10.29
Abgeordnete Pia Philippa Strache (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Es wird immer schwieriger, vor Menschen, die nichts mit Politik zu tun haben, die abseits der Politik stehen, noch wirklich gute Argumente zu finden, warum sie ihr Vertrauen in die Politik und die politischen Akteure nicht verlieren sollten – ein Argument zu finden, damit sie sagen: Da gibt es noch Vertrauen, da kann man noch Vertrauen haben. – Die Menschen sind mehr als verzweifelt, und Besserung ist dank der marginalen Maßnahmen nicht in Sicht.
Natürlich kann man in gewisser Weise den Ansatz verstehen, zu sagen: Man lässt den Markt alles selbst regeln und verhindert den staatlichen Eingriff so lange wie möglich!, aber in den letzten Monaten sind die Preise stetig gestiegen, und daher kann man nicht weiterhin derart passiv agieren.
Ich sehe nicht, dass die momentanen Lösungsansätze auch da ansetzen, wo sie tatsächlich ansetzen müssten, ob diese Weichenstellungen ein Weg sind, den Menschen in diesem Land zu helfen, oder ob erneut die Bevölkerung nicht gehört und nicht verstanden wird. Aber ja, ich glaube auch, dass die Bundesregierung vom Zuhören und vom Verstehen wirklich keine Ahnung mehr hat.
Die letzten Jahre, die Krisenjahre, haben den Österreicherinnen und Österreichern vieles abverlangt. Seit mehr als drei Jahren leben wir gefühlt in einer Art Dauerkrise, und die Menschen sind zu Recht mehr als verbittert und verärgert: weil man nicht mehr den Eindruck hat, es wird Politik im Sinne des Gemeinwohls gemacht, sondern es geht lediglich um die Profilierung einzelner politischer Akteure.
Viele Menschen müssen aufgrund der Teuerungen ihr gesamtes Leben umstellen, Familien, Alleinerziehende, aber auch zahlreiche Pensionisten müssen seit Monaten Verzicht üben und eine unheimliche Anspannung aushalten, wobei sie von den Regierungsparteien tatsächlich im Stich gelassen werden – soziale Kälte, die jetzt real geworden ist, denn Hunderte Menschen haben lieber gefroren, als zu heizen. Lösungsvorschläge werden liegen gelassen, nur weil sie von Oppositionsparteien kommen.
Liebe Regierung, während Sie hier im Parlament gerne so tun, als wären Sie im Olymp und nicht im Parlament, warten im Land Hunderttausende Österreicher verzweifelt darauf, dass ihre Hilferufe endlich gehört werden. Man darf zu Recht die Frage stellen – wenn man den Blick in die Nachbarländer schweifen lässt, sieht man, dass die Schweiz, Frankreich und selbst Spanien, sie alle die Krise besser meistern –, warum das in Österreich so passiert ist, und vor allem, was passiert ist. Es ist wenig passiert (Abg. Höfinger: ... genau!); Einmalzahlungen, die vor allem medial nett zu verkaufen sind, aber eben nur einmal helfen, nur einmal unterstützen können. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wirklich, ganz im Ernst: Das ist so weit weg, sogar die Spanier sind vor uns. Ist es nicht so? Nein? (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)
Familien, alleinerziehende Mütter, Väter, Pensionisten und Pensionistinnen, aber auch Unternehmerinnen und Unternehmer, liebe ÖVP, die beispielsweise ihre gestiegenen Energiekosten nicht mehr an den Endverbraucher weitergeben können und möchten: Sie alle haben sich mehr erwartet und mehr verdient als erneut Zynismus oder ein Handeln erst auf Nachdruck mit lapidaren Einmalzahlungen, nur damit kein übler medialer Beigeschmack bleibt. Aber ich sage Ihnen etwas: Dieser Beigeschmack ist schon längst da! Eine kaschierende Schlagzeile hilft da wenig, auch keiner Partei, die gerne die nächsten Wahlen gewinnen möchte beziehungsweise die dabei ist, das zu tun. Da braucht es auch keinen Pseudogipfel, wie es ihn vor zwei Wochen gegeben hat, bei dem es abermals nur um Inszenierung gegangen ist.
