9.52
Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher auf der Galerie beziehungsweise zu Hause vor den Bildschirmen! Meine Eltern haben mir einiges beigebracht, und eines der wichtigsten Dinge, die mir meine Eltern beigebracht haben, war, sich immer der eigenen Verantwortung bewusst zu sein und sich darüber im Klaren zu sein: Wo liegt die eigene Wirkungsmächtigkeit? Wo ist man verantwortlich?
Umso mehr ärgert es mich dann immer, wenn wir hier herinnen stehen und Verantwortung negiert wird, Verantwortung hin- und hergeschoben wird, wenn man so tut, als ob andere verantwortlich wären, so wie es zum Beispiel heute (Abg. Hafenecker: Der Herr Kogler gemacht hat!) die Frau Klubobfrau und ehemalige Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner gemacht hat. (Abg. Kassegger: Der Hauptverantwortliche ist nicht einmal da! Haben wir einen Gesundheitsminister in Österreich oder nicht? – Abg. Rendi-Wagner: Aber wir sind in Opposition, Herr Kollege!)
Dass man sich der Verantwortung stellt, ist nicht immer angenehm. Es ist nicht immer lustig, sich der eigenen Verantwortung zu stellen. Würden Sie sich dieser Verantwortung stellen, dann wäre Ihnen bewusst, dass es eine Verantwortung für beispielsweise 70 Gefährdungsanzeigen im letzten Jahr in Wien, in den Wiener Spitälern, gibt – alleine 25 davon betrafen ein einziges Spital (Abg. Schroll: Ja, es gibt eine Bundesverantwortung!) –, dann wüssten Sie auch, dass es eine Verantwortung für 800 gesperrte Betten gibt – das ist in Wien ein ganzes Spital (Abg. Rendi-Wagner: Bundesregierung!); ein ganzes Spital in Wien ist de facto gesperrt (Abg. Leichtfried: Also ihr seids wie üblich für nichts zuständig! Danke für die Information!) –, dann wüssten Sie auch, dass es eine Verantwortung für 690 nicht besetzte Stellen für Pflegerinnen und Pfleger, für Ärztinnen und Ärzte gibt. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.) Dafür gibt es eine Verantwortung, und diese Verantwortung liegt bei der Stadt Wien, beim zuständigen Bundesland. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP. – Ruf bei der SPÖ: Schlechte Rede!)
Sie gehen aber her – und das ist halt bequemer – und sagen (Abg. Leichtfried: Ihr seids halt weder für Gesundheitspolitik noch für Medienpolitik verantwortlich! Das ist das Resümee des Tages!): Na ja, es ist halt jemand anderer dafür zuständig! Wir machen das nicht, ist ja nicht unser Ding! – Wir übernehmen Verantwortung (Abg. Rendi-Wagner: Das merkt man aber nicht!), beispielsweise indem wir momentan nicht nur im Finanzausgleich Geld zwischen Bund, Ländern und Kommunen hin- und herschieben wollen, sondern indem wir auch Strukturreformen angehen wollen. (Abg. Rendi-Wagner: Merkt man aber nicht!)
Wir wollen Strukturreformen, für die Sie in der Vergangenheit Verantwortung gehabt hätten (Abg. Schroll: Ihr seids einfach das Beiwagerl!), genauso wie die Kolleginnen und Kollegen der Freiheitlichen Partei, die auch einmal eine Gesundheitsministerin am Stubenring gestellt haben. Wir gehen solche Dinge, wie beispielsweise eine verbindliche Diagnosekodierung für alle im System, verpflichtendes Anschließen aller Ärztinnen und aller Ärzte sowie anderer Gesundheitsdienstleister an Elga, an. (Abg. Schroll: Was ist denn in Innsbruck, Kollege? Was ist denn in Innsbruck und in Niederösterreich? Die Leute liegen umeinander!)
