22.42
Abgeordneter Andreas Kollross (SPÖ): Herr Präsident! Heute fallen Sie mir schon zum zweiten Mal auf, dass Sie mich nicht zum Rednerpult lassen wollen! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Als Bürgermeister einer Gemeinde, die im August 2014 eine Volksbefragung gemacht hat, ob Windräder aufgestellt werden oder nicht, und noch im August alle diesbezüglichen Beschlüsse im Gemeinderat gefasst und dann im Herbst 2022 die Windräder wirklich aufgestellt hat, die mit Ende des Jahres erstmalig ans Netz gegangen sind – also nach mehr als acht Jahren –, kann ich einer Beschleunigung des Verfahrens natürlich sehr viel abgewinnen. Ich kann Ihnen sehr viel erzählen, was ich da alles erlebt habe und welche Tiere auf einmal in meiner Gemeinde aufgetaucht sind, die es bisher nicht gegeben hat, die auch noch immer keiner gesehen hat (Abg. Litschauer – erheitert –: Hast du ein Loch Ness?), aber trotzdem das Verfahren ein Stück verzögert haben.
Ich möchte aber schon ein paar kritische Anmerkungen diesbezüglich machen, auch wenn ich prinzipiell der Meinung bin, dass es eine gute Grundlage ist; aber was den Erneuerbaren-Turbo betrifft, von dem Sie gesprochen haben, Frau Ministerin, glaube ich, dass Sie sich täuschen und das am Ende des Tages eine Fehlzündung wird, weil dieses Gesetz zwar gut gemeint, aber leider in manchen Bereichen schlecht gemacht ist. Ich möchte ganz bewusst auf die Gemeindesituation eingehen, weil Kollege Litschauer auch die Gemeinden angesprochen hat. Die Begründung, warum es keine oder nicht genügend Windkraftanlagen gibt, liest sich in diesem Gesetz ja teilweise so: Da gibt es die bösen Bürgermeister, da gibt es die bösen Gemeinden, und die sind letztendlich dafür verantwortlich. – Aus meiner Sicht und in meiner Funktion in meiner Gemeinde kann ich Ihnen sagen – und das kann ich auch für viele andere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sagen –, dass das natürlich nicht zutrifft.
Mit diesem Gesetz schaffen Sie jetzt zwei unterschiedliche Kategorien von Gemeinden: Dort, wo es keinen Zonenplan gibt, entscheidet nach wie vor ausschließlich die Gemeinde über die Anzahl, über den Abstand, über die Höhe und so weiter und so fort, darüber, wie Windräder und ob Windräder aufgestellt werden. Dort, wo es einen Zonenplan gibt, nehmen Sie den Gemeinden jegliches Recht und greifen massiv in die Gemeindeautonomie ein, denn diese Gemeinden können auf Basis dieser gesetzlichen Vorgabe nicht mehr mitbestimmen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)
Das ist ein massiver Eingriff in die Gemeindeautonomie, der in Wirklichkeit abzulehnen ist. Ich gebe Kollegen Deimek recht, ich glaube auch, dass Sie sehr schnell mit einer Verfassungsklage konfrontiert sein werden und der Verfassungsgerichtshof das Gesetz auch wieder aufheben wird, weil das nicht funktionieren wird, was Sie hier mit der Gemeindeautonomie machen. (Zwischenruf der Abg. Rössler.)
Ich möchte aber diesbezüglich noch einen Punkt anfügen, auch aus Sicht meiner Gemeinde. Die Grünen waren ja einmal eine Bürgerrechtsbewegung. Meine Mitbürgerinnen und Mitbürger haben mittels Volksbefragung abgestimmt, wie viele Windräder wo aufgestellt werden. Mit Ihrem Gesetz sagen Sie meinen Bürgern, die vor acht Jahren in einer Volksbefragung abgestimmt haben: Es ist mir wurscht, was ihr abgestimmt habt (Beifall bei der SPÖ), denn nach diesem Zonenplan, wo ihr drinnen seid, können wir jetzt so viele Windräder aufstellen, wie wir wollen! – Das muss Ihnen zumindest bewusst sein, dass das Ergebnis Ihres Gesetzes ist.
Der zweite Fehler in dieser Betrachtung: Wenn man schon sagt, dort, wo es einen Zonenplan gibt, kann die Gemeinde nicht mehr mitbestimmen, dann muss Ihnen bewusst sein, dass es in Österreich fast nirgends einen Zonenplan gibt, der festlegt, wo Windkraftanlagen aufgestellt werden oder nicht, wenn man jetzt einmal Niederösterreich außen vor lässt, wo ich aber auch schon Gerüchte höre, dass der relativ schnell aufgehoben wird.
