13.17
Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Kolleginnen und Kollegen! Einen Augenblick bitte noch, ich muss noch die „Wiener Zeitung“ mit einer Parte finalisieren. (Die Rednerin zeichnet mit einem Filzstift einen Rahmen rund um die Jahreszahlen „1703“ und „2023“ sowie links und rechts davon je ein Kreuz auf das Titelblatt der „Wiener Zeitung“ und hält diese anschließend in die Höhe.) Damit ist das Cover der „Wiener Zeitung“ fertig. Nach 320 Jahren beschließen wir heute das Ende der „Wiener Zeitung“, so wie wir sie gekannt haben. Es sind heute schon sehr viele unterschiedliche – nennen wir es einmal so – Ansätze durch den Raum geschwirrt. Ich versuche, das jetzt ein bisschen zu sortieren.
Die Frage ist ja: Warum wird die „Wiener Zeitung“, wie sie sich heute darstellt, abgedreht? – Ja, wir NEOS begrüßen, dass die Pflichtveröffentlichungen abgeschafft werden. Jeder Cent, jeder Euro, den man nicht in eine Pflichtveröffentlichung, sondern in sein eigenes Unternehmen steckt, ist ein guter Euro. Was wir aber nicht begrüßen, ist die Art und Weise, wie mit dieser Situation umgegangen worden ist und umgegangen wird.
Die „Wiener Zeitung“ wird also jetzt in ein Onlineprodukt transformiert, und auf dem Weg dorthin hört man auch sehr viele Unverschämtheiten, zum Beispiel wird der „Wiener Zeitung“ und der Redaktion vorgeworfen, dass sie ja so wenig gelesen werde, dass ja die gedruckte Auflage so gering wäre, dass auch die Onlinezugriffe so gering seien. Da stelle ich mir schon einige Fragen. Man hat nämlich vorher diesem Medium gesagt: Du darfst nicht aktiv um Abonnenten keilen; du darfst keine Anzeigen verkaufen, wenn, nur für Pflichtveröffentlichungen, und dann ist der Preis auch festgelegt; das darfst du alles nicht! – Es durfte also nicht wachsen und gedeihen. Auf der anderen Seite wird ihm dann aber wiederum genau das vorgeworfen. Das ist absurd. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Jetzt sprechen wir darüber, dass die „Wiener Zeitung“ ein übrigens nicht näher definiertes Onlineprodukt werden soll, wobei der Verband der österreichischen Zeitungsherausgeber auch schon angekündigt hat, sich eine Klage zu überlegen, weil es sich da ja um eine Schieflage handelt. Die „Wiener Zeitung“ wird in Zukunft nämlich 7,5 Millionen Euro Steuergeld pro Jahr bekommen, während andere Medien Abos verkaufen müssen, Werbung verkaufen müssen, diverse Dinge unternehmen müssen, um an Geld heranzukommen. Natürlich ist das eine Ungleichbehandlung.
Man fragt sich dann vielleicht auch: Warum – das haben Kollegen schon aufgeworfen, beispielsweise Kollege Stefan – hat man dann nicht die „Wiener Zeitung“ hergenommen und gesagt: So, wir sehen keine Zukunft mehr in der Form, wir werden dieses Blatt jetzt auf den Markt werfen; wir suchen Investoren, wir suchen Käufer, wir verschenken es meinetwegen, wir machen ein Genossenschaftsmodell daraus; wir sprechen mit der Redaktion, was sie denn für Ideen hat, um dann auch in die Zukunft zu segeln!
All das ist nicht passiert, und da gab es ja dann auch unterschiedliche Stufen der Argumentation. Kollegin Blimlinger hat sich ja auch dazu verstiegen, eines Tages in einem Interview zu sagen: Es gab überhaupt keine Investoren! – Heute hat sie gesagt: Na, es gab schon Interessenten, aber die Konzepte waren halt alle schwach! – Wir haben immer darauf gedrängt, dass alle Ideen, alle Vorschläge auf den Tisch kommen und dann gemeinsam auch darüber gesprochen wird: Was sind denn die nächsten wichtigen Schritte? Wer soll denn eine Due-Diligence- Prüfung machen können? Wer braucht denn die entsprechenden Zahlen, um das auch leisten zu können?
All das ist nicht passiert, und das ist ein Umgang, nicht nur mit der Geschichte der „Wiener Zeitung“, nicht nur mit den Redakteurinnen und Redakteuren, sondern auch mit den Bürgerinnen und Bürgern, denn es ist unser Steuergeld, das auch in Zukunft ein wie gesagt nicht näher definiertes Onlineprodukt finanzieren wird – mit 7,5 Millionen Euro pro Jahr. (Beifall bei den NEOS.)
