14.33

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Zunächst vielleicht folgende Feststellung: Der Sozialstaat in Österreich, meine Damen und Herren – das würde ich gerne zu Beginn festhalten –, ist eine Errungenschaft (Abg. Hafenecker: Die Sie zerstört haben!), von der wir heute profitieren. Das ist so.

Der Sozialstaat in der heutigen Ausprägung ist langsam erstritten worden, nämlich von den Gewerkschaften, und ausgebildet worden von der Sozialpartnerschaft, die zu Unrecht oft gescholten wird. Ich möchte festhalten: Wir profitieren davon. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn heute der Eindruck erweckt wird, dass wir in Österreich in all diesen Fragen und auch im europäischen Vergleich Schlusslicht sind (Abg. Belakowitsch: Sind wir ja!), dann helfen Zahlen, Daten und Fakten weiter (Abg. Belakowitsch: Die Inflation!), um das einzuordnen.

Jenseits von Zahlen, Daten und Fakten weiß ich (Zwischenruf des Abg. Hafenecker), dass hinter jeder einzelnen Zahl ein Schicksal steht, ein Mensch steht, eine Familie oder ein Kind steht, das armutsgefährdet aufwächst, und jedes davon ist zu viel. (Abg. Belakowitsch:  ... und jetzt?)

Schauen wir aber uns die entsprechende Grafik von Eurostat an (eine Tafel mit der Überschrift „Armutsgefährdung in der EU“ und einem Säulendiagramm zeigend), schauen wir, wo sich Österreich da befindet! (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Das ist der europäische Schnitt. Das sind die Schlechten, das sind die Guten. Wir sind besser als der europäische Schnitt, wenn es um Armuts­gefährdung geht. (Abg. Hafenecker: Also besser als Bulgarien! Gratulation!) Deutschland ist schlechter, Spanien ist schlechter, Ungarn sowieso. Also da einmal die Einordnung vorzunehmen halte ich für richtig.

Faktum ist auch – Statistik Austria hat das festgestellt (Abg. Belakowitsch: Ach so, na dann!) –: Seit 2018 ist der Anteil der Menschen, die in Armut leben, von 2,8 Prozent auf 2,3 Prozent gesunken. Ich bitte daher, nicht den Eindruck zu erwecken, dass wir da im internationalen Vergleich am Schluss sind. (Abg. Wurm: ... eingebildet, oder was, Herr Minister? Das ist eine Einbildung, oder? – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen. – Abg. Belakowitsch: Alles nur Gefühl! – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Das ist ja der Punkt: Da wegen Corona und der Teuerung neue und schwierige Situationen aufgetreten sind, hat diese Bundesregierung seit Beginn dieser Krisen 30 Milliarden Euro in die Hand genommen, um jenen Hilfe zu leisten, die sie besonders brauchen. Ich sage Ihnen, es ist etwas frivol, zu sagen, diese Einmalzahlungen sind, wie Kollege Loacker gesagt hat, „hinausgeblasenes“ Geld. Dieses Geld ist nicht hinausgeblasen worden, sondern es ist bei Pensionistinnen und Pensionisten, bei Alleinerzieher:innen, bei Familien, die es dringend brauchen, angekommen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Eine Mindestpensionistin – um es auszuführen, sie hat eine kleine Pension mit Ausgleichszulage – hat im vergangenen Jahr mindestens 1 500 Euro an Entlas­tung bekommen. Das ist kein hinausgeblasenes Geld, sondern es ist zielgerichtet dort angekommen, wo es sein muss. (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Eine Allein­erzieherin mit zwei Kindern, mit etwa 1 000 Euro Nettoverdienst hat eine Entlastung von mindestens 2 700 Euro erhalten. Auch das ist nicht hinaus­geblasen. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch. – Abg. Schroll: ... Inflation haben wir von 10 Prozent!)

Wir haben die Pensionen angepasst, nämlich bei den niedrigen Pensionen um etwa 10,2 Prozent, zusätzlich ist auch eine Einmalzahlung dazugekommen. Dieses Geld wurde dringend gebraucht. (Abg. Hafenecker: Herr Minister, es ist vorbei! – Abg. Belakowitsch: Es ist ein bisschen peinlich!)