Wir reparieren beispielsweise gerade ein Gesetz, das 2017 unter der aktuellen Klubobfrau Rendi-Wagner eingebracht wurde, nämlich das Primärversorgungsgesetz. Das müssen wir reparieren. Sie selber fordern, dass es mehr Primärversorgungseinrichtungen in diesem Land geben soll: Hätten Sie halt 2017 ein besseres Gesetz gemacht! – Wir machen es jetzt. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP.) Das heißt es übrigens, Verantwortung zu übernehmen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen.
Wenn wir davon sprechen, muss ich sagen, dass es genauso verantwortungslos ist, den Menschen Sand in die Augen zu streuen, indem man beispielsweise hergeht und ihnen erzählt, die Verdoppelung der Zahl der Medizinstudienplätze würde auch nur einen Arzt oder eine Ärztin mehr ins System bringen. Seid mir nicht böse, liebe Leute, ihr wisst selber ganz genau, dass Medizinerinnen und Mediziner nach dem Studienabschluss noch nicht praktizieren dürfen, sondern dass es dafür davor noch eine Facharztausbildung braucht. (Abg. Rendi-Wagner: Geh bitte! Turnusärzte! Kennt sich nicht aus und redet! Ich meine, das ist doch ein Witz!)
Dafür zuständig sind die Krankenhäuser, die Spitäler in Österreich. Wer aber besetzt 40 Prozent der Ausbildungsplätze nicht? – Die Bundesländer, die dafür zuständig sind. Ich bitte also auch da wieder, Verantwortung zu übernehmen, anzusetzen. Das würde ich mir erwarten, das wäre von einer ehemals staatstragenden Partei verantwortungsvoll – aber ich weiß schon, ihr seid momentan eher mit euch selbst beschäftigt.
Wie schon gesagt, wir übernehmen die Verantwortung – wir übernehmen sie! Wir schauen uns an: Wo können wir gemeinsam mit Bund, Ländern und Kommunen bessere Strukturen schaffen? Der Finanzausgleich wurde ja bereits angesprochen. Wie können wir es schaffen, dass wir nicht nur einfach Geld in die Hand nehmen und ins System hineinpumpen, sondern wie schaffen wir es, dass das Geld auch dort ankommt, wo es hingehört? Wie können wir Effizienz steigern? Wie können wir beispielsweise auch dafür sorgen, dass das sogenannte nicht ärztliche Personal das machen darf, wofür es ausgebildet wurde?
Wir sind in Österreich ja so wahnsinnig – Entschuldigung für diesen Ausdruck, aber trotzdem –, dass wir zwar die Leute gut ausbilden, aber sie dann im Endeffekt im Arbeitsalltag nicht das machen lassen, wofür sie ausgebildet wurden. Auch das ist ein Thema, denn das schafft auf der einen Seite bei den Betroffenen extreme Frustration und ist auf der anderen Seite für unser System in höchstem Maß ineffizient.
In diesem Sinn: Wir übernehmen die Verantwortung, die die Kolleginnen und Kollegen in der Vergangenheit nicht übernommen haben und auch heute offensichtlich nicht übernehmen wollen. Wir übernehmen diese Verantwortung. Wir stellen uns der Herausforderung, wir wollen dieses System wieder zu einem sehr, sehr guten Gesundheitswesen machen – wir werden das schaffen.
Eines möchte ich Ihnen in dieser Hinsicht noch mitgeben: Bei der Gesundheit gilt dasselbe wie bei der Klimakrise: Nichts zu tun, Verantwortung abzuschieben ist keine Option. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Schroll: Kollege, Turnusärzte arbeiten im Spital ...! – Abg. Schallmeiner – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: Ja, eh, aber sie werden nicht angestellt! – Abg. Rendi-Wagner: Mein lieber Freund, aber sicher sind sie angestellt! – Abg. Schallmeiner: Nein, weil sie nur 40 Prozent der ...! – Abg. Rendi-Wagner: Ich war angestellt! Das ist unfassbar, das tut in den Ohren weh! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)
9.56
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Fiedler. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.