12.55
Abgeordnete Sabine Schatz (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren, haben Sie heute schon Zeitung gelesen? Sind Sie eventuell Leserin oder Leser der „Wiener Zeitung“ (ein Exemplar der „Wiener Zeitung“ in die Höhe haltend) und schätzen diesen qualitativ hochwertigen Journalismus, der täglich in der Printausgabe und auch digital, Frau Ministerin, erscheint? Dann nutzen Sie noch diese Gelegenheit, denn so, wie es aussieht, wird mit diesem heutigen Beschluss die „Wiener Zeitung“ als tägliche Printausgabe am 30. Juni das letzte Mal erscheinen! Und damit, sehr geehrte Damen und Herren, geht ein Stück österreichische Zeitungsgeschichte wirklich zu Ende. (Beifall bei der SPÖ.)
Das ist ein Nachdruck der ersten Ausgabe der „Wiener Zeitung“ vom 8. August 1703 (das angesprochene Exemplar der „Wiener Zeitung“ in die Höhe haltend), und ja, die „Wiener Zeitung“ ist mit ihren 320 Jahren tatsächlich die älteste Tageszeitung der Welt und hat wie keine andere die Geschichte Österreichs täglich begleitet. Sehr geehrte Damen und Herren, es ist wirklich eine Schande, dass Sie der „Wiener Zeitung“ heute mit dieser Gesetzesvorlage den endgültigen, den finalen Todesstoß versetzen. (Beifall bei der SPÖ.)
Das ist nicht nur ein schwarzer Tag für den Qualitätsjournalismus in Österreich, das ist nicht nur ein schwarzer Tag für die Medienvielfalt in Österreich, es ist auch demokratiepolitisch unverantwortlich, was Sie hier machen. Gerade in Zeiten von Fakenews, in Zeiten von Echokammern in digitalen Medien, in Zeiten von Verschwörungstheorien, die sich rasant ausbreiten, gerade in diesen Zeiten braucht es eine qualitativ hochwertige, ja staubtrockene Berichterstattung, wie sie das „Amtsblatt zur Wiener Zeitung“ eben geliefert hat, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)
Gerade in Zeiten, in denen wir im Pressefreiheitsindex rasant auf Platz 31 abgerutscht sind, ist das, was Sie hier heute machen, wirklich, wirklich schändlich.
Klar, die Zeiten von Pflichteinschaltungen im „Amtsblatt“ sind vorbei. Ja, dem verschließen wir uns nicht, das sehen wir auch so. Damit wurde aber der „Wiener Zeitung“ mit einem Schlag die Finanzierungsgrundlage entzogen. Jetzt hätte man als ÖVP und Grüne hergehen und sagen können: Okay, wir sind bereit, gemeinsam nach einer Lösung, nach einer alternativen Finanzierungslösung für die „Wiener Zeitung“ zu suchen! Alleine bei der jetzt schon angesprochenen, vielfach kritisierten Journalist:innenakademie wäre, wenn Sie von dieser absehen würden, die Lukrierung von 6 Millionen Euro möglich. Wenn sie beim BKA angesiedelt ist, schafft das natürlich Abhängigkeiten.
Wir haben konkret auch einen Vorschlag eingebracht und eine Forderung der Redakteursversammlung aufgenommen, die vorschlägt, die „Wiener Zeitung“ dadurch zu finanzieren, dass man mit einer Zweckwidmung der von Ihnen vorgesehenen Haushaltsabgabe – von dieser kann man halten, was man will – eine Grundfinanzierung der „Wiener Zeitung“ sicherstellt. Sie wollen aber keinen der vorliegenden Vorschläge annehmen. Sie wollen die „Wiener Zeitung“ als Printausgabe nicht erhalten. ÖVP und Grüne – leider auch die Grünen – sind nicht bereit, gemeinsame Wege einzuschlagen, um die „Wiener Zeitung“ am Leben zu erhalten.
Künstler:innen, Wissenschafter:innen, Medienschaffende, alle in Österreich anerkannten Religionsgemeinschaften und Politiker, Politikerinnen, wie zum Beispiel Rudi Anschober – der dürfte ja in diesen Reihen kein Unbekannter sein –, unsere Präsidentin Bures, Heinz Fischer, Franz Fischler und viele, viele andere setzen sich im Personenkomitee zur Rettung der „Wiener Zeitung“ dafür ein, konkrete Maßnahmen zu setzen, um die „Wiener Zeitung“ am Leben zu erhalten. Sie fordern ein Moratorium von 18 Monaten, und in dieser Zeit soll gemeinsam eine Finanzierungsgrundlage gesucht werden. Nicht einmal diese Übergangsfrist wollen Sie ermöglichen, sehr geehrte Damen und Herren, und das ist wirklich, wirklich traurig. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich appelliere wirklich an Sie, vor allem an die Kolleginnen und Kollegen von ÖVP und Grünen: Blasen Sie diesen finalen Todesstoß für die „Wiener Zeitung“ heute ab! (Beifall bei der SPÖ.) Setzen wir uns gemeinsam zusammen, denn: Wir können die „Wiener Zeitung“ als Printausgabe retten, wenn wir es wollen. Wir hier können Seite an Seite mit den betroffenen Beschäftigten, mit den Leserinnen und Lesern, mit allen, die für qualitativ hochwertigen Journalismus stehen, die „Wiener Zeitung“ am Leben erhalten.
Bitte blasen Sie diesen Todesstoß ab! – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)
13.00
Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Klubvorsitzende Sigrid Maurer zu Wort. – Bitte.