Wer gestern bei der Pressekonferenz von ÖVP und Grünen zugehört hat, hat auch einiges gelernt, nämlich dass es beispielsweise keine vertiefende Berichterstattung auf orf.at mehr geben soll. Na, das ist einmal eine starke Ansage! Die Regierung verbietet einem Medium – dann per Gesetz – eine tiefer gehende Berichterstattung. Was bleibt denn dann? (Beifall der Abg. Oberrauner.) Bleiben dann Livestreams von Parteitagen oder irgendwelchen abendfüllenden Jungparteiveranstaltungen? (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ich habe ja selber auch angeregt, darüber nachzudenken, dass man den Umfang von orf.at reduzieren sollte, denn der ORF ist bestens mit Gebührengeldern ausgestattet (neuerlicher Zwischenruf bei der ÖVP) und er soll damit nicht mehr publizieren als alle privaten Nachrichtenmagazine zusammen, denn das schafft unfaire Wettbewerbsverhältnisse; aber die Tiefe einer Berichterstattung einschränken zu wollen, also auf diese Idee muss man wirklich erst einmal kommen! (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Oberrauner.)
Wenn wir dieses Ideal zur „Wiener Zeitung“ mit zurückzunehmen, dann schauen wir einmal, was dort eigentlich in Zukunft passiert: Eine Zeitung mit einer sehr tiefgehenden Berichterstattung wird zerschlagen, stattdessen ein nicht näher definiertes Onlinemedium vage angekündigt; und im Schatten dieser Gründung wächst dann auch einiges, und das erkennt man, wenn man sich die Unternehmensstruktur der „Wiener Zeitung“ genauer ansieht. Da sind ja auch in den letzten Jahren schon einige Unternehmungen unter dem Dach der Wiener Zeitung GmbH gewachsen, und diese Unternehmungen legitimieren wir mit einem Gesetz. Das heißt, diverse Unternehmungen wurden vorgebaut, man hat schon dafür gesorgt, möglichst viele Arbeitsplätze für seine Menschen zu schaffen.
Wir haben da in Zukunft nicht nur die Redaktion der „Wiener Zeitung“, wir haben auch den Media Hub Austria, den gibt es ja aktiv seit 2021, wo auch diese eigenartige Journalistenausbildung stattfinden soll. Wir haben eine elektronische Verlautbarungsplattform und nicht zuletzt dann die Content Agentur Austria, die sich selber finanzieren soll. – So.
Was aber auch passieren kann – und diese Regierung kennend, traue ich es Ihnen auch zu –, ist, dass man in Zukunft unter dem Dach der Wiener Zeitung GmbH weitere Unternehmungen gründen kann – da sind der Fantasie überhaupt keine Grenzen gesetzt –, zum Beispiel PR-Agenturen. In Zukunft kann das Bundeskanzleramt über die Wiener Zeitung GmbH unter anderem PR-Agenturen gründen, dort Leute auslagern beziehungsweise Leistungen zusätzlich zu dem schon sehr gut ausgestatteten Haus auch noch zukaufen – und das entzieht sich noch dazu jeder parlamentarischen Kontrolle. Das, meine Damen und Herren, ist tatsächlich demokratiegefährdend. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Also wenn es immer heißt, die Regierung hat in Sachen Medienpolitik keinen Plan, muss ich hier widersprechen: In diesem Fall hat sie sehr wohl einen Plan, nämlich sich hier selbst die Möglichkeit zu schaffen, weitere Unternehmungen zu gründen.
Ich möchte zum Abschluss auch noch auf die Medienenquete verweisen, die ich vor zwei Wochen hier im Hohen Haus veranstaltet habe, bei der unter anderem die ehemalige Geschäftsführerin der ungarischen Telekom- und Regulierungsbehörde zu Gast war. Sie hat einen sehr interessanten Vortrag gehalten und hat Ungarn mit Österreich verglichen. Viktor Orbán hat ja zwischen 2010 und 2015 in Ungarn durchgegriffen. Er hat zuerst dafür gesorgt, dass die privaten Medien von seinen Freunden aufgekauft werden, zugesperrt werden, an die Wand gedrückt werden, und hat dann den Durchgriff im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gehabt, weil dieser als Einziger dann übrig geblieben ist. Sie hat gesagt, wenn man sich eine Uhr vorstellt, 2010 bis 2015, dann befindet sich Österreich auf dieser Uhr bei 2013. Das ist der Befund der ehemaligen Geschäftsführerin der ungarischen Telekommunikations- und Regulierungsbehörde, und das, meine Damen und Herren, ist wirklich ein fatales Urteil. Mit dem heutigen Tag, mit dem Ende der „Wiener Zeitung“ wird diese Uhr noch einmal weitergedreht. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)
13.25
Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Christian Drobits. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.