Als Frau Abgeordnete Herr gesprochen hat, ist vor meinem geistigen Auge die ganze Reihe der roten Sozialministerinnen und Sozialminister der letzten zehn, 15, 20 Jahre vorbeigezogen, die vergeblich versucht haben, die Valorisierung aller Familien- und Sozialleistungen zustande zu bekommen. Das ist seit 1. Jänner dieses Jahres gültig, und das haben wir zustande gebracht! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Hafenecker.)

Wenn es jetzt darum geht, weitere strukturelle Maßnahmen zu treffen, dann passiert genau das jetzt. Der Lebensmittelhandel reagiert aktuell auf das, was die Bundesregierung im Ministerrat beschlossen hat (Abg. Belakowitsch: Was?), schon mit Panikattacken (Zwischenrufe der Abgeordneten Belakowitsch und Hafenecker), weil klar wird, dass es Preistransparenz geben muss, dass die Kalkulationen nachvollziehbar sein müssen, dass da hingeschaut wird (Abg. Hafenecker: Steuer habt ihr auch ... zusammengebracht!), dass das Wettbewerbs­recht ein Instrument ist, das wir der Bundeswettbewerbsbehörde in die Hand geben, nämlich mit mehr Personalausstattung, mit einer Schärfung der Instrumente (Abg. Krainer: Ohne Chef! – Abg. Belakowitsch: ... Personal!), mit dem Auftrag, dort hinzuschauen. (Abg. Krainer: Seit Monaten ohne Chef!) – Die Aufgeregtheit kann ich jetzt schon verstehen, denn wir tun da etwas, und das wird wirken, das kann ich Ihnen sagen. (Beifall bei den Grünen und bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Das sind ganz konkrete Maßnahmen, die dieser Konzentration, die wir im Einzel­handel haben, entgegenwirken werden. Wir nehmen es nicht hin (Abg. Belakowitsch: Seit zwei Jahren nehmt ihr es hin!), dass Preissenkungen bei der Landwirtschaft nicht bis zur Einkaufskasse im Supermarkt weitergegeben werden. Das wird sich ändern, meine Damen und Herren! (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Hafenecker: Neuwahlen!)

Übergewinnsteuer verschärft: Auch das ist eine Maßnahme, die die Energie­konzerne dazu bringen wird, in Zukunft anders zu agieren.

Noch ein Satz zu den Energiekonzernen: Ich bin auch Konsumenten­schutz­minister. (Abg. Wurm: Aber selten! – Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Das haben wir schon diskutiert. – Der Verein für Konsumenteninformation hat in meinem Auftrag sowohl die Wien Energie als auch den Verbund geklagt, weil dort Praktiken Einzug gehalten haben, die nicht hinnehmbar sind; dass nämlich Kundinnen und Kunden massenhaft aus den Verträgen geschmissen werden (Abg. Belakowitsch: Ihr habt die EVN vergessen!), nur weil es gerade passt und weil man die eigenen Gewinne absichern will, wird nicht gehen. Diese Klagen sind anhängig, sie werden ausgestritten und dazu führen, dass sich die Dinge dort verändern. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Angekündigt und im Ministerrat beschlossen sind weitere Maßnahmen (Abg. Belakowitsch: Ja, angekündigt habt ihr es vor zwei Jahren!), jetzt auch im Hinblick auf Kinderarmut. Und nein, es ist nicht hinnehmbar, dass Kinder in Österreich in Armut aufwachsen (Abg. Belakowitsch: ... angekündigt!); nein, es ist nicht hinnehmbar (Abg. Belakowitsch: Sie wissen ja nicht einmal, wovon wir reden!), dass Eltern nicht genug Geld für ein warmes Mittagessen für ihre Kinder haben; nein, es ist nicht hinnehmbar, dass in Österreich Kinder, die sich Nachhilfe am privaten Sektor nicht leisten können, in der Bildung zurückbleiben. (Abg. Belakowitsch: Sie sollten nicht auf die Nachhilfe ...!) All dies ist in Ausarbeitung und wird kommende Woche präsentiert werden. Wir wirken dem entgegen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Was ist denn das für eine peinliche Rede?! – Rufe bei den Grünen: Eine sehr gute Rede! – Abg. Hafenecker: Eine seiner letzten! – Weitere Rufe und Gegenrufe zwischen FPÖ und Grünen.)

14.39

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Kopf. – Bitte sehr.