14.19

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler: Frau Präsidentin! Geschätzte Abgeordnete! (Abg. Hafenecker: Bitte reden Sie wieder Ihrer Fraktion die Zeit weg! Das wäre super! Wie beim letzten Mal!) – Ich denke, wir haben heute eine andere Vereinbarung. (Abg. Hafenecker: Schade! Das wäre aber effizienter!)

Sehr geschätzter Herr Botschafter! Hohes Haus! Es geht mir um zwei Punkte. Der erste ist, von der Regierungsbank aus doch noch einen Beitrag zu leis­ten, was die Statistik der Gasimportmengen betrifft. (Zwischenruf des Abg. Ein­wallner.) Da geht einiges durcheinander. Wir dürfen da alle miteinander nicht Opfer der kleinen Tücken der Prozentrechnung werden. Das ist wirklich kein großes Wunder, das kann man sich genau anschauen.

Es geht doch darum, dass wir das vergleichen, was von Russland an Gas am Schluss netto in Österreich verbleibt und was nicht. Da sind viele Ein­flussfaktoren ausschlaggebend.

Ich habe die Zahlen von der Energie-Control mit, und ich sehe es als meine Aufgabe, hier ein bissel zur Klärung beizutragen. Die monatlichen Prozentsätze, gemessen an was auch immer, sind natürlich sehr, sehr schwankend – das ist klar. Wenn hier 71 Prozent vom Dezember zitiert werden, dann wird man auch zitieren dürfen, dass es im Oktober nur 17 Prozent waren, also sieben, eins beziehungsweise eins, sieben. (Zwischenruf des Abg. Hoyos-Trauttmans­dorff. Okay, aber darum geht es nicht. Es geht darum, um wie viel es insgesamt weniger wird.

Ich darf Ihnen Folgendes anbieten – das haben wir noch schnell von der E-Control bekommen, das ganze Jahr 2021 verglichen mit dem Jahr 2022 –: Früher (Abg. Belakowitsch: Wann früher, Herr Vizekanzler?) haben wir 100 Terawattstunden und noch viel mehr – das sind jetzt absolute Mengen – Gas aus Russland importiert, dann nur mehr 55 bis 65. Das ist momen­tan nur zu schätzen, das würde natürlich eine deutliche Verringerung bedeuten. Wenn man das jetzt auf März bis Jahresende eingrenzt, wird es noch weni­ger sein, und siehe da, es ist leicht auszurechnen, dass das eine deutliche Verrin­gerung ist. (Beifall bei den Grünen.)

Sie könnten auch, wenn Sie gerne bei den Prozenten bleiben wollen, sagen: Okay, in den Vergleichszeiträumen März bis Dezember 2021/22 sank die Menge von durchschnittlich über 80 Prozent auf circa 50 Prozent. Das ist nicht nichts! Wenn sich jetzt alle möglichen Personen über diesen Umstand beschweren, dann fühle ich mich, und das ist jetzt mein zweiter Punkt, schon auch ein bissel persönlich angesprochen und herausgefordert. Wir hatten ja heute schon Roter-Teppich-Zitate et cetera. Wir als Grüne dürfen in Anspruch nehmen, dass wir ab 2014 in diese Richtung argumentiert haben, und zwar inbrünstig. Wir wurden nur nicht überall erhört, jedenfalls nicht von denen, die sich jetzt groß zum Rednerpult begeben. Das kann ich dem einen oder der anderen hier nicht ersparen.

Insofern ist die Anregung von Abgeordneten Troch eigentlich eine sehr nützliche. Die Regierung wird alle Daten zur Verfügung stellen, die es dazu braucht, um der Sache, was ab 2007, 2008, 2009 passiert ist, nachzuge­hen. Auch diesbezüglich wurde hier Missverständliches gesprochen. Die Putin-Aggression war damals schon erkennbar, Gas war damals schon eine Waffe. Erinnern Sie sich, dass die Gaslieferungen in diesen Wintern mehrmals gestoppt wurden, mit der verleumderischen Behauptung, die Ukraine zapfe das Gas ab! Das war der Putin von vor 15 Jahren. Da waren Sie noch nicht so hellhörig, 2014 und in den folgenden Jahren ebenfalls nicht. Da haben Sie nicht einmal uns gehört. Ich unterstelle ja nicht, dass Sie der Putin-Propaganda auf den Leim gegangen sind, wie man das heute der FPÖ jeden Tag vorhalten kann. Es ist aber schon so, dass wir uns, wenn wir schon so debattieren, anschauen müssen, was dafür ausschlaggebend war. Wir liefern dazu gerne, wo wir können, die Daten.

