15.01

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss eindrucksvoll gesehen, wie die Personalpolitik der ÖVP ausschaut, wie – ehrlich gesagt auch unabhängig von der Regierungsbeteiligung – die Personal­entscheidungen der ÖVP zustande kommen. In Wahrheit steht vor der Ausschreibung einer Funktion schon fest, wer sie bekleiden soll. Teilweise wur­den die Namen ja bereits Jahre davor festgehalten; es wurde festgehalten, wer in diesem Land etwas wird – auf Vorschlag der ÖVP. (Abg. Haubner: Schwie­rig, wenn man nicht mehr dabei ist!)

Wir wissen, dass die Ausschreibungen oft manipuliert oder auf einzelne Bewerber zugeschnitten waren. Teilweise haben die Bewerber, die es dann wurden, an ihrer Ausschreibung selbst mitgeschrieben. Wir wissen, dass die sogenannten unabhängigen Personalkommissionen am Ende des Tages zu­fällig genau jene Personen als bestgeeignet vorgeschlagen haben, die ÖVP-intern bereits Monate, teilweise Jahre davor schriftlich festgehalten wur­den. (Abg. Haubner: Die Sage des Herrn Krainer ist das! Durch nichts bewie­sen! Durch nichts bewiesen!) Heute geht es um ein Beispiel, das die Oesterreichi­sche Nationalbank betrifft.

Das ist nämlich nicht nur unfair gegenüber den Besserqualifizierten, die über­gangen wurden, sondern das bedeutet auch einen Schaden für uns alle, denn: Wenn die Republik nicht von den besten Personen geführt wird, wenn unsere Institutionen nicht von den besten Personen geführt werden, dann bedeutet das einen Schaden für uns alle. Dieser Schaden wird jetzt bei der Oes­terreichischen Nationalbank ersichtlich.

Die Oesterreichische Nationalbank hat mehrere gesetzliche Zuständigkeiten. Eine ist, dass sie mit der Europäischen Zentralbank an der Geldpolitik mit­wirkt. Das muss unabhängig von der Politik passieren und das passiert auch un­abhängig von der Politik. Sie hat eine wichtige Rolle in der Bankenaufsicht, bei der Kontrolle der Banken, sie ist auch zuständig für die Finanzmarktstabili­tät – sie macht ihren Job da sehr gut – und sie verwaltet auch unsere eiser­ne Reserve, nämlich den Sparstrumpf von uns allen, von allen, die in Österreich leben.

In der Oesterreichischen Nationalbank, davon konnten wir uns, glaube ich, alle überzeugen, weil wir immer wieder Aussprachen haben, weil wir immer wie­der die Gelegenheit haben, uns mit Expertinnen und Experten, mit Mitarbeiterin­nen und Mitarbeitern der Oesterreichischen Nationalbank auszutauschen, sind ganz großartige Expertinnen und Experten tätig, die diesen gesetzlichen Aufgaben, die sie haben, nicht nur nach bestem Wissen und Gewissen, sondern mit echter Expertise nachkommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gibt aber nun einmal auch die ÖVP und deren Personalentscheidungen. Wir wissen ja alle über die Karriere von Thomas Schmid Bescheid, den man jetzt in der ÖVP nicht mehr kennen will. Er kam über Kabinette in staatsnahe Betriebe. Nach monatelangem Mauern der ÖVP wurde er schlussendlich aus seiner Vorstandsfunktion bei der Öbag entlassen.

Eine nicht unähnliche Karriere hat sein Vornamensvetter Thomas Steiner: Er war auch in Kabinetten und dann im staatsnahen Bereich tätig, bevor er 2019, überraschend für die meisten Experten, zum Direktor der Oesterreichischen Na­tionalbank ernannt wurde. Es wurde schon fast zwei Jahre vorher festgelegt, dass die ÖVP das Vorschlagsrecht für diese Funktion hat, und sie hat Thomas Steiner vorgeschlagen. Er ist seitdem in der Oesterreichischen National­bank für die Verwaltung unserer eisernen Reserve zuständig und mit der Veran­lagung dieser betraut.

In den letzten Monaten haben wir etwas fast schon Krimiartiges erlebt: Ende November erschienen in mehreren Tageszeitungen wortgleiche Artikel mit dem Inhalt, dass die Oesterreichische Nationalbank aufgrund ihrer Geldpolitik Verluste in Höhe von einigen Hundert Millionen Euro erlitten hat, sich unter dem Strich aber eine schwarze Null ausgehen werde, weil es insgesamt eh noch halbwegs gut gegangen sei. Das stand Ende November in mehreren Tageszeitun­gen. Da muss es eine Art Hintergrundgespräch der Oesterreichischen Natio­nalbank gegeben haben.

