16.21
Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Damen und Herren! Ich darf zuallererst den Seniorenbund aus St. Agatha im Namen des Kollegen Pöttinger recht herzlich begrüßen, und ich bin sehr froh, dass Sie dieser heutigen Debatte betreffend die Lebensmittelverschwendung beiwohnen, denn Sie kommen aus einer Generation, bei der es noch eine Sünde war, etwas wegzuwerfen. Heute wird in Wien mehr Brot weggeworfen, als in Graz gegessen wird. Österreichweit landet pro Jahr 1 Million Tonnen Lebensmittel im Müll. Das ist eine Zahl, die uns eigentlich wirklich aufschrecken sollte.
Wenn wir über die Preise der Lebensmittel diskutieren, dann sollten wir auch über deren Wert diskutieren und das nicht voneinander abgekoppelt betrachten, denn mit der Geiz-ist-geil-Mentalität und der Einstellung: Haltet den Dieb!, bei der derzeitigen Inflation wird vielleicht da oder dort die eine oder der andere draufkommen, dass wir vielleicht selbst auch an dem einen oder anderen Preis Schuld sind, Verantwortung dafür tragen, was aber vielleicht auch gar nicht schlecht ist.
Woher kommen denn nämlich die Produkte, die bei uns im Regal stehen? – Sie kommen ursächlich einmal aus der Landwirtschaft: Acker, Wiese, Stall. Wir haben hier Produktionsauflagen, wir haben strikteren Tierschutz als im Rest Europas, wir haben Einschränkungen beim Pflanzenschutz – momentan ganz aktiv bei der Zuckerrübe; würden wir 5 000 Hektar, die zurückfallen, beim Zuckerpreis einkalkulieren, müsste der Preis um 10 Prozent erhöht werden – und wir haben erhöhte Umweltstandards. Das ist uns aber wichtig, darum wird es hier im Parlament auch oft beschlossen.
Eines muss man auch ganz ehrlich sagen: Da sind Sie dabei, da fordern Sie mehr, mehr, mehr – dass das alles aber auch Kosten verursacht, das sollten wir auch nicht außer Acht lassen. Das heißt, Lebensmittelkosten sind auch Tierschutzkosten, Artenvielfaltskosten und Biodiversitätskosten, und mittlerweile sind Lebensmittelkosten auch Klimakosten. Erst gestern gab es ein Unwetter mit einem Schaden in Höhe von 3 Millionen Euro in der Landwirtschaft in Österreich, und das sind Kosten, die sich letztendlich niederschlagen. (Abg. Wurm: Das hat es früher nicht gegeben, oder?)
Wir leben aber auch in einer arbeitsteiligen Welt, und bei der Thematik liegt es schon so, dass wir sagen müssen, wir hätten ja eine relativ günstige Urproduktion. Nehmen wir folgendes Beispiel her: Eine schlachtreife Sau hat circa 100 Kilo; momentan liegt der Notierungspreis bei 2,30 Euro. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Fleisch beträgt 88 Kilo, also ist man mit so einem Schwein pro Kopf pro Jahr relativ schnell abgefertigt.
Sie können auch Rohmilch relativ günstig kaufen, nur müssen Sie sie dann selbst zur Butter stampfen – da haben wir aber eine Welt, wo wir Schlachthöfe, Molkereien, Verarbeitungsbetriebe haben, in denen wir höchste Qualität erzeugen, und das Gott sei Dank unter Arbeitsbedingungen, bei denen Kollektivverträge entsprechend eingehalten werden. Im letzten Jahr gab es Erhöhungen von um die 10 Prozent bei den Kollektivverträgen im Lebensmittelbereich, und das wird sich auch niederschlagen – das muss man auch ganz ehrlich dazusagen –, wenn wir keine prekären Beschäftigungsverhältnisse wollen, so wie das auch die Gewerkschaft immer wieder fordert. Das heißt, Lebensmittelkosten sind auch Lohnkosten.
Dann muss man die Lebensmittel von A nach B bringen. Das heißt, wir haben Logistik, Transport, Kühlketten, damit wir auch Frische und Qualität erhalten können – das heißt, Lebensmittelkosten sind ganz klar auch Energiekosten.
Wenn wir dann die Produkte im Regal haben, haben wir den Lebensmitteleinzelhandel, der in Österreich natürlich eine gewaltige Kraft hat, da es eine Oligopolstellung gibt. Da sind drei Große am Werk. Betrachten wir das ein bisschen genauer! Die Rewe-Gruppe hat rund 2 000 Standorte, Spar 1 500. In Österreich kommen auf eine Million Einwohner 440 Supermärkte, das sind um 50 Prozent mehr als in Deutschland. Auch diese Kosten werden sich irgendwo niederschlagen, das heißt, letztendlich zahlen wir mit den Lebensmitteln auch die Immobilienkosten dieser großen Unternehmen. Da stellt sich schon die Frage: Ist das auch notwendig?, denn in Deutschland, wo es eine entsprechend geringere Dichte an Standorten gibt, ist auch noch niemand verhungert.
Dann gibt es Regale, die Ware ist meterweise perfekt vorbereitet, immer zugriffsbereit, nie fehlt etwas. Alles ist da, jeden Tag sind sie vollgefüllt. Letztendlich stellt sich aber die Frage, wie viel davon wirklich umgesetzt wird. Da müssen wir diesen Anteil, der am Ende des Tages aus dem Prozess herausfällt, genauer unter die Lupe nehmen. Darum liegt ja jetzt dieser Antrag vor, in dem wir sagen: Lokale und Verkaufsgeschäfte über 400 Quadratmeter müssen nun genau aufzeichnen, wie es mit der Lebensmittelverschwendung ausschaut, denn das sind alles Kosten, die dazu beitragen, dass Lebensmittel bei uns teuer sind und dass wir letztendlich eine enorme Lebensmittelverschwendung haben. Da ist die Frage: Was ist der Preis dafür und was sind wir bereit, dafür aufzubringen?
Wir sollten nicht permanent über den Preis diskutieren, sondern über den Wert der Lebensmittel. Ich glaube, das ist das Wesentliche. Wir müssen auch hinterfragen, was letztendlich die wesentlichen Prioritäten sind, wenn wir uns die Gesamthaushaltseinkommen ansehen, denn eines geht für mich nicht zusammen: Wir beklagen hohe Lebensmittelpreise – und was bringt es am Ende des Tages, wenn die Flieger voll sind, aber der Bauch leer ist? (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Fischer und Rössler.)
16.26
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rauch. – Bitte sehr.