationalbank unter Verantwortung von ÖVP-Mann Steiner – und Finanzminister Brunner vertuscht!“ (13781/J)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 13781/J.
Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.
Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:
Die Umstände unter denen in der Nationalbank offenbar Spekulationsverluste in Milliardenhöhe entstanden sind, entwickeln sich mehr und mehr zum Krimi.
Ende November 2022 sprachen erste Medienberichte zunächst lediglich von Verlusten von mehreren hundert Millionen Euro, die in steigenden Zinsen und niedrigen Renditen von Staatsanleihen begründet seien. Am 21.1.2023 kam es dann zu einem Knalleffekt. Im Rahmen eines Presse-Interviews ließ, der von der ÖVP fürs Direktorium nominierte, OeNB-Direktor Thomas Steiner die Katze aus dem Sack. Er musste eingestehen, dass es nicht um ein paar Millionen Euro gut erklärbare Wertberichtigungen, sondern tatsächlich um insgesamt 2 Milliarden Euro Spekulationsverluste geht.
Der ÖVP-Mann Steiner musste im Rahmen dessen auch zugeben, dass nicht die Geldpolitik der EZB für die Verluste verantwortlich ist, sondern es sich hierbei um Spekulationsverluste handelt, die ausschließlich unter seiner Verantwortung entstanden sind. Es waren nicht nur externe Ereignisse, die Spekulationsverluste sind offenbar hausgemacht.
Hintergrund dürfte sein, dass in den letzten Jahren unter Steiner - in seiner Verantwortung - die Veranlagungsvorschriften der OeNB verändert wurden. Erst dadurch dürfte es ermöglicht worden sein, dass die OeNB sich stärker im Aktienhandel engagiert hat.
Es wäre einer der größten Finanzskandale, wenn die OeNB tatsächlich aufgrund einer Veränderung der hausinternen Politik Milliarden Euro verspekuliert hat. Dieses Geld der OeNB gehört nämlich zu 100% den Menschen, die in Österreich leben, da die Nationalbank zu 100% im Eigentum der Republik steht.
Dass ÖVP-Leute in der OeNB sehr leichtfertig mit dem Steuergeld der Menschen in Österreich umgehen hat leider System. Dieses ÖVP-System wurde ja schon im ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss ausreichend aufgezeigt.
Es werden Personen, die ÖVP-nahe, loyal und steuerbar sind, in Positionen gesetzt, für die sie in Wahrheit nicht die nötige Qualifikation mitbringen. Der ÖVP ist in dieser Frage nichts mehr heilig. Schon Thomas Schmid durfte sich seinen Job als ÖBAG-Chef selbst zurechtschneiden. Die Ausschreibung wurde im Vorfeld manipuliert. Nichts davon wird ernsthaft bestritten. Die Dokumente dazu sind eindeutig. Dass die Menschen in Österreich mit ihrem Steuergeld nicht nur hoch dotierte Jobs für ÖVP-Günstlinge finanzieren müssen, sondern eben auch für alle Folgeschäden von schlechten Managemententscheidung geradestehen müssen, wissen wir spätestens seit dem sogenannten AUA-Deal. Während ÖBAG-Chef Schmid als Chefverhandler auf der österreichischen Seite hunderte Millionen Euro an österreichischem Steuergeld über Umwege an die Lufthansa weitergeleitet hat, ist auf der anderen Seite die deutsche Bundesregierung mit einem Beteiligungsmodell an dieser sogar mit einem Gewinn aus der Rettung ausgestiegen. Erfahrung und Know-How wären wichtige Maßstäbe für Personalauswahl. In der ÖVP geht es aber immer nur um Parteizugehörigkeit und absolute Loyalität zur ÖVP, nicht zur Republik.
Alleine diese beiden ÖVP-Männer, Thomas Schmid und Thomas Steiner, haben den Menschen in Österreich einen finanziellen Schaden in der Höhe von mehreren hunderten Millionen Euro zugefügt. Thomas Schmid musste – nach monatelangen Mauern der ÖVP – zurücktreten.
Besonders erschreckend an dieser Geschichte ist aber auch, dass das BMF offenbar versucht hat die Malversationen in der OeNB zu verschweigen. Auf Basis des Nationalbankgesetztes hätte der Finanzminister über die Spekulationsverluste wohl schon im Jahr 2022 informiert werden müssen.