Die Not der Menschen ist nach wie vor spürbar, sie ist greifbar, man muss halt nur hinschauen oder den Willen haben, hinzuschauen – jeden Tag, für so viele Menschen in diesem Land, die sich von der Politik im Stich gelassen fühlen, nicht gehört fühlen, Hunderttausende Österreicher, die um ihr Überleben kämpfen, als kleine Unternehmer kurz vor der Pleite stehen, die als Kleinverdiener oder alleinerziehende Mütter vergessen wurden und nicht mehr genügend Geld zum Überleben haben. Es gibt Zigtausende Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene, die unter psychischen Schäden nach den Lockdowns leiden; finanzielle Sorgen sind da ein zusätzlicher psychischer Druck, der kaum auszuhalten ist. Und ja, es ist nachvollziehbar, dass die Betroffenen kein Verständnis, und zwar absolut kein Verständnis haben, wenn jetzt nicht etwas passiert, Maßnahmen ergriffen werden, aufgegriffen werden.
Das Wichtigste muss wieder in den Vordergrund: die Sorgen der Menschen zu verstehen, sie zu hören und ernst zu nehmen. Die Teuerungen sind seit Monaten ein Thema und die Auswirkungen wenig überraschend. Lösungen wie Mindestlohn, ein Preisdeckel, all das liegt auf dem Tisch. Wir brauchen in diesen schwierigen Zeiten eben keine Profilierungsversuche mehr. Die Menschen in diesem Land sind längst zu Bittstellern geworden, und das dürfen sie einfach nicht sein! Sie müssen Hilfe bekommen, Lösungen müssen aufgezeigt werden. Es ist einfach eine Belastung für eine alleinerziehende Mutter, statt 70 Euro Energiekosten plötzlich 400 Euro zu zahlen. Es ist eine Belastung für 1,5 Millionen Österreicher, wenn sie ihre Miete nicht mehr zahlen können.
Und bei allem Respekt – ich hätte es vielleicht nicht erwähnt, wenn es heute nicht noch einmal aufgekommen wäre –: Vor rund drei Wochen ist der geschätzte Herr Bundeskanzler in der „ZIB 2“ gesessen und hat gesagt, Arbeit schütze vor Armut. Er hat es heute wiederholt und noch einmal gesagt. Da frage ich mich, ganz ehrlich! Das ist Zynismus pur, das ist pure Ironie, das ist blanker Hohn, wenn man das so sagt, denn die Teuerungen, eine derart hohe Inflation treffen genau die arbeitenden Menschen (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ), Menschen, die jeden Tag ihre Leistung bringen, für die es aber trotzdem nicht reicht, für die es sich trotzdem nicht ausgeht: Das ist ja das Frustrierende an dieser Situation geworden. Trotzdem ist jeder Einkauf im Supermarkt teurer geworden, sind die Wohnkosten gestiegen, die Energiekosten, und, und, und.
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz bitte!
Abgeordnete Pia Philippa Strache (fortsetzend): Ja. – Es ist eine verhängnisvolle Spirale, bei der man längst hätte gegensteuern können und müssen.
Wir müssen in der Bevölkerung wieder für Vertrauen in die Politik sorgen, indem wir Maßnahmen setzen, die tatsächlich einen Effekt haben. Die Not ist jetzt da, sie ist spürbar. Wie lange wollen Sie noch warten, liebe Regierungsparteien, bevor Sie diese Sorgen aufgreifen, politische Maßnahmen schaffen, die ein Leben tatsächlich wieder lebenswert machen? (Rufe bei der ÖVP: Redezeit!) – Es ist der Schlusssatz, alles gut! Jetzt können Sie ans Arbeiten gehen. (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.)
10.35
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist nun niemand mehr dazu gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.
Ich darf die Botschafterin von Georgien und die Abgeordneten, die unser Haus besucht haben, recht herzlich in unserer Mitte begrüßen. Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)