Der Weg war von der Annexion der Krim an klar – die Ostukraine wurde de facto auf eine perverse Art und Weise okkupiert, mit kleinen grünen Männchen; Putin hat alle verhöhnt, die darauf hingewiesen haben, und gesagt, seine Soldaten sind irgendwelche Leute, die dort auf Urlaub sind und spazieren gehen. (Abg. Hafenecker: Aber Van der Bellen hat Verständnis gehabt dafür!) Das war sein Umgang mit der Welt, vor – na, rechnen Sie zurück! – über acht Jahren. (Abg. Hafenecker: Van der Bellen hat ein Buch geschrieben! – Abg. Belako­witsch: Distanzieren Sie sich von ihm? – Zwischenruf des Abg. Deimek.) – Herr Hafenecker, Sie haben sich entgegen den sonstigen Aschermittwochsbräu­chen, die jetzt bei Ihnen herrschen, eh sehr bemüht. Ich möchte das aner­kennen, also verscherzen Sie sich Ihren Ruf jetzt nicht durch völlig unpassende Zwischenrufe. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Neuerliche Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Hafenecker.)

Es ist doch ganz klar, wie die Entwicklung war, und deshalb ist darauf hinzuwei­sen, wie es gelaufen ist. Wir begehen heute den Jahrestag des Angriffs auf die Ukraine, und ich würde meinen, dass wir nicht nur eine Zeitenwende erlebt haben, sondern einen Zeitenbruch. Es ist ein Umbruch. Es ist ein Bruch mit allem, was wichtig war, und mit allem, was wir an Errungenschaften seit dem Zweiten Weltkrieg hatten. Dass die Ukraine ein Selbstverteidigungsrecht hat, sollten Sie sich einmal hinter die Ohren schreiben, meine Damen und Herren von den Blauen! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS.) Damals kam die UNO-Charta heraus, damals ging es darum, dass bestimmte Dinge, die Sie jetzt verteidigen, nie wieder passieren sollten. (Ruf bei den Grünen: Jawohl! – Abg. Hafenecker: Ja, zum Beispiel, dass man gesunde Menschen nicht einsperrt!)

Das hat mit Neutralität im Übrigen gar nichts zu tun, da stimmen ja alle vier Parteien hier, die nicht blau sind, überein, und das lobe ich mir sehr. Es ist doch klar erkennbar, worum es da geht, möchte man meinen. Putin ist ein grö­ßenwahnsinniger Diktator mit imperialen Gelüsten – das stimmt so weit, nur eines stimmt dabei nicht, nämlich der Wahnsinn: Putin ist sehr berechnend, und er hat das über viele Jahre angekündigt. Er ist also kalkulierend und berech­nend, er hat sich nur in einem verrechnet: Die Geschlossenheit des Westens ist da. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Belako­witsch: Na ja! – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Das sind die Erkenntnisse, die wir haben, auf denen kann man aufbauen, und so, glaube ich, sollten wir dorthin zurückkehren, wo wir seit dem Zweiten Weltkrieg immer gestanden sind. Das muss zumindest in Europa und am besten am ganzen Globus gelten, auch wenn es schon oft gesagt wurde, es wird immer wahrer: Es muss doch die Stärke des Rechts gelten und nicht das Recht des Stärkeren. (Abg. Hafenecker: Ist das jetzt eine Kritik am Bundespräsi­denten?) – Das ist die Geschichte.

Abschließend kommen wir noch zu dem, was sich in der Ukraine abspielt: Meine Damen und Herren von der FPÖ, es ist unerträglich, was im österreichi­schen Parlament im Angesicht des ukrainischen Botschafters dargeboten wird. (Abg. Belakowitsch: ... im österreichischen Parlament! – Abg. Deimek: Das sind bei uns anerkannte Flüchtlinge ...!) Wissen Sie, was Sie hier mitverteidigen? Wissen Sie das?! – Massenmord, Vergewaltigung, Kinderverschleppung! Das passiert! Es hilft nichts, wenn ausgerechnet aus Ihrem Mund die Worte: Frieden, Frieden!, kommen. Das kann man schon sagen, das wollen wir alle, aber allen anderen, die nicht Ihrer Meinung sind, zu unterstellen, sie seien Kriegs­treiber, wie Sie das hier, im österreichischen Parlament, hochgehalten haben, das ist ja überhaupt nur mehr unwürdig! (Abg. Hafenecker: Unwürdig seid ihr! – Abg. Deimek: Unwürdig sind Sie!)