Gemäß § 40 Nationalbankgesetz, hat der Finanzminister einen Staatskommissär und dessen Stellvertreter zu bestellen, die berechtigt sind, an den Generalversammlungen sowie den Sitzungen des Generalrates der OeNB mit beratender Stimme teilzunehmen. Gem. § 28 Abs. 2 muss auf schriftliches Verlangen von drei Mitgliedern des Generalrates oder auf Verlangen des Gouverneurs oder des Staatskommissärs innerhalb von acht Tagen eine Sitzung des Generalrates einberufen werden. Gem. § 32 Abs. 2 NBG hat das Direktorium den Generalrat periodisch, in der Regel monatlich, „über die Abwicklung und den Stand der Geschäfte sowie über sonstige bedeutsame, den Betrieb betreffende Vorkommnisse mündlich oder schriftlich zu berichten. Darüber hinaus ist bei wichtigem Anlass dem Präsidenten Bericht zu erstatten. Das Direktorium ist berechtigt, Anträge jeder Art an den Generalrat zu stellen.“
Gem. § 10 Abs. 2 des NBG ist auf schriftliches Verlangen des Bundes, sofern dies nicht im Rahmen der regelmäßigen Generalversammlung erledigt werden kann, die Abhaltung einer außerordentlichen Generalversammlung binnen 30 Tagen anzuberaumen.
Auf Basis der geltenden Rechtslage stellt sich also die Frage, ob der Finanzminister über (und falls ja, ab welchem Zeitpunkt) die Vorgänge in der OeNB informiert war und warum er weder die Öffentlichkeit über die Spekulationsverluste zeitnah informiert noch irgendeine Maßnahme gesetzt hat um die Verluste zu begrenzen.
Nachstehende Fragen stehen im Zusammenhang mit der Vollziehung des Finanzministeriums, der Tätigkeit des Staatskommissärs und dessen Stellvertreter, Informationspflichten an den Bundesminister bzw. Informationen und Unterlagen bzw. Kenntnisse, die im Ressort und bei Ihnen als zuständigem Bundesminister bzw. Ihrem Kabinett im Zeitablauf zu diesen Sachverhalten vorlagen. Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Finanzen nachstehende
Dringliche Anfrage
(1) Wie hoch wird der zu erwartende Jahresgewinn-/verlust der OeNB im Jahr 2022 sein?
(2) Von welchen Prognosen zu den Jahresergebnissen der OeNB ab 2023 bis 2026 haben Sie Kenntnis? Bitte um jährliche Angabe der Höhe des prognostizierten Jahresergebnisses.
(3) Ist es Ihren Informationen nach zutreffend, dass es Veranlagungsverluste bzw. Spekulationsverluste aus Eigenveranlagung im Jahr 2022 und den Folgejahren geben wird? Wenn ja, wie hoch sind die Ihnen bekannten Prognoseverluste für 2022 und die Folgejahre?
(4) Wie hoch wird der Verlust aus der Geldpolitik im Jahr 2022 sein? Welche Entwicklung wird auf Grund der Ihnen bekannten Informationen für die Folgejahre erwartet?
(5) Wie hoch wird der Verlust aus der Veranlagungspolitik im Jahr 2022 sein? Welche Entwicklung wird auf Grund der Ihnen bekannten Informationen für die Folgejahre erwartet?
(6) Wie hoch wird der Verlust aus Eigenveranlagung der OeNB im Jahr 2022 sein? Welche Entwicklung wird auf Grund der Ihnen bekannten Informationen für die Folgejahre erwartet?
(7) Von welchen Prognosen zu den Dividendenzahlungen der OeNB für 2022 und die Jahre ab 2023 haben Sie Kenntnis? Bitte um jährliche Angabe der Höhe des prognostizierten Jahresergebnisses.
(8) Welche Auswirkungen hat der Verlust der OeNB im Jahr 2022 auf die Dividendenabfuhr an den Staatshaushalt für die kommenden fünf Jahre (bitte um jährliche Angabe)?
(9) Ab wann werden von Ihnen wieder Dividendeneinzahlungen der OeNB an den Staatshaushalt erwartet?
(10) Für wie lange erwarten Sie Jahresverluste der OeNB, die zu keiner Dividendenzahlung an den Staatshaushalt führen?
(11) Sind Ihnen oder dem Ministerium interne Berechnungen der OeNB bekannt, wie hoch die Verluste in den nächsten zwei Jahren sein werden? Wenn ja, wie hoch je Jahr und wie hoch werden die Verluste in Summe sein?
(12) Wann und von wem wurden Sie bzw. Ihr Kabinett erstmals von der OeNB über die Spekulationsverluste aus Eigenveranlagungen des Jahres 2022 informiert? Wann und in welchem Umfang folgten weitere (wiederholte) Informationen an Sie und mit welchem Inhalt (Entstehung des Verlustes, Höhe des Verlustes 2022)?
(13) Sind Ihnen auf Grund der laufenden Berichte an den Generalrat der OeNB des Jahres 2022 die Spekulationsverluste der OeNB bekannt geworden? Welche Informationen liegen Ihnen dazu vor?
(14) Wie hoch waren die berichteten Spekulationsverluste aus Eigenveranlagung zum 31.3.2022? Welche Informationen liegen Ihnen dazu vor?
(15) Wie hoch waren die berichteten Spekulationsverluste aus Eigenveranlagung zum 30.6.2022? Welche Informationen liegen Ihnen dazu vor?
(16) Wie hoch waren die berichteten Spekulationsverluste aus Eigenveranlagung zum 30.9.2022? Welche Informationen liegen Ihnen dazu vor?