Was bedeutet das aus Sicht der Gemeinde? – Es wird sich doch jede Gemeinde mit Händen und Füßen wehren, dass in ihrem Gemeindegebiet ein Zonenplan kommt, weil dann Ihr Gesetz zum Tragen kommt, wonach dann die Bürgermeister:innen und der Gemeinderat und die Bürger:innen nicht mehr mitentscheiden können, wie viele Windräder aufgestellt werden und wo sie aufgestellt werden. Deshalb glaube ich eben, wie ich zuerst gesagt habe, dass dieser Erneuerbaren-Turbo letztendlich zu einer Fehlzündung wird und nicht zu dem, was Sie vorhaben – was ich ja begrüßen würde, nur dass ich nicht falsch verstanden werde. (Beifall bei der SPÖ.)
Einen zweiten Punkt, den ich auch noch aus Sicht der Gemeinden ansprechen möchte: Wie Sie wahrscheinlich wissen, gibt es, wenn heute in einem Gemeindegebiet eine Windkraftanlage aufgestellt wird, ja auch sogenannte Abschlagszahlungen. Die werden in der Regel zwischen dem Grundbesitzer und der Gemeinde aufgeteilt. Je nach Verhandlungsgeschick kriegt einmal der eine mehr und einmal der andere mehr. Ich glaube nicht, dass die Summe geringer wird, aber wenn die Gemeinde nicht mehr mitentscheiden kann, gibt es eigentlich keinen Grund mehr, der Gemeinde auch nur einen Cent zu geben. Deshalb wird Kollege Schmuckenschlager vielleicht so erfreut darüber sein, denn das ist jetzt eins zu eins eine Landwirtschaftsförderung, die daraus gemacht wird, denn jetzt braucht nur mehr der Grundeigentümer zuzustimmen, und somit geht das ganze Geld zum Grundeigentümer, die Gemeinde bekommt überhaupt nichts mehr dafür. Das halte ich für falsch, denn mit diesen Finanzmitteln könnten ja Gemeinden, so wie meine Gemeinde zum Beispiel, auch hergehen und andere Maßnahmen für erneuerbare Energien setzen. Das nehmen Sie diesen Gemeinden aber weg.
Deshalb bringe ich abschließend einen Entschließungsantrag ein und würde Sie bitten, vor allem die Regierungsparteien, noch einmal darüber nachzudenken.
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Andreas Kollross, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Erneuerbaren-Ausbau mit direktem Nutzen für die Bürger:innen“
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wird aufgefordert, eine bundesweit gültige Regelung für einen finanziellen Beitrag der Windkraftanlagenbetreiber in Form einer jährlichen Gemeindeabgabe zur Gewährleistung der Akzeptanz in den Standortgemeinden zu schaffen oder für eine mit den Bundesländern abgestimmte Lösung in diesem Sinn zu sorgen.“
*****
Ich glaube, dass das notwendig wäre, um die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger und auch der Gemeinden zu bekommen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Kopf. – Weiterer Ruf bei der ÖVP: Du unterstellst den Bürgermeistern ja Käuflichkeit!)
22.49
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Andreas Kollross, Genossinnen und Genossen
betreffend Erneuerbaren-Ausbau mit direktem Nutzen für die Bürger:innen
Mit der Novelle des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes sollen Maßnahmen zur Beschleunigung der Energiewende gesetzt werden. Unter anderem soll die Errichtung von Windkraftanlagen erleichtert werden, indem fehlende überörtliche Planung („Eignungszonen des Landes") bzw. Konkretisierung auf der örtlichen Planungsebene (Flächenwidmung) kein Ausschlussgrund für die Genehmigung mehr darstellen soll.
Im Rahmen der Flächenwidmung konnten Standortgemeinden in der bisherigen Praxis Vereinbarungen mit den Anlagenbetreibern erwirken, die zu direkten Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger geführt haben (z.B. finanzielle Zuwendungen für Energieeffizienz- und Klimaschutzmaßnahmen in der Gemeinde). Diese Möglichkeit wird für den Fall, dass eine Eignungszone vorhanden ist, erschwert.
Aus Gründen der Akzeptanz erscheint es daher erforderlich, diesen Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger der Standortgemeinden aufrecht zu erhalten. Sofern dieser Nutzen nicht auf anderem Weg sichergestellt werden kann, stellen finanzielle Beiträge in Form einer Gemeindeabgabe eine Möglichkeit der Umsetzung dar.
Als Beispiel könnte das Burgenländische Erneuerbaren-Beschleunigungsgesetz herangezogen werden, das eine Abgabe für Windkraftanlagen vorsieht, die jeweils zur Hälfte dem Land und der Standortgemeinde zugutekommt.
Für eine bundesweit abgestimmte Lösung ist aber die Initiative der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie erforderlich.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wird aufgefordert, eine bundesweit gültige Regelung für einen finanziellen Beitrag der Windkraftanlagenbetreiber in Form einer jährlichen Gemeindeabgabe zur Gewährleistung der Akzeptanz in den Standortgemeinden zu schaffen oder für eine mit den Bundesländern abgestimmte Lösung in diesem Sinn zu sorgen.“
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.
Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Diesner-Wais. – Bitte.