9.59

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus! Geschätzte Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmgeräten! Millionen Menschen haben mit ihrem Fleiß, mit ihrer Innovationskraft, mit ihrem Unterneh­mergeist Österreich in den letzten Jahrzehnten zu einem der wohlhabendsten Länder dieser Erde gemacht. Die Wirtschaftsleistung pro Kopf in Öster­reich ist höher als in den meisten Ländern dieser Welt. Es ist uns in diesem Land auch gelungen, nicht nur eine funktionierende und florierende Wirtschaft aufzubauen, sondern parallel dazu auch Systeme im Gesundheitswesen, im Ver­kehrswesen zu etablieren, in vielen Bereichen ein höchstfunktionierendes Gemeinwesen zu etablieren. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Auch in der Vergangenheit gab es aber natürlich Krisen zu bewältigen, gab es Herausforderungen, denen zu begegnen war. Nichtsdestotrotz haben die Menschen diese bis in die heutige Zeit angenommen, diese bewältigt, sie sind zusammengestanden und haben die Dinge gelöst. Die Perspektiven, die wir heute vorfinden, sind gut, sind sogar sehr gut – der Herr Bundesminister hat da­rauf hingewiesen, wie sich die wirtschaftliche Situation entwickelt hat –, aber natürlich haben wir auch heute eine Reihe von Herausforderungen zu be­wältigen, und sie sind nicht klein: Die Pandemie, die geopolitischen Ver­werfungen wurden schon angesprochen; die Energieversorgung, die Inflations­entwicklung, die Transformationsnotwendigkeiten in unserem Energiesys­tem und auch der neuerdings aufkommende Protektionismus mancher Staaten und Kontinente machen uns zu schaffen.

Zu jeder dieser Herausforderungen gäbe es eine Menge zu sagen, nur ist das in dieser kurzen Zeit von ein paar Minuten nicht möglich. Ich konzentriere mich daher, meine Damen und Herren, ganz konkret – und Frau Kollegin Meinl-Reisinger hat es völlig richtig adressiert – auf die wahrscheinlich im Moment größte Herausforderung, nämlich die Arbeitsmarktsituation. In Österreich fehlen im Augenblick etwa 200 000 Arbeitskräfte, es gibt also so viele Jobs, die nicht besetzt werden können. Im Jahre 2040 werden uns aufgrund der demogra­fischen Entwicklung 400 000 Arbeitskräfte fehlen.

Auf der einen Seite gibt es eine Rekordbeschäftigung, auf der anderen Seite aber das Phänomen, dass in Österreich weniger Arbeitsstunden als vor der Pande­mie geleistet werden, obwohl die Zahl der Beschäftigten gestiegen ist. Dafür gibt es viele Ursachen, und es gibt auch einige Potenziale, die wir ansprechen kön­nen und die wir aufgreifen müssen. Es ist durchaus verständlich, dass Menschen in dieser Situation, in der wir uns ein hohes Maß an Wohlstand erarbeitet haben, ihr Leben in diesem Wohlstand in Balance zwischen Arbeit und Freizeit genießen wollen. Es ist aber inakzeptabel, meine Damen und Herren, dass Menschen, die gerne arbeiten würden oder auch mehr arbeiten würden, weil sie vielleicht derzeit teilzeitbeschäftigt sind, nicht mehr arbeiten können, weil die Rahmenbedingungen fehlen oder nicht attraktiv genug sind. Wenn wir, mei­ne Damen und Herren, unser heutiges Wohlstandsniveau halten wollen, wenn wir unsere Wettbewerbsfähigkeit erhalten wollen, wenn wir die Transfor­mationsnotwendigkeiten bewältigen wollen, wenn wir unsere Versorgungs­systeme im Sozialbereich, im Gesundheitsbereich, in den Verkehrssystemen auf­rechterhalten wollen, dann werden wir in Summe mehr Arbeitsleistung be­nötigen, als wir heute zur Verfügung haben. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP so­wie der Abg. Rössler.)

Das heißt, um das Land am Laufen halten zu können, meine Damen und Herren, wird es ein ganzes Paket, das schon am Tisch liegt, brauchen – und das gilt es jetzt umzusetzen. Wir müssen den Frauen – insbesondere sind es leider Frauen –, die im Moment keine Möglichkeit haben, mehr als Teilzeit zu arbeiten oder überhaupt in den Arbeitsprozess einzusteigen, entspre­chende Voraussetzungen, vor allem bei der Kinder- und Altenbetreuung, schaffen. Wir müssen das Arbeiten im Alter – auch über das gesetzli­che Pensionsantrittsalter hinaus – steuerlich, sozialversicherungstechnisch attraktiver machen. Wir müssen die Qualifizierung von Arbeitslosen noch einmal intensivieren. Da ist noch einiges zu machen und zu holen. Zum einen geht es da um Menschen und zum anderen geht es aber auch um Arbeits­kapazität.

Frau Kollegin Meinl-Reisinger, ich glaube, Sie haben dem Herrn Bundeskanzler bei seiner Rede nicht genau zugehört. Da war nicht die Rede von Abwehr von Arbeitskräften aus dem Ausland. (Zwischenruf des Abg. Martin Graf.) Im Ge­genteil, er hat sogar davon gesprochen, qualifizierte Arbeitskräfte ins Land zu holen, und wir werden sie dringend brauchen. (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, dann müssen Sie ...! Dann geht es halt nicht! Sie können nicht sagen ... gekom­men sind, und dann sagen, wir wollen nur noch qualifizierte Arbeitskräfte ins Land holen! – Zwischenruf der Abg. Krisper.)

Und ein Letztes: Wir werden auch Überstunden und die Leistung von Überstunden brauchen. Wir werden sie aber steuerlich attraktiver machen müssen, damit die Menschen auch bereit sind, diese zu leisten. Das ist alles notwendig, um den Wohlstand zu erhalten und das Land am Laufen zu halten. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abg. Krisper. – Abg. Angerer: Dann solltet ihr meinen Anträgen zustimmen! – Gegenruf der Abg. Steinacker.)

10.05

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Herr. – Bitte sehr.