11.27

Mitglied des Europäischen Parlaments Theresa Bielowski, BA MA (SPÖ): Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Bundesministerin! Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Personen, die heute zuschauen! In einer Sache sind wir uns einig: Die Herausforderungen in Europa sind vielfältig und groß.

Die Frage, die wir uns alle hier stellen müssen, ist ja: Wann ist Europa entschei­dungs-, zukunfts- und verteidigungsfähig? – Und ich glaube, liebe Kolle­g:innen, oder besser gesagt, ich weiß, dass Europa es dann ist, wenn wir inner­halb der Europäischen Union resilient sind – resilient gegen Autokraten in und außerhalb von Europa, resilient gegen Populismus, gegen Menschenfeind­lichkeit und resilient gegen Hass und Hetze. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir dürfen auch nicht naiv sein, wenn wir unsere gemeinsamen Werte und Moralvorstellungen verteidigen, denn der brutale Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ist auch ein Angriff auf die demokratischen Moral- und Wertvor­stellungen. Als Europäische Union stehen wir seit Beginn des völkerrechtswidri­gen Angriffskriegs an der Seite der Ukraine, und dieser hat uns als Europäi­sche Union gezeigt, dass es sehr wohl notwendig ist, dass wir unsere Außen- und Sicherheitspolitik neu denken.

Die Perspektive Österreichs als neutraler Staat ist eine besondere und ist eine wichtige, aber, liebe Kolleg:innen, wir müssen uns auch im Klaren darüber sein, dass wir moralisch und dass wir politisch auf keinen Fall neutral sind, denn das würde heißen: neutral gegenüber Vergewaltigungen als Kriegswaffe, neutral gegenüber Kindesentführungen, neutral gegenüber Verschleppungen, neutral gegenüber Folter und Mord an Zivilist:innen. Diese Neutralität? – Sicher nicht! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Geschichte hat uns gelehrt, dass es keine Option ist, wegzuschauen, wenn Menschen für geopolitische Spiele vertrieben werden, wenn größenwahn­sinnige Diktatoren ermorden, zum Krieg zwingen. Es ist die solidarische Hilfe von Staaten, es ist die Gemeinschaft, die gefordert ist, um die Werte zu vertei­digen, und zwar die Werte, die uns alle einen: das menschliche Recht auf Unver­sehrtheit, auf Friede, auf Freiheit, auf Selbstbestimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist unsere Aufgabe als Politiker:innen auf allen Ebenen, nicht dem Populismus zu verfallen, nicht der Naivität zu verfallen, nicht den einfachen Lösungen zu verfallen, sondern gemeinsam für unsere demokratischen Wertvorstellungen zu kämpfen, und zwar ganz besonders dann, wenn die Zeiten schwierig sind und wenn die Lösungen nicht mit schönen Worten, nicht mit wahlkampf­tauglichen Parolen zu erklären sind.

Mit der Unterstützung der Ukraine allein ist es in Europa noch nicht getan. Auf dem Spiel steht – das dürfen wir nicht vergessen – nichts weniger als die offene und demokratische Gesellschaft, in der wir alle leben! (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Neßler.)

Unsere Demokratie und unsere Grundrechte sind die DNA der europäischen Einigung, und genau die müssen wir noch vor allen anderen Dingen als kritische Infrastruktur schützen, denn es gibt viele, die diese Idee angreifen und zerstören wollen.

Wir haben von Resilienz gesprochen. Wenn wir von Resilienz sprechen, müssen wir vor allem auch von einer Sache sprechen, nämlich von Europa als Sozial­union, denn nur wenn wir eine starke Sozialpolitik haben, nur wenn wir ein Angebot staatlicher Infrastruktur von Daseinsvorsorge haben, nur wenn wir gute Löhne haben, nur wenn wir gute Arbeitsbedingungen haben, nur wenn Menschen einen angemessenen und würdigen Lebensstandard haben, dann können sie als EU-Bürger:innen von der Idee eines gemeinsamen Europa überzeugt sein (Beifall bei der SPÖ), und nur dann, wenn die Bürger:innen davon überzeugt sind, nur dann gibt es keinen Nährboden für menschen­verachtende und autokratische Ideen. Nur dann können diese Ideen gar nicht wachsen.

EWSA-Präsident Oliver Röpke hat gesagt: „Arbeitnehmer:innen dürfen Europa nicht als Bedrohung sehen, sie müssen es als Chance sehen.“ Daher: Reden wir über Mindestlöhne und reden wir über Arbeitsbedingungen! (Beifall bei der SPÖ.)

Liebe Kolleg:innen! Als Europäische Union müssen wir handlungsfähiger werden. Wir müssen die aktuellen Herausforderungen bewältigen. Zwei Dinge möchte ich hierzu noch sagen. Zum einen: Wir dürfen uns nicht in Geiselhaft einzelner Mitgliedstaaten begeben, besonders nicht in steuer- und außenpolitischen Fragen. Wir müssen das Vetorecht aufheben. Wir brauchen qualifizierte Mehrheiten.

Zum anderen, und das ist mir auch ganz besonders wichtig: Wir brauchen Sie alle, und wir brauchen auch Sie, liebe Kolleg:innen auf der Regierungsbank, denn wir müssen uns jetzt darauf einigen, dass mutige und solidarische Mitgliedstaaten gefordert sind; und ein Bekenntnis zu gemeinsamer solidarischer Politik, das nicht dann endet, wenn Partikularinteressen in Tageszei­tungen nur dann Zuspruch erhalten, wenn die Europäische Union der Sünden­bock ist. Wenn wir eine zukunftsfähige Europäische Union gewährleis­ten wollen, müssen wir die Menschen gemeinsam von dieser Idee überzeugen.

Präsidentin Doris Bures: Sie müssen den Schlusssatz formulieren, Frau Abgeordnete.

Mitglied des Europäischen Parlaments Theresa Bielowski, BA MA (fortsetzend): Meine Vision von Europa ist eine friedliche, eine solidarische, eine mutige, eine menschliche; und ich hoffe, auch Ihre. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.33

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Europaparlamentarier Georg Mayer zu Wort. – Bitte.