15.54
Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Meine Redezeit läuft. – Sehr geehrte Damen und Herren hier auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Herr Bundesminister! Wir diskutieren heute den sogenannten Arbeitskräftemangel. Wir haben schon wahnsinnig viel gehört. Das ist ein Dringlicher Antrag der NEOS, der ein bisschen fehlerhaft ist. Es dürfte auch schon ein bisschen ein Recyclingantrag sein. Sie haben das offensichtlich noch vor der Niederösterreichwahl geschrieben. (Ruf bei der ÖVP: Ist nicht sehr aktuell!) Macht aber nichts, Sie haben es heute eingebracht, das passt schon. Sehen wir jetzt einmal über die Fehler hinweg, die Sie darin haben.
Die Frage, die sich stellt, ist: Warum haben wir einen Fachkräftemangel? Warum haben wir jetzt einen Arbeitskräftemangel und was ist die Lösungskompetenz? – Es gibt hier herinnen vier Parteien, die schreien, wir brauchen mehr Zuwanderung. Die Bundesregierung hat, natürlich mit Zustimmung von NEOS und SPÖ, die Kriterien für die Rot-Weiß-Rot-Karte hinuntergeschraubt. Sie müssen heute nicht mehr Deutsch können, um zu kommen. Es reicht jetzt Spanisch und es reicht Französisch. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)
Wenn also die philippinischen Pflegerinnen kommen, müssen sie nur noch Spanisch können. Großartig, passt! Ich frage mich nur: Wie funktioniert das dann, wenn dann die 80- oder 90-jährige Frau von einer Dame gepflegt wird, die kein Wort Deutsch spricht, sondern eben nur Spanisch? (Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Das ist ein bisschen schwierig. Also wir halten das nicht für den richtigen Weg. Wir halten das für einen falschen Weg, denn gerade in solchen Bereichen ist es aus unserer Sicht ganz, ganz dringend notwendig, dass Patienten – und auch Pflegebedürftige sind so etwas wie Patienten – mit den Pflegekräften tatsächlich auch kommunizieren können. Das haben Sie offensichtlich nicht mitbedacht, Herr Bundesminister.
Die zweite Frage, die hier gestellt wurde, war: Warum gibt es so einen großartigen Facharbeitermangel? – Die Aufwertung der Lehre ist im Dringlichen Antrag enthalten, wie auch mein Vorredner wieder gesagt hat. Das wäre ein wesentliches und wichtiges Problem, ja. Aber die Aufwertung der Lehre ist schon die Folge davon, dass die Lehre so unbeliebt und so unattraktiv ist und dass es so wenige junge Menschen gibt, die eine Lehre machen wollen. Das ist die Folge der Politik der letzten Jahrzehnte.
Viele Schülerinnen und Schüler sind aus den Hauptschulen rausgekommen und konnten nicht sinnerfassend lesen, können keine Grundrechnungsarten, weil unser Schulsystem zu Tode reformiert worden ist. Und natürlich haben die am Ersten Arbeitsmarkt kaum Chancen darauf, eine Lehre zu bekommen. (Abg. Matznetter: Na zum Glück kriegen sie Mandate bei der FPÖ!)
Ich weiß jetzt nicht, warum Sie permanent reinschreien müssen, Herr Kollege Matznetter. Ich weiß schon, in der SPÖ liegen die Nerven blank, aber vielleicht können Sie sich kurz konzentrieren. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) Sie als SPÖ sind nämlich ganz massiv daran beteiligt gewesen. Durch die Massenzuwanderung sind viele Schulen tatsächlich zu Brennpunktschulen geworden, in denen Schülerinnen und Schüler kein Wort Deutsch können, in die viele Eltern ihre Kinder gar nicht hingeben wollten. Und die Folge war, dass oftmals Kinder in ein Gymnasium gekommen sind, die wahrscheinlich nicht einmal unbedingt geeignet waren, die dann aber schon drinnen waren, und die fehlen dann wieder bei den Lehrstellen. Auch das sollten Sie sich einmal merken und nicht immer hereinschreien. (Beifall bei der FPÖ.) Dann hätten Sie vielleicht ein bisschen mehr davon – überlegen Sie einmal!
Das sind doch die Probleme, die wir haben! Da können wir uns jetzt nicht hinstellen und sagen, das muss man alles attraktivieren. Ja, Lehrlingsentschädigung ist ein wichtiger Teil, Herr Kollege Wimmer, das ist natürlich wichtig und richtig, aber damit allein werden wir das Problem nicht lösen. Wenn wir die jungen Menschen nicht haben, die eine Lehre machen wollen, können wir noch so viel zahlen, sie werden es einfach nicht tun, sondern sie gehen dann in weiterführende Schulen, das ist doch das Problem.
Die SPÖ ist daran beteiligt gewesen, indem sie nämlich nicht darauf geachtet hat, dass, wenn wir Leute aus anderen Kulturen, aus anderen Ländern hier hereinholen und deren Kinder der deutschen Sprache eben nicht mächtig sind, die natürlich im Schulunterricht ein Problem darstellen.
