20.58
Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Fast 80 Jahre nach Ende des Holocaust müssen wir feststellen, dass Antisemitismus global nach wie vor ein seuchenhaftes Problem ist, das unsere Gesellschaft massiv bedroht. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass wir im Verfassungsausschuss entschieden haben, dass wir den Bericht 2022 über die Nationale Strategie gegen Antisemitismus hier im Plenum behandeln.
Es muss uns allen hier im Hohen Haus bewusst sein, welche Verantwortung wir bei diesem Thema tragen, gerade in Österreich. Deshalb verstehe ich nicht ganz, Frau Bundesministerin, sosehr ich Ihr Engagement als wirklich glaubwürdig und fundiert empfinde, warum auch hier wieder die Spitzenstellung, die wir angeblich haben, betont werden muss. Gerade wir in Österreich brauchen das nicht zu betonen. Für uns in Österreich muss es eine Selbstverständlichkeit sein, dass wir alles in unserer Macht Stehende unternehmen, um diesem grauenhaften Phänomen des Antisemitismus beizukommen. Da ist noch viel zu tun.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, geschätzte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, aber mir begegnet viel zu oft immer noch dieser Alltagsantisemitismus, gerade jetzt mit dem Krieg in der Ukraine, mit Staatspräsidenten Selenskyj, von dem bekannt ist, dass er Jude ist. Was das für Reaktionen auslöst, am Stammtisch oder weiß Gott wo, wo man halt hinkommt – da läuft es einem kalt über den Rücken und da fragt man sich: Haben wir in den letzten 80 Jahren wirklich nichts gelernt?
Da ist also noch wirklich viel zu tun und es ist sehr erfreulich, dass von den 38 Maßnahmen bereits ein Großteil umgesetzt ist beziehungsweise der Rest sich in Umsetzung befindet. Insbesondere bin ich schon sehr neugierig auf die Diskussion über die Reform des Verbotsgesetzes und erwarte mir, dass wir jetzt sehr bald einen Entwurf bekommen werden, damit wir auch da an den nötigen Schrauben drehen können.
Es geht aber auch darum, dass im Sinne der Zielsetzungen der Strategie, wie es im Bericht heißt, die Maßnahmen „ständig neu überdacht und erweitert werden“ müssen. Genau das ist es, und wir müssen Überlegungen anstellen, wie wir diese 38 Maßnahmen, die in der Strategie 2021 fixiert worden sind, weiterentwickeln, wie wir eben gerade zum Beispiel dem Problem dieses Alltagsantisemitismus beikommen.
Es gibt die Meldestelle der Israelitischen Kultusgemeinde. Diese muss viel mehr propagiert werden. Es muss auch viel besser gewährleistet sein, dass jemand, der Vorfälle meldet, in seiner Anonymität geschützt ist. Das kommt auf dieser Meldehomepage, die es gibt, zu wenig deutlich zum Ausdruck. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)
Wichtig ist auch, im Bildungsbereich, und zwar nicht nur im elementaren und sekundären Bildungsbereich, sondern auch später in der Berufsausbildung, in einschlägigen Bereichen – seien es die Taxifahrer oder sonst irgendjemand, der Personenkontakt hat –, zu vermitteln, dass antisemitische Äußerungen kein Spaß sein können. Wir brauchen diese Witze nicht!
Es ist auch wichtig, dass bei Übergriffen Maßnahmen im Sinne diversionellen Vorgehens möglich sind, dass die Menschen in eine Art Nachschulung kommen, so wie ein Alkohollenker, dass ihnen vermittelt wird, warum es ein absolutes No-Go ist, sich antisemitisch zu äußern.
In diesem Sinne bleibt nach wie vor viel zu tun. Es geht wirklich darum, dass wir dieses Ziel erreichen müssen, dieses Nie-mehr-wieder. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und Grünen.)
21.02
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Steinacker. – Bitte sehr.