(17) Wie hoch waren die berichteten Spekulationsverluste aus Eigenveranlagung zum 31.12.2022? Welche Informationen liegen Ihnen dazu vor?
(18) Ist Ihrer Kenntnis nach Direktor Steiner in seinem Ressort für den Geschäftsbereich Treasury, und demnach für die Veranlagungen, in der OeNB verantwortlich? Wenn ja, seit wann?
(19) Wurden in der Funktionszeit von Direktor Steiner die Veranlagungsvorschriften für die Veranlagungen der OeNB geändert? Wenn ja, wann?
(20) Wurden diese Änderungen dem BMF zur Kenntnis gebracht, wenn ja wann?
(21) In welchen Punkten wurden die Veranlagungsvorschriften, wenn sie geändert wurden, im Vergleich zu den vorherigen abgeändert?
(22) Haben Sie oder der Staatskommissär bzw. dessen Stellvertreter sich zu den Änderungen der Veranlagungsvorschriften gegenüber der OeNB geäußert (beraten) und was war der Inhalt?
(23) Haben Sie Kenntnis davon, dass die OeNB für den Geschäftsbereich des Treasury (Veranlagung) ein Risikomanagement eingerichtet hat? Wenn ja, welche Kenntnisse haben Sie zur Funktionalität und Effizienz dieser Organisationseinheit? Welchem Direktoriumsmitglied ist das Risikomanagement für Eigenveranlagungen unterstellt.
(24) Wie kann es sein, dass die OeNB auf Aktienmärkten spekuliert?
(25) Was war/ist das Ziel der in der Funktionsperiode von Direktor Steiner geänderten Veranlagungsvorschriften?
(26) Welche inhaltlichen Vorgaben zur Zusammensetzung des Portfolios werden gemacht?
(27) Wie hoch wird der Verlust aus Eigenveranlagung im Jahr 2022 sein? Welche Ergebnisentwicklung der Eigenveranlagung wird für die Folgejahre erwartet und existiert eine Planrechnung?
(28) Liegt dem Finanzministerium eine Planrechnung des Jahres 2022 vor? Wenn ja von wann?
(29) Wurde diese Planungsrechnung im zweiten Halbjahr 2022 geändert? Wenn ja, wie oft, wann und wie wurde eine allfällige Ergebnisverschlechterung in der jeweils aktualisierten Planungsrechnung des Jahres 2022 berücksichtigt?
(30) Welche Ziele verfolgt die Eigenveranlagung der OeNB?
(31) Gibt es ein schriftliches Verlangen des Bundes auf Abhaltung einer Generalversammlung? Wenn ja von wann, und fand diese bereits statt bzw. wann wird sie stattfinden? Wenn nein, warum nicht?
(32) Lt. Auskunft des Direktoriums im Budgetausschuss wurde der Generalrat unterrichtet. Welche Informationen wurden bekannt bzw. liegen dem BMF dadurch vor? Wann wurde diese Information gegeben? Wann wurden Sie bzw. Ihr Kabinett informiert? Welche Schritte wurden von Ihrer Seite eingeleitet?
(33) Haben der Gouverneur, drei Mitglieder des Generalrates oder ein Staatskommissar in Anwendung des § 28 NBG eine Sitzung des Generalrates verlangt, wenn ja wann bzw. wann findet (oder fand) diese statt? Was wurde dabei zu den Verlusten aus dem Veranlagungsgeschäft berichtet?
(34) Gem. § 32 Abs. 2 Nationalbankgesetz berichtet das Direktorium dem Generalrat periodisch, in der Regel monatlich. Welche Informationen wurden Ihnen bzw. Ihrem Kabinett durch die Staatskommissäre vorgelegt? Welche Informationen hat es zu einem erwarteten Veranlagungsverlust gegeben?
(35) Welche Informationen haben Sie vom Gouverneur oder Vizegouverneur oder aus der Tätigkeit der Staatskommissäre im Verlauf des Jahres 2022 zu den zu erwartenden Veranlagungsverlusten erhalten? Bitte um Angabe des Datums des Informationszugangs und der Höhe und Zusammensetzung der berichteten Spekulationsverluste aus Eigenveranlagung der OeNB.
(36) Wann haben Sie bzw. wann werden Sie das Parlament über den zu erwartenden Verlust der OeNB informieren?
(37) Haben Sie den zu erwartenden Spekulationsverlust der OeNB in das im Herbst dem Nationalrat vorgelegte Budget für 2023 (BFG und BFRG) berücksichtigt? Warum gab es keine Anpassung der Budgetzahlen?
(38) Wie hoch waren die Verluste in Prozent nach den jeweiligen Veranlagungsklassen - GovBonds, CorporateBonds, Equities (Aktien) - für das Jahr 2022?
In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 1 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Herrn Abgeordneten Krainer als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort erteilen.
Ich begrüße den Herrn Finanzminister.
Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort, bitte sehr.