Vor allem aus der türkischen Community kennen wir das Problem, dass die zweite oder dritte Generation schlechter Deutsch spricht, als es ihre Großeltern gekonnt haben. Auch da haben wir ein Problem, und auch dieses Problem ist hausgemacht. Und es gibt viele, viele Jugendliche, die gar nicht willens sind, Deutsch zu lernen, und die auch nicht willens sind, eine Lehre zu beginnen.
Diese Problematik ist schon seit vielen, vielen Jahren bekannt (Abg. Meinl-Reisinger: ... das Problem ist, dass dann alle studieren!), aber es ist in diesem Bereich nichts passiert. Das sind junge Menschen, die zum Teil hier geboren sind, deren Eltern schon hier waren und die trotzdem nicht willens sind. Auch da muss man ansetzen. Das ist ein Potenzial, das wir hier im Land hätten. Dieses Potenzial haben Sie brachliegen lassen. Diese Leute mussten sich nicht integrieren. Jeder, der das angesprochen hat, ist dann zum bösen Ausländerfeind abgestempelt worden.
Nein, die Probleme muss man an der Wurzel angehen. Die kann man nur bei den Jungen angehen, bei den heute 50-Jährigen ist es wahrscheinlich dann eher schon zu spät. Das sind übrigens die, die wahrscheinlich noch gearbeitet haben. Die sind nämlich hierhergekommen, um sich eine Zukunft aufzubauen.
Umso schlimmer ist es – und das ist schon auch ein Versagen der Politik –, wenn eine zweite und dritte Generation dem nicht folgt, was ihre Großeltern oder Eltern gemacht haben. Das finde ich so dramatisch, und darüber spricht hier herinnen überhaupt niemand. Das Einzige, was kommt, ist: Wir wollen neue Zuwanderung! Wir wollen die Rot-Weiß-Rot-Karte weiter aufweichen!
Jetzt sage ich Ihnen etwas: Im letzten Jahr sind 120 000 Asylwerber nach Österreich gekommen – 120 000! Wenn man sich anschaut, wie es in den Jahren davor war, kann man davon ausgehen, dass 60 000 hier Asyl bekommen werden, und noch einmal circa 20 000 bis 30 000 werden ein Bleiberecht bekommen. Das sind 80 000 bis 90 000 Menschen. Und wie viele davon werden tatsächlich in fünf Jahren am österreichischen Arbeitsmarkt integriert sein? Herr Bundesminister, wie viele? – Eine Handvoll! Wir kennen das aus dem Jahr 2015. Damals war es ähnlich, da hatten wir über 80 000 Anträge und hier geblieben sind in etwa 55 000 bis 60 000. Wie viele davon sind wirklich am Arbeitsmarkt? – Eine Handvoll! (Abg. Meinl-Reisinger: Nein!) – Eine Handvoll – sagen Sie nicht Nein! Viele sind immer noch beim AMS.
Jetzt sage ich Ihnen etwas, Frau Kollegin Meinl-Reisinger, zur sogenannten Zuwanderung. Schauen wir uns die Zahlen des AMS von Jänner bis März 2023 an, also aktuelle Zahlen – April liegt noch nicht vor –: Die Zahl der inländischen Arbeitslosen ist im Jänner um 7,2 Prozent geschrumpft, im Februar um 5,6 Prozent und im März um 4,6 Prozent. Jene der ausländischen Arbeitslosen ist hingegen gestiegen, im Jänner um 0,2 Prozent, im Februar um 2,4 Prozent und im März ist sie bereits um 5,9 Prozent gestiegen. – So viel dazu.
Dann kommen noch die Schulungen. 52 Prozent aller Personen, die beim AMS in Schulungen sind – mehr als die Hälfte! – sind Ausländer. Das sind die realen, nackten Zahlen des AMS. Die können Sie sich runterladen. Das ist Tatsache. Das sind nicht Zahlen, die sich die FPÖ irgendwo überlegt hat. Das ist das Problem. (Zwischenruf der Abg. Seidl.) – Sie können schreien, was Sie wollen, aber eines ist klar: Viele von denen kommen eben nicht, um zu arbeiten. Das ist die Problematik. Wir können nicht alles nur lösen, indem wir sagen: Holen wir noch mehr her! – Ich weiß nicht, woher wir sie dann noch holen werden – irgendwoher. Europa haben wir abgegrast.
Das ist übrigens auch so eine Sache: Sie stellen sich hierher und schreiben in Ihrer Dringlichen, wie bösartig die österreichische Bundesregierung sei, weil sie das Schengenabkommen für Rumänien und Bulgarien nicht unterschrieben hat und die Arbeitskräfte von dort jetzt so schwer zu uns kommen können.
Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, was das für die Länder im Osten bedeutet, wenn ihre besten Arbeitskräfte nach Westeuropa gehen, was das für die Wirtschaftsleistung dieser Länder bedeutet und wie verzweifelt diese Länder sind, weil ihre besten Arbeitskräfte woanders sind? (Abg. Meinl-Reisinger: Ah, ein karitativer Akt, jetzt hab ich’s verstanden!) – Das, Frau Kollegin Meinl-Reisinger, sollten Sie auch einmal durchdenken, weil es schon die Aufgabe der EU wäre, da einen Ausgleich zu schaffen, einen wirtschaftlichen Aufschwung im Osten zu schaffen. (Abg. Meinl-Reisinger: Wettbewerb, Frau Kollegin!) Stattdessen sind Parteien wie die Ihre die liberalen, die dann sagen: Na die, die gut ausgebildet sind, sollen alle zu uns kommen! – Damit machen Sie ‑ ‑ (Abg. Hörl: Ist eh recht!) – „Ist eh recht!“ – Herr Kollege Hörl, diese Aussage ist jetzt sogar unter Ihrem Niveau. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Loacker: Dort gibt es ja die Jobs gar nicht! Dort gibt es die Jobs für diese gut Ausgebildeten nicht!)
Damit schaffen Sie dort tatsächlich öde Landstriche, in denen es keine Wirtschaftsleistung mehr gibt. Das ist die Wahrheit. Sprechen Sie doch einmal mit den Rumänen oder sprechen Sie mit den Bulgaren, wie es dort ausschaut. (Abg. Hörl: Wir vertreten Österreich! – Zwischenruf des Abg. Matznetter.) Lustig ist das nicht für die, wenn ihre bestausgebildeten Arbeitskräfte dann alle abgeworben werden. (Ruf bei den NEOS: Reden Sie von Bulgarien ...?) Natürlich ist es in Mitteleuropa finanziell lukrativer für die, weil wir ein anderes Lohnniveau haben, und wenn sie das dann umrechnen, leben die dort gut. Das ist doch auch eine völlig falsche Politik. (Abg. Kirchbaumer: Ach so, ja, ja klar!)
Was wir brauchen, ist endlich ein Ausschöpfen des eigenen Potenzials, Herr Minister, und da hätten wir sehr wohl noch sehr viel zu tun und auch sehr viele Möglichkeiten.
Sie sind vor wenigen Wochen aufgefallen, als Sie gesagt haben, die Teilzeitkräfte müsse man jetzt quasi bestrafen, die sollen keine Sozialleistungen bekommen – mit dem Nachsatz, es gebe zu viele Mütter in Teilzeit. Ich persönlich sage Ihnen jetzt hier von dieser Stelle – dazu stehe ich und dazu steht meine Fraktion –: Wir wollen nicht einer einzigen Mutter vorschreiben, ob sie Vollzeit arbeitet, Teilzeit arbeitet oder sich überhaupt aus dem Arbeitsprozess nimmt. Ich glaube, das muss eine Gesellschaft leisten – und das leistet eine Gesellschaft auch –, dass man Frauen mit kleinen Kindern tatsächlich die Wahlfreiheit gibt. (Beifall bei der FPÖ.)
Es gibt aber bei der Teilzeit natürlich schon Probleme. Klammert man jetzt einmal die Mütter aus, denen ich es tatsächlich nicht absprechen möchte, haben wir ein Problem, weil viele und vor allem große Betriebe, Konzerne oftmals Arbeitnehmer nur in Teilzeit anstellen. (Abg. Kirchbaumer: Das stimmt nicht!) Viele große Konzerne stellen die Leute für 30 Stunden an und lassen sie dann länger arbeiten, weil es für die Konzerne günstiger ist. Da, Herr Minister, hätten Sie hinschauen müssen, da müssen Sie reinregieren, da müssen Sie einmal Reformen setzen, damit genau dieser Missbrauch der Teilzeit nicht passiert. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das sind Teilzeitregelungen, die tatsächlich missbräuchlich sind, weil sie die Leute ja ohnehin 40 bis 50 Stunden arbeiten lassen.
Ich komme zu meinem Schlusssatz, weil meine Redezeit vorbei ist. (Abg. Leichtfried: Die ist schon lang vorbei!) – Ja, danke, Herr Kollege Leichtfried. Warten wir ab, wie es bei Ihnen weitergeht. (Abg. Rauch: Das ist ein Leichtgewicht!)
Die Sache ist, Herr Bundesminister, sehr geehrte Damen und Herren von der Bundesregierung: Bitte schöpfen wir zunächst einmal unser eigenes Potenzial aus, schauen wir im eigenen Land einmal darauf, unsere eigenen Arbeitskräfte tatsächlich für den Arbeitsmarkt zu gewinnen, zu motivieren, und erst dann können Sie wieder davon sprechen, noch mehr Zuwanderer ins Land zu holen! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Wurm: Sehr gute Rede!)
16.05
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Schwarz. – Bitte.