Was aber ist denn die Logik hinter all dem? Denken Sie einmal nach, von wo der Angriff herkommt! Der völkerrechtswidrige Angriff kommt von Putin. Über die Vorgeschichte kann man schon auch diskutieren, das will ich nicht abstreiten, aber die Gegenwart – was jetzt passiert – ist völlig klar. Schauen Sie auch in die Zukunft, was passieren würde, wenn Putin aufhört! (Abg. Meinl-Reisinger: Dann ist Frieden!) – Dann herrscht Frieden. (Abg. Hafenecker: Wenn wir weiter Waffen liefern, dann gibt es einen Atomkrieg! – Zwischenruf der Abg. Belako­witsch.) – Frieden, ja, das ist Ihr Ding. Wenn die Ukraine aufhört, dann ist sie ausgelöscht – das ist der Unterschied! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und NEOS. – Abg. Hafenecker: Atomares Säbelrasseln passiert gerade!) Das muss doch selbst in Ihren Kopf rein!

Das können Sie nicht wegwischen, wir lassen das auch nicht zu, auch wenn Sie mit Ihrer Rhetorik draußen die Bevölkerung adressieren, indem Sie in Wahrheit blaue Putin-Propaganda, perverse Putin-Propaganda hier verbreiten, und ich weiß schon, es wurden ja - -

Präsidentin Doris Bures: Herr Vizekanzler, dieser Appell, den der Herr Präsident am Beginn seiner heutigen Vorsitzführung an dieses Hohe Haus und an die Abgeordneten gerichtet hat (Abg. Lausch: Der gilt auch für Sie!), dass wir trotz dieser emotionalen Debatte, gerade an einem Tag wie dem heutigen, auch unterschiedliche Meinungen respektieren müssen, der gilt auch für Sie. (Ruf bei den Grünen: Hallo, Frau Präsidentin! – Ruf bei der FPÖ: Der nächste Minister mit einem Ordnungsruf! – Abg. Schmidhofer: Sie reden mit dem Vizekanzler der Re­publik! – Zwischenrufe der Abgeordneten Salzmann, Stögmüller und Voglauer.) Deshalb würde ich auch Sie ersuchen, sich der Würde des Hauses entsprechend zu äußern (Abg. Schmidhofer: Unglaublich! – Abg. Michael Hammer: Hat er ja eh! – Ruf bei den Grünen: Das hat er ja gemacht!) und Ihre Meinung und Position auch so vorzutragen. (Die Abgeordneten Lukas Hammer, Stögmüller und Voglauer: Frau Präsidentin!) – Danke. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei den Grünen: Unglaublich!)

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler (fortsetzend): Frau Präsidentin, ich bleibe aber dabei. Das ist ja ein Zitat von einigen anderen hier, dass hier von den Blauen Putin-Pro­paganda betrieben wird. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Hafenecker: Stehen Sie wenigstens dazu! – Abg. Ries: Setzen Sie sich nieder, denken Sie nach und kom­men Sie später wieder!)

Wenn wir den Begriff pervers übersetzen, dann heißt das nur, dass sich die Wirklichkeiten verkehren in der - -

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter - - (Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ), Herr Vizekanzler, ich habe nicht nur die Frage, ob Sie von „perver­sen“ Ausdrucksweisen sprechen oder nicht, sondern auch die Ausdruckweise an sich wie: das wird doch wohl in Ihren Kopf hineingehen, gemeint. (Beifall bei der FPÖ. – Heftiger Widerspruch bei den Grünen. – Abg. Voglauer: Sie wollen Applaus von den Freiheitlichen? Frau Präsidentin, ist das das, was Sie wollen? – Ruf bei den Grünen: Das ist eine Frechheit! Das ist wirklich eine Frechheit! – Abg. Matz­netter: ... von der Regierungsbank!)

