18.48
Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Wir haben hier heute zwei außenpolitische Anträge oder Anträge, die Angelegenheiten des Außenministers betreffen, in Verhandlung, die wir schon im Ausschuss sehr eindeutig und länger diskutiert haben und die ja ein Sinnbild dessen sind, wie Österreich derzeit agiert – muss man leider Gottes sagen.
Also es steht außer Streit, dass man grundsätzlich ein hehres Ziel verfolgt, auch die ÖVP gemeinsam mit den Grünen und gerade die Freiheitliche Partei, die an sich überall in der Welt für mindestens Waffenstillstände eintritt – wir kriegen nur immer betreffend andere Regionen mitgeteilt, dass einen Waffenstillstand zu fordern schon nicht mehr möglich ist, wenn die beteiligten Parteien das gar nicht wollen, weil man zuerst die fragen muss. Aber was dort gilt, gilt vielleicht da nicht. Ich konzentriere mich jetzt einmal auf Afrika.
Und dann werden Anträge formuliert, weil man sich ja auch zu Wort melden muss. Ich glaube nicht, dass das primär aus der Feder der ÖVP stammt. Nach mir kommt Frau Kollegin Dziedzic zu Wort, ich glaube eher, dass es aus dieser Ecke stammt, dass man sich zu solchen Themen derart äußern muss. Zum Glück liest kaum jemand in der Bevölkerung diese Anträge. Es würde wahrscheinlich auch kaum jemand verstehen, was da so gemacht wird. Das Ziel – Waffenstillstand, Unterstützung in humanitärer und anderer Hinsicht und so weiter in Afrika – wird ja auch von uns ungeteilt unterstützt.
Was aber fordern denn diese Anträge? – Nehmen wir einmal den Antrag zum Sudan her, den wir heute beschließen: Man tritt also dafür ein, dass sich der Herr Außenminister bei der EU und bei den Vereinten Nationen für die „sofortige Einstellung der Kämpfe im Sudan und für die Einhaltung eines nachhaltigen Waffenstillstandes“ einsetzen soll.
Herr Bundesminister, so viel Vertrauen habe ich zu Ihnen – die Abgeordneten der Regierungsparteien hier offensichtlich nicht –, dass ich daran glaube, dass Sie das ohnehin machen. Sie halten ja sogar die diplomatischen Kanäle mit Russland offen, ohne dass die Russen es wissen. Aber vielleicht wissen es auch in diesem Fall die beiden Parteien nicht und deswegen werden Sie dazu aufgefordert. Ich hätte Ihnen zugetraut, dass Sie das auch ohne parlamentarische Aufforderung machen, weil das letztendlich in den Genen der österreichischen Politiker liegt – sicher auch in Ihren.
Dann soll man – als zweiter Punkt – „im Verbund mit den EU-Partnern für den umfassenden Schutz der Zivilbevölkerung und der zivilen Infrastruktur sowie die Einhaltung des humanitären Völkerrechts“ eintreten, dafür sollen Sie sich also einsetzen, „und auf einen ungehinderten humanitären Zugang und eine Verbesserung der humanitären Lage“ hinwirken. – Ich gehe davon aus, dass Sie auch das machen. Auch das traue ich Ihnen zu, das ist ja das Ziel. Die Frage ist immer, was man damit meint, und da stoßen wir schon an eine Grenze.
Im dritten Punkt wird es aber noch weiter offen, weil da steht: Sie sollen „alle Bemühungen“ setzen, die „Hilfe vor Ort weiterhin aufrechtzuerhalten“ – ich erinnere daran, dass Österreich aus dem Katastrophenfonds schon 2 Millionen Euro für den Sudan zur Verfügung gestellt hat –, „um die humanitäre Notlage im Sudan“, aber nicht nur dort, sondern auch „in den Nachbarländern zu mindern“. In der Erklärung steht als Grund: weil es dort eine Fluchtbewegung gibt. – Klar, dort ist Bürgerkrieg, ein grauslicher Bürgerkrieg, und es ist keine Frage, dass man das macht.
Ich komme dann noch einmal dazu, aber vorher komme ich zum vierten Punkt, dort heißt es: Weiterhin sollen Sie sich für eine „Stabilisierung des Sudan“ einsetzen. – Okay, wir gehen davon aus, dass Sie das machen. Es wird weiter gefordert, für „einen nachhaltigen innersudanesischen politischen Prozess und die Etablierung demokratischer Strukturen einzutreten, sowie den Sudan mit adäquaten Instrumenten bei der Bewältigung der sozioökonomischen Herausforderungen im Land langfristig und kontinuierlich zu unterstützen.“ – Die „sozioökonomischen Herausforderungen“: das Gleiche steht im Antrag zu Tunesien auch.
Ich glaube, da stoßen schon viele Österreicher an ihre Grenzen und fragen sich, was denn das ist. Vielleicht einmal zur Erklärung – ich versuche jetzt eine Definition –: Die Sozioökonomie ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, die versucht, die Wechselwirkung zwischen Gesellschaft, Wirtschaft, Ökonomie und Politik zu verstehen. – Das ist einmal die eine Definition.
Die Herausforderungen: Was genau verbirgt sich dahinter? Wir halten diese Anträge – so mehr oder weniger: man hat auch etwas getan, man