10.35

Abgeordneter Mag. Andreas Hanger (ÖVP): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher auf den Galerien! Liebe Zuseher:innen vor den Bildschirmen über die verschiedensten Kanäle, die heute möglich sind!

Wir debattieren in einem Tagesordnungspunkt noch einmal die Berichte zum ÖVP-Untersuchungsausschuss. Mir ist es sehr wichtig, einleitend mit einem Bekenntnis zu beginnen: Eines der wichtigsten Grundprinzipien unserer Verfas­sung ist die Gewaltenteilung, und die Idee dahinter, dass in einem Staatsgefüge niemals die gesamte Macht auf eine Institution konzentriert sein darf, ist ein ganz wesentliches Prinzip unserer Verfassung.

Eine ganz wesentliche Aufgabe hier im Parlament, neben der Legislative, neben der Gesetzgebung, ist natürlich auch die Kontrolle der Regierung. Da gibt es weitgehende Möglichkeiten – wir haben es gerade gesehen, es wurde zum Beispiel ein Dringlicher Antrag eingebracht, wir haben eine kurze Debatte, es gibt parlamentarische Anfragen. Ein ganz wichtiges Instrument in der parlamentarischen Kontrollarbeit ist natürlich auch der parlamentarische Untersuchungsausschuss.

Dieses Bekenntnis wollte ich vorne anstellen, sage aber schon auch dazu: Dabei, wie wir derzeit dieses parlamentarische Kontrollinstrument handhaben, gibt es, würde ich schon meinen, sehr viel Luft nach oben. Da braucht es dringend eine Reform der Geschäftsordnung – dazu werde ich aber später noch kommen.

Was ist aus meiner Sicht die größte Schwäche im abgelaufenen Untersuchungs­ausschuss? – Das ist per se der Untersuchungsgegenstand (Abg. Rauch: Der Vorsitzende! – Abg. Belakowitsch: Die ÖVP!), weil: In § 53 unserer Bundesverfas­sung wird sehr klar normiert, dass der Untersuchungsgegenstand im parla­mentarischen Untersuchungsausschuss ein klar abgegrenzter Vorgang in der Vollziehung des Bundes sein muss. Schaut man sich den Untersuchungs­gegenstand an, sieht man, dass wir inhaltlich keine Abgrenzung haben, weil: Wir haben alle Auftragsvergaben, alle Förderverfahren untersucht. Wir haben das Beteiligungsmanagement des Bundes, über 100 Beteiligungen, untersucht. Wir haben alle Personalentscheidungen untersucht, und wir haben noch einmal die politische Einflussnahme auf Ermittlungshandlungen untersucht.

Wo da also der klar abgegrenzte Vorgang in der Vollziehung des Bundes sein soll, ist für mich nicht erkennbar (Zwischenrufe der Abgeordneten Hoyos-Trauttmansdorff und Krisper), auch inhaltlich (Abg. Stögmüller: Gerade die ÖVP!) beziehungsweise zeitlich nicht. Wir hatten zwar einen klar abgegrenzten Zeitraum, aber man hat dann dazugesagt: inklusive Vorbereitungshandlungen Ballhausplatz. – Herr Dr. Pöschl wird mir recht geben, diese Abgrenzungsfragen waren dann tatsächlich sehr schwierig. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

Wir haben ein drittes großes Abgrenzungsproblem gehabt: Immer dann, wenn Landtagswahlen waren, haben wir auf einmal Fragen der Vollziehung der Länder diskutiert, weil man natürlich dieses Instrument instrumentalisieren wollte. Gerade in Bezug auf Landtagswahlen hier herinnen etwas parlamentarisch diskutieren zu wollen ist tatsächlich ein Missbrauch dieses parlamentarischen Kontrollinstruments. (Beifall bei der ÖVP.)

Dann muss man dazusagen, dass natürlich genau dieser Untersuchungs­gegen­stand, der mit Sicherheit nicht der Verfassung entspricht, weitreichende Konsequenzen hatte. (Abg. Stögmüller: Wir waren so erfolgreich beim Verfassen ...!) Wir hatten in Summe 400 ergänzende Beweisverlangen – 400! Das heißt, da gibt es einen Zweiseiter, der dann an die aktenliefernden Stellen geschickt wird. Das löst unglaublich viel Aufwand aus.

Wir hatten in Summe, auch auf Grundlage des grundsätzlichen Beweisbeschlus­ses, 26,5 Millionen Aktenseiten. Bei allem Bekenntnis zur parlamentarischen Kontrollarbeit, aber 26,5 Millionen Aktenseiten zu analysieren ist ein Ding der Unmöglichkeit (Abg. Stögmüller: Arbeiten!), auch wenn man dann nämlich sieht, dass die Erkenntnisse insgesamt doch sehr, sehr dürftig waren. Alles, was wir da diskutiert haben, war ja im Vorfeld schon längst medial bekannt, und manchmal hatte man den Eindruck, es dient lediglich dazu, diese Themen inhaltlich noch einmal aufzuspielen.

