9.50.13

Abgeordnete Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr ge­ehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Wo wir, glaube ich, alle einer Meinung sind – und das ist ja ganz einfach ein Faktum –, ist, dass wir einen eklatan­ten Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel haben. Egal ob das in den Industrieun­ternehmen, in den Schulen, beim Wirt ums Eck oder in den Krankenhäusern ist: Wir haben nicht genug Leute, und derzeit haben wir sogar 220 000 offene Stellen. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird sich das in den nächsten zehn Jahren auch noch einmal um ungefähr 450 000 bis 500 000 Stel­len verstärken.

Was mich in dieser Situation besonders verwundert, ist, dass die SPÖ, obwohl wir zu wenige Leute haben, wieder mit ihrem Kassenschlager einer Vierta­gewoche, also eigentlich einer Arbeitszeitreduktion, daherkommt. Da muss ich mich ganz ehrlich fragen, ob ihr es nicht verstanden habt. Vielleicht habe ich es nicht verstanden, aber: Wie soll denn das bitte gehen? Man kann ja nicht in einem kürzeren Zeitraum produktiver sein. Der Kellner kann nicht in 32 Stunden 40 Stunden lang Gäste bedienen, und bei der Krankenschwester, die sich um die Patienten kümmert, ist es dasselbe, so wie auch das Band in der Produktion, das 100 Prozent der Zeit läuft, nicht nur zu 80 Prozent bedient wer­den kann. Das geht sich einfach nicht aus. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben dann nicht nur 20 Prozent mehr Kosten, wenn wir das Personal ha­ben – in Zeiten hoher Energie- und Lohnkosten übrigens eine super Idee –, sondern wir haben ganz einfach die Leute nicht, denn wenn wir von 40 auf 32 Stunden reduzieren, brauchen wir noch einmal 220 000 Leute. Das geht sich ganz einfach nicht aus.

Meine Damen und Herren, wir sollten also nicht darüber reden, wie wir weniger arbeiten können, sondern darüber, wie wir es schaffen, wie wir es ermögli­chen und beanreizen, dass die Leute mehr arbeiten und dass sich, und das ist na­türlich wichtig, Leistung auch lohnt. Genau das ist die Diskussion, die Bun­desminister Kocher auch führen möchte (Abg. Wurm: Na, na, na, der ... andere Dis­kussion!), aber objektiv, emotionslos und auch ehrlich.

Wir müssen uns überlegen, wie wir es schaffen, qualifizierte Leute nach Österreich zu kriegen, wie wir es durch Beitragssenkungen schaffen, dass Leute, die freiwillig länger arbeiten möchten, dies auch tun, und wie wir auch Überstunden beanreizen. Dazu gibt es Überlegungen. Es beinhaltet aber eben auch, dass wir Leute, die momentan in Teilzeit sind, in Vollzeit bekommen. Österreich ist ein Land unter drei Ländern mit der höchsten Teilzeitrate in der Europäischen Union.

Jeder Dritte in Österreich arbeitet in Teilzeit. Das ist sicherlich auch kulturell bedingt, aber es ist in vielerlei Hinsicht ein Problem. Ich sage Ihnen auch, warum: einerseits – und das habe ich schon erwähnt – wegen des Arbeits- und Fach­kräftemangels, andererseits ist aber unser Sozialsystem in Gefahr, denn wir ha­ben nun einmal ein System, für das wir die Leute, die arbeiten, brauchen – für das wir mehr Leute brauchen, die arbeiten, für das wir fast alle Leute brau­chen, die arbeiten. Die Pensionsbeiträge der Erwerbstätigen finanzieren die Pensionen der Pensionisten. Und drittens, das muss auch einmal ganz klar und deutlich gesagt werden: Wenn man weniger arbeitet, hat man später eine geringere Pension, dann ist ihre – und es ist meistens ihre – oder seine Pension geringer. Die Gefahr der Altersarmut steigt da massiv, und das trifft leider vor allem Frauen, und da müssen wir etwas tun. (Beifall bei Abgeord­neten von ÖVP und Grünen.)

Es geht niemandem darum, jemandem etwas wegzunehmen. Bundes­minister Kocher wollte das nicht, und ganz ehrlich gesagt: NEOS, es ist Ihrer auch nicht würdig, ihm zu unterstellen, dass er hier irgendjemanden be­strafen möchte. Wir müssen uns aber überlegen, wie wir es schaffen, mehr Leute in Vollzeit zu bekommen. Dafür wird sicher der Ausbau der Kinderbetreuung notwendig sein. Wir haben da letztes Jahr 1 Milliarde Euro zur Verfügung gestellt, aber, ganz ehrlich, es geht nicht nur ums Geld. Wir haben auch da einen Arbeitskräftemangel, denn diese Kinder müssen natürlich auch qualitativ hochwertig betreut werden. Es ist also wichtig, aber es ist nicht das Allheilmittel.

Wir müssen uns aber auch überlegen, wie wir es schaffen, dass wir die Leute, die freiwillig in Teilzeit sind und bei denen es sich einfach ausgeht – und das auch durch Leistungen des Staates –, diese 350 000 Leute, beanreizen, dass wir sie in die Vollzeit bekommen. Das müssen wir bei unseren zukünftigen Maßnahmen einfach noch stärker berücksichtigen. Wir haben diesbezüglich einiges ge­tan: Vergessen Sie bitte nicht, dass wir die Tarifstufen gesenkt haben, vergessen Sie nicht, dass wir die kalte Progression abgeschafft haben. Das wurde seit Jahren gefordert; viele Regierungen haben es versprochen, wir haben es getan! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Meine Bitte daher: Führen wir eine ehrliche Diskussion mit produktiven, sinnvollen Vorschlägen! Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass der Vollzeitbonus da die richtige Variante ist. Warum soll ich, die gerne freiwillig Vollzeit ar­beitet, einen Bonus auf Steuerkosten bekommen? Es ist wieder einmal die Gieß­kanne, die ihr so oft kritisiert. Auch wenn ihr sagt, es ist keine Gießkanne, ist es aber eine Gießkanne. (Abg. Meinl-Reisinger: Auf Steuern? Das ist ein Ab­setzbetrag ..., eigene ... Steuerlast, das ist ja keine Förderung!)

Meine Bitte daher: Führen wir diese Diskussion sachlich, unemotional, nicht angriffig, aber – und da schaue ich in Richtung SPÖ hinsichtlich des Vorschlages der Viertagewoche – führen wir sie auch ehrlich und vor allem sinnvoll! – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

9.55

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Mu­chitsch. – Bitte.