Das sind sozusagen Dinge, für die ich Ihnen keinen Ordnungsruf erteile, weil ich das auch als der Debatte geschuldet sehe. Ich habe Sie deshalb ganz höflich aufgefordert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin wirklich der tiefsten Überzeu­gung, dass heute ein besonderer Tag ist. Es ist ein ganz trauriger Jahrestag, den wir heute begehen, und dieser traurige Anlass verpflichtet uns im Besonde­ren – uns alle, von der Regierungsbank bis zu den Abgeordneten (Abg. Vog­lauer: Sparen Sie sich Ihre Moralrede! – Abg. Stögmüller: Sondersitzung! Das ist eine Sondersitzung, Frau Präsidentin!) –, diese unterschiedlichen Positionierungen und möglicherweise verschiedenen Meinungen auch so vorzutragen, dass wir die Würde des Hauses nicht verletzen und auch unser Umgang miteinander einer ist, der keine verbrannte Erde hinterlässt; deshalb habe ich das erwähnt, ohne einen Ordnungsruf zu erteilen. (Abg. Maurer: Der Regierungsbank kann man keinen Ordnungsruf erteilen! Was ist denn heute los?!)

Das parlamentarische Prozedere und die parlamentarischen Abläufe, Herr Vizekanzler, brauche ich Ihnen nicht zu erklären, Sie haben diesem Haus ja lange genug als Abgeordneter angehört.

Sie gelangen jetzt wieder zu Wort, Sie haben noch 2 Minuten Redezeit, die ich Ihnen dazugegeben habe, dann sind Ihre 10 Minuten ausgeschöpft. Sie haben das Wort, Herr Vizekanzler.

Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Mag. Werner Kogler (fortsetzend): Danke, Frau Präsidentin! Ich weise darauf hin, dass ich mich darauf bezogen habe – und zumindest kein kleiner Teil oder jedenfalls ein sehr einflussreicher Teil der Bundesregierung teilt diese Ansicht –, dass es nämlich sehr wohl von Relevanz ist, wie die Propaganda bestimm­ter Kräfte, die immerhin demokratisch legitimiert sind und hier mit ihren Abge­ordneten eine Fraktion bilden, aus unserer Sicht zu interpretieren ist. Die­se verdrehen – dieser Einschätzung nach – die Wirklichkeit (Abg. Meinl-Reisinger: Nicht nur aus unserer Sicht, das ist belegt!), das heißt pervers, und das kommt dort raus, wo Putin steht, und deshalb ist das eine perverse Putin-Propaganda. (Abg. Stögmüller: Jawohl!) – Das ist nun einmal logisch. (Beifall bei Grünen und ÖVP sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Eigentlich wollten wir aber auf etwas anderes hinaus. (Abg. Stögmüller: Das ist eine klare Beurteilung, Frau Präsidentin, das müssen Sie zulassen!) Wir wollten doch darauf hinaus, festzustellen – und das ist auch meine Schlussfolgerung aus dem Ganzen –, dass es darum geht (Zwischenrufe bei der FPÖ) – und ich wieder­hole es gerne noch einmal, um diese fundamentale Erkenntnis wirken zu lassen –: Wenn Putin aufhört, ist dieser Krieg beendet; er muss sich natürlich auch zurückziehen. Wenn die Ukraine aufhört, dann ist sie Geschichte, ist sie ausgelöscht. (Abg. Stögmüller: Jawohl!) Das ist so stark, dass ich mir hier das Wort nicht verbieten lasse. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Hafen­ecker: Sie sind aber Gast in diesem Haus! – Abg. Belakowitsch: Sie sind Gast in die­sem Haus! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Und das Nächste ist – weiter gedacht –: Wo würde denn diese Art von Frieden hinführen, der noch nicht einmal einer ist? – Er führt nach Moldawien, er führt nach Georgien, er führt bis ins Baltikum. Erst heute hat irgend so ein Putin-Epigone – durchaus hochrangig – wieder behauptet – hören Sie hin, nicht so wie 2014 die Ohren zumachen, hören Sie hin! –: Die Verteidigung Russlands in der Ukraine geht bis zur polnischen Grenze. – Das sagen die dort, also: Aufwachen! – Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und NEOS.)

14.31

Präsidentin Doris Bures: Nun ist Frau Abgeordnete Susanne Fürst zu Wort ge­meldet. – Bitte.