Wir diskutieren heute die Fraktionsberichte, und ich sage jetzt durchaus selbst­kritisch: Wenn ein politisch interessierter Beobachter sich die Fraktionsberichte ansieht, dann wird er vielleicht zu dem Schluss kommen, dass die Abgeordneten bei unterschiedlichen Veranstaltungen waren, weil natürlich die Einschätzung eine sehr unterschiedliche ist.

Ich konzentriere mich in meinen Aussagen zu den Erkenntnissen jetzt aus­schließlich auf das, was der Herr Verfahrensrichter in seinen Bericht hineinge­schrieben hat. – Herr Kollege Krainer, ich muss Ihnen schon sagen, dass alles, was Sie diesbezüglich in den letzten Wochen, Monaten und Jahren behauptet haben, unterstellt haben, wie Sie mit Vorwürfen um sich geworfen haben, ganz wenig mit dem zu tun hat, was der Verfahrensrichter in seinen Bericht hineingeschrieben hat.

Ich bringe Ihnen ein paar Beispiele: Wir haben bei Auftragsvergaben über Kick-back-Zahlungen diskutiert, die permanent mit der ÖVP verbundenen Personen unterstellt wurden. Der Verfahrensrichter hält dezidiert fest: keine Kick-back-Zahlungen.

Es gab immer den Vorwurf, Studien oder Meinungsumfragen zu bestimmten Themen wurden der ÖVP dann quasi zugespielt. – Auch da stellt der Verfahrens­richter – nicht ich als Fraktionsführer – fest, dass dahin gehend überhaupt kein Anlass oder keine Grundlage dafür da war. (Zwischenruf des Abg. Stögmüller. Abg. Scherak: Wo lebt ihr denn?!)

Es gab permanent den Vorwurf, es habe politische Einflussnahme gegeben. – Der Herr Verfahrensrichter sagt: „Eine systematische, politisch motivierte Einflussnahme auf Ermittlungsverfahren durch mit der ÖVP verbundene Per­sonen“ konnte nicht festgestellt werden. (Abg. Meinl-Reisinger: Aber die Österreicher haben es schon festgestellt!)

Steuerverfahren, lang diskutiert: Im Untersuchungsausschuss wurden sechs Steuer­verfahren diskutiert, wobei der Verfahrensrichter sagt, nur in einem Steuer­verfahren, nämlich in der Causa Wolf, kann es möglicherweise eine Einfluss­nahme gegeben haben. Aber da möchte ich schon auch in aller Deutlichkeit festhalten: Genau bei diesem einen Verfahren hat das interne Kontrollsystem der Finanz­verwaltung funktioniert, der Bescheid wurde ja wieder aufgehoben – nicht durch den Zuruf von Medien, nicht durch den Zuruf aus dem Untersuchungsaus­schuss.

Oder auch zur Personalauswahl: In keinem der bekannt gewordenen Fälle konnte festgestellt werden, dass eine fachlich nicht ausreichend qualifizierte Person bestellt worden ist – das sage nicht ich, das sagt der Verfahrens­richter!

Bemerkenswert ist auch seine Einschätzung zur WKStA: Ein überbordendes Ausmaß an Kontrolltätigkeit der Dienst- und Fachaufsicht ist teilweise auch auf ein unangemessenes subversives Verhalten der WKStA zurückzuführen; die WKStA sei nicht kritikfähig und reagiere mit Anzeigen und strafrechtlichen Vorwürfen. – Das sage nicht ich, das sagt der Verfahrensrichter.

Abschließend: Welche Lehren müssen wir daraus ziehen? – Dazu möchte ich drei Punkte anführen: Wir müssen sicherstellen, dass der Untersuchungs­gegenstand der Verfassung entspricht – das könnte ein Minderheitsrecht sein. Wir brauchen einen besseren Schutz von Persönlichkeitsrechten, denn jeder von uns hier herinnen oder auch draußen hat ein Recht auf Privatsphäre. Wir müssen etwas gegen Vorverurteilungen tun; ein Zitierverbot, solange Ermittlungen geführt werden, wäre ein erster, wichtiger Schritt. Wir brauchen schnellere Verfahren, die Verfahren dauern ganz einfach zu lange. Zudem brauchen wir auch eine bessere politische Kultur in diesem Land. Was höre ich, wenn ich Besuchergruppen hier habe? – Der Umgang zwischen den Abge­ordneten ist ausbaufähig. Das würde uns allen miteinander und dem politischen System insgesamt sehr gut tun. (Zwischenrufe der Abgeordneten Hoyos-Trauttmansdorff und Rauch.)

Zum Abschluss jetzt noch zwei Danke: Ein großes Danke an mein Team, das mich hier in den letzten Monaten unglaublich unterstützt hat; und ein großes Danke an die Parlamentsdirektion, die diesen Untersuchungsausschuss wirklich hervorragend, fachlich auf sehr hohem Niveau begleitet hat. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

10.42

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte.