19.38
Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Kolleginnen und Kollegen! Ja, seit gegendert wird, tobt auch der Kampf ums Gendern. Es geht dabei um kulturelle Dominanz, es geht um Macht, es geht um Abgrenzung, es geht um individuelle und nationale Identität. Die Debatte wird, wie wir heute auch wieder gesehen haben, sehr emotional geführt; also man kann auch Männern manchmal sagen, sie sollen ein bisschen weniger emotional sein. Da macht es zur Abkühlung durchaus Sinn, sich zunächst einmal die Grundidee des Genderns anzuschauen.
Im Mittelpunkt steht ja eine grammatikalische Konstruktion, die bisher ganz ohne Kritik genutzt wurde, nämlich das generische Maskulinum. Gemeint ist damit, dass sowohl Personen als auch Berufe grammatikalisch als männlich bezeichnet werden, obwohl es auch eine weibliche Form dazu gibt. Die Evidenz ist hier ganz eindeutig: Sprache schafft Realität, und wer sprachlich nicht repräsentiert ist oder unterrepräsentiert ist, in diesem Fall Frauen, verliert eben dann auch an Bedeutung. Das weiß die FPÖ sehr genau, weil sie diese Mechanismen ja immer selbst nutzt. Ein Beispiel ist: Es macht einen großen Unterschied, ob ich von einer Flüchtlingszuwanderung spreche, ob ich von einer Flüchtlingswelle spreche oder von einer Flüchtlingsflut.
Diese Worte lösen sowohl beim Lesen als auch beim Hören Assoziationen aus, weil das eine wichtige Information ist, um Informationen einfach in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Flut ist eindeutig ganz negativ konnotiert (Abg. Deimek: Da muss man schon sehr ideologisch verbrämt sein ...!), und so lenkt man eben auch, wie Wirklichkeit geschaffen wird.
Und jetzt fabuliert die FPÖ in ihrem Antrag einen „Genderzwang“ herbei und schafft dabei nicht einmal einen halben Beleg für diese doch recht kühne Behauptung. (Abg. Deimek: Gehen Sie doch ... das Sozial- und Wirtschaftswissenschaftliche Institut, Frau Kollegin!) Es gibt viele Formvorschriften für wissenschaftliche Arbeiten, auch solche, die über Zitierregeln und Plagiatsverbote ganz, ganz weit hinausgehen, zum Beispiel für Masterarbeiten an der Universität Wien. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Da finden Sie an vielen Fakultäten Empfehlungen über die Schriftart, über Zeilenabstand und Ähnliches. Aber einen „Genderzwang“? – Den müssen Sie mir bitte erst einmal zeigen, den gibt es einfach nicht. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)
Dabei ist es ja auch durchaus sinnvoll, dass sich Studierende mit sozial relevanten Fragen auseinandersetzen, und dazu gehören eben auch Diversität und Gleichbehandlung. Beides sind auch Bereiche, in denen sich laufend Dinge verändern. Wir lernen ständig dazu, Sprache entwickelt sich einfach weiter (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Deimek), das merken wir auch in der Politik und in den Medien, beispielsweise dass es eben ein semantischer Unterschied ist, ob ich von einem Eifersuchtsdrama oder von einem Femizid spreche. – Dieser Unterschied ist wichtig, und das gilt eben auch für die Wissenschaft. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)
Es ist ja fast schon schlüssig, dass Ihr Antrag so verwirrt daherkommt. Erst beklagen Sie sich darin, dass es keine durchgängigen Genderregeln gibt, und dann wollen Sie diese abschaffen. Es ist also nicht ganz logisch, da frage ich mich: Was denn jetzt?
Kollege Deimek, weil Sie von hinten immer reinrufen und eine anscheinend sehr drängende Frage haben, wie das denn im Englischen aussieht: Na ja, im Englischen gibt es einfach nur einen Artikel. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen. – Heiterkeit des Abg. Lindner. – Abg. Deimek: ... im Französischen gibt es ...!)
19.41
Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.
Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das kann ich nicht erkennen.
Wie vereinbart verlege ich die Abstimmungen an den Schluss der Verhandlungen über die Vorlagen des Wissenschaftsausschusses und fahre in der Erledigung der Tagesordnung fort.