Dann, gar nicht so viel später, nämlich Ende Jänner – ich glaube, es war am 21. Jänner –, erschien ein Interview, in dem Herr Thomas Steiner, also der Direk­tor der OeNB, der für die Verwaltung unserer eisernen Reserve verantwort­lich ist, zugeben musste: Nein, die Verluste sind erstens nicht durch die Geldpoli­tik entstanden, sondern es sind Spekulationsverluste, und zweitens geht es nicht um einige Hundert Millionen Euro, sondern um 2 Milliarden Euro, die im Jahr 2022 unter der Verantwortung des ÖVP-Mannes Thomas Steiner verspekuliert wurden. Es ist ehrlich gesagt erschütternd, dass mit unserem Steu­ergeld in der Oesterreichischen Nationalbank überhaupt spekuliert wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Es gab an und für sich einen politischen Grundkonsens in Österreich, dass man mit Steuergeld nicht spekuliert. (Abg. Ottenschläger: Wien Energie!) Ich muss jetzt nicht alles aufzählen, was in der Vergangenheit passiert ist – begonnen mit den Oebfa-Verlusten in Höhe von 450 Millionen Euro 2008. Das ist unter Molterer passiert, verantwortlich war aber sein Vorgänger, Finanzminister Gras­ser, weil er die Veranlagungsvorschriften der Oebfa verändert hat, sodass die Oebfa mit Aktien, mit Derivaten spekulieren konnte. Es hat eine Reihe von anderen Gelegenheiten gegeben: Es gab verlustreiche Swaps, die an Ge­meinden verkauft wurden, an große und an kleine. Auch wenn man als Gemein­de am Schluss in der Regel gewonnen hat und kein Geld zahlen musste, herrschte ein politischer Grundkonsens in diesem Land, dass man mit Steuergeld nicht spekuliert.

Wir haben jetzt recherchiert und siehe da, wir haben erfahren – und da würden wir gerne von Ihnen, Herr Finanzminister, wissen, ob das stimmt, ob Sie auch diese Informationen haben –, dass die Veranlagungsregeln in der Oester­reichischen Nationalbank, also was man überhaupt mit unserer eisernen Reserve machen darf, auf Betreiben von Thomas Schmid geändert wurden. Erst ab dann konnte man unseren Sparstrumpf verstärkt in Aktien und andere hochspe­kulative Produkte investieren. (Abg. Fürlinger: Aktien – spekulative Produkte! – Abg. Michael Hammer: Das hat man bei der Wien Energie gesehen, oder?)

Das ist erschütternd, weil damit dieser Grundkonsens, dass man mit Steuergeld nicht spekuliert, offenbar über Bord geworfen wurde, da – unter Verant­wortung der ÖVP – in der OeNB mit Steuergeld spekuliert wird. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Swap Linz zum Beispiel, SPÖ-Stadt Linz! So eine Heuchelei!)

Diese Veranlagungsregeln zu ändern (Abg. Fürlinger: Das ist ein Faschingsvortrag!) war übrigens gegen den expliziten Rat der Expertinnen und Experten in der Oesterreichischen Nationalbank, die damit über viele, viele Jahre sehr konserva­tiv umgegangen sind. Sie haben es abgelehnt, dass man in diese spekula­tiven Hochrisikoprodukte investieren soll. (Abg. Fürlinger: ... Arbeiterkammer!)

Die Veranlagungsstrategie, also was man dann konkret kauft und verkauft, wur­de auch auf Betreiben von Herrn Steiner geändert, und auch da wieder ex­plizit gegen den Rat der Expertinnen und Experten in der Oesterreichischen Na­tionalbank, die vor dieser Strategie gewarnt haben und gewarnt haben, dass das zu Verlusten führen wird. Das war ihm egal, er hat das durchgesetzt, und jetzt haben wir den Salat, nämlich 2 Milliarden Euro Verlust an Steuer­geldern, denn das Geld der Oesterreichischen Nationalbank gehört nicht Herrn Steiner oder der ÖVP, sondern das gehört ja uns Österreicherinnen und Österreichern und den Menschen, die in Österreich leben – da sind 2 Milliarden Euro verloren gegangen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ja, und ganz ehrlich: Das hat Auswirkungen auf unser Budget. 90 Prozent der Gewinne, die die Oesterreichische Nationalbank erwirtschaftet, müssen automatisch ans Budget abgeführt werden. Da kommen jedes Jahr – das schwankt – einmal 50, einmal 100, einmal 200, einmal bis zu 500 Millionen Euro an Gewinnanteilen ins Budget. Wenn wir jetzt hören, dass alleine letz­tes Jahr, 2022, 2 Milliarden Euro verspekuliert wurden, dann wissen wir, dass wir viele Jahre lang keinerlei Geld von der Oesterreichischen Nationalbank erwar­ten können. (Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Dieses Geld wird uns fehlen, wenn wir hier unser Budget aufstellen, wenn wir das Budget diskutieren und darüber reden, wie wir Kindergärten finanzieren und ausbauen wollen, wie wir die bestmögliche Bildung schaffen wollen, wie wir die Gesundheitsversorgung verbessern wollen oder wie wir das Pflegesys­tem verbessern wollen. Dieses Geld wird uns fehlen, und das Geld würden wir aber sehr, sehr dringend brauchen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Haubner.)

