12.11
Abgeordnete Dr. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Frau Staatssekretärin! Werte Kollegen und Kolleginnen, Zuseher und Zuseherinnen! Eines vorweg, auf den Vorredner bezogen: Es ist kein europäischer Krieg, es ist ein Krieg Russlands gegen einen souveränen Staat, die Ukraine. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP sowie der Abgeordneten Brandstätter und Meinl-Reisinger.)
Das in der Europastunde im österreichischen Parlament zu behaupten, ist ja wirklich eine Schande.
Frieden, Freiheit, Solidarität und natürlich auch die Souveränität der Mitgliedstaaten (Abg. Kassegger: Eben!) sind die Koordinaten der Europäischen Union, und das ist das, was wir in dieser Europäischen Union verteidigen. Wieso verteidigen wir das? – Angesichts der Geschichte unseres Kontinents muss die Antwort lauten: Ein Europa der Menschenrechte, der Chancengleichheit, des Rechts und des Wohlstands für alle muss unser Ziel sein.
Nach dem Ersten und nach dem Zweiten Weltkrieg, aber auch nach den Jahrzehnten, in denen halb Europa unter Repression und Gewalt gelitten hat, muss es über alle Parteigrenzen hinweg unser gemeinsames Ziel sein, dieses solidarische, dieses freie, souveräne Europa hochzuhalten. Wer das nicht tut, kennt die Geschichte nicht oder steht auf einer ganz anderen Seite – auf der falschen Seite der Geschichte. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Pfurtscheller.)
Es ist – wie wir gehört haben – nämlich keine Selbstverständlichkeit, dass wir heute den Frieden und die Freiheit in diesem gemeinsamen Europa hochhalten und verteidigen. Es ist ja nicht nur bitter, sondern es ist auch Zeit, das beim Namen zu nennen, was das Gegenteil davon bedeutet:
Das Gegenteil davon bedeutet, und genau das propagiert ja die FPÖ, ein Zurück vor 1968. Wieso? – Weil da die Emanzipationsbewegungen ermöglicht haben, dass wir Frauen-, Menschen-, LGBTIQ-Rechte in Europa etablieren konnten.
Es ist ein Zurück vor 1989. Wieso? – Weil es da die sowjetische Repression gab, und Sie verteidigen genau in dieser Kontinuität weiterhin Russland und diese autokratische Repression. (Zwischenruf des Abg. Kaniak.)
Es ist auch ein Zurück vor 1995, nämlich vor den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union, weil Sie sich nämlich vor genau dieser neu gewonnenen Freiheit fürchten. Sie fürchten sich davor, dass in Europa die Menschen nicht nur souverän, frei und selbstbestimmt leben, sondern Sie fürchten sich vor Menschenrechten. Sie fürchten sich vor LGBT-Rechten, Sie fürchten sich vor Menschenrechten, Sie fürchten sich vor der europäischen Einigkeit. (Abg. Kassegger: Wir fürchten uns vor totalitären Tendenzen, wir fürchten uns ...!) Sie fürchten sich so sehr, dass nur die Angst und die Hetze aus Ihnen spricht, und genau das gefährdet das gemeinsame Europa. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Brandstätter.)
Eines noch, weil eben Ihr Sprücheklopfer, Philosoph, Klubobmann heute abwesend ist: Hätte er sein Philosophiestudium abgeschlossen und hätte er vielleicht noch ein bisschen Geschichte dazu studiert, dann hätte er gewusst –und die Parteilinie vorgegeben –, dass es keinen Frieden ohne Freiheit in Europa geben kann. Wenn ein europäischer Staat oder ein Staat, der sich nach Europa richtet, angegriffen wird, dann ist es unsere Aufgabe, solidarisch zu sein und – wie im Fall der Ukraine – den Staat bei der Selbstverteidigung zu unterstützen. Das ist unsere europäische Aufgabe, und das hätten Sie dann gewusst. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)
Eines noch – weil das, was Sie als FPÖ eigentlich als Alternativen anbieten, immer verwässert wird, muss man auch das ansprechen –: Es gibt keine illiberale Demokratie, sehr verehrte Damen und Herren! Es gibt so etwas, was Orbán sozusagen zu leben vorgibt, nicht. Es gibt nur eine Demokratie, die liberal ist, oder es gibt eine Autokratie. Es gibt nur Freiheit oder es gibt nur Repression. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und SPÖ sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)
Es gibt nur Solidarität oder es gibt nur nationalistischen Egoismus. All das sind die zwei Koordinaten, zwischen denen wir uns hier im österreichischen Parlament in der Debatte heute bewegen. Da haben Sie einmal bewiesen, auf welcher Seite der Geschichte Sie stehen. Das ist nicht die Weltordnung, die wir uns für Europa wünschen. (Beifall bei Abgeordneten der Grünen.)
Eines noch in dem Zusammenhang – weil es mir ganz wichtig ist, wenn hier behauptet wird, es war früher vielleicht alles besser, oder Sie wüssten, wie es besser gehen würde –: Ich war neun Jahre alt, als wir im Radio Freies Europa gehört haben, dass 500 Kilometer weiter die Mauer fällt. Ich kann mich an diesen Moment, an diese Hoffnung auf ein gemeinsames, von Repression und Gewalt freies Europa, die wir in Osteuropa hatten, erinnern. Das, was Sie heute machen, fast 34 Jahre später, ist, diese Hoffnung mit Füßen zu treten, diese Hoffnung zu zerstören und uns alle mit Ihren Freunden in Russland, mit einem Kriegstreiber Putin einfach in die Vergangenheit zu katapultieren.
Das lassen wir nicht zu! Diese Hoffnung auf ein freies, selbstbestimmtes Europa lebt nicht nur (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen), sondern die werden wir weiter verteidigen. – Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen, ÖVP und SPÖ.)
12.17
Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Herr Abgeordneter Helmut Brandstätter zu Wort. – Bitte.