Unsere Recherchen haben ergeben, dass nicht nur bereits diese 2 Milliarden Euro an Spekulationsverlusten realisiert wurden, sondern dass intern in der Oesterreichischen Nationalbank (Zwischenruf des Abg. Hörl) die Expertinnen und Experten für heuer und für nächstes Jahr von Verlusten in einer ähnli­chen Größenordnung ausgehen, wenn nicht sogar in einer höheren. Das würde dann nämlich bedeuten, dass nicht nur ein paar Jahre, sondern 15 oder mehr Jahre keinerlei Gewinnabführung mehr von der Oesterreichischen Natio­nalbank getätigt wird.

Das bedeutet, dass mehr oder weniger das Geld einer halben Generation – einer halben Generation! – und die Aufbauarbeit – das Geld, das in der Bank drin­steckt, haben nämlich alle Österreicherinnen und Österreicher, alle Menschen, die in Österreich leben, erwirtschaftet – quasi verloren geht.

Das ist etwas, das man hier im Nationalrat diskutieren muss, denn wir haben nicht nur die Budgethoheit (Zwischenruf des Abg. Haubner), sondern ich er­warte mir auch, dass wir, wenn es um massive Auswirkungen aufs Budget geht und der Finanzminister davon in Kenntnis ist, auch informiert werden und uns reiner Wein eingeschenkt wird. Bisher wurde uns von den Verantwortlichen, allen voran Herrn Direktor Thomas Steiner, nicht reiner Wein eingeschenkt, sondern man wollte es mit viel Rauch und mit viel Erklärungsversuchen so dar­stellen, als ob eigentlich gar nichts passiert wäre. Wir wissen aber in der Zwi­schenzeit: 2 Milliarden Euro wurden verspekuliert, und die fehlen uns.

Und jetzt komme ich zu Ihnen, Herr Finanzminister, weil unsere Recherchen auch ergeben haben, dass Sie bereits Ende Oktober – Ende Oktober! – über die Spekulationsverluste informiert wurden. Ich habe hier eine Präsenta­tion (ein Schriftstück in die Höhe haltend), die Ihnen im Oktober übergeben wurde, nach der Sie eben vor mehr als drei Monaten darüber informiert wurden (Abg. Haubner: Wo ist die her? Da stellt sich die Frage, wo die her ist!), dass diese Spekulationsverluste passiert sind.

Sie wissen also seit mehr als drei Monaten, dass wir ein echtes Problem haben, nicht nur jetzt, sondern auch in den nächsten Jahren, weil uns dieses Geld für die Kindergärten, für die Bildung, für die Gesundheit, für die Pflege und für viele andere Bereiche fehlen wird.

Gerade in einer budgetär äußerst schwierigen Situation, in der wir jeden Euro brauchen, erwarte ich mir von Ihnen, dass Sie uns, wenn das schon nicht Herr Thomas Steiner macht, hier heute reinen Wein einschenken und sagen: Wie hoch sind die Verluste? Seit wann wissen Sie davon? Was sind die Auswirkungen in den nächsten Jahren auf unser Budget? Was tun Sie, damit sich so etwas nicht wiederholt, dass auch in der Nationalbank dieser Grundkon­sens, dass man mit Steuergeldern nicht spekuliert, wieder gelebt wird? – Der wurde lange gelebt, der wurde erst vom ÖVP-Mann Thomas Steiner abge­schafft und der gehört dringend wieder eingeführt. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.15

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundes­minister für Finanzen. Ich darf ihm das Wort erteilen. (Zwischenruf des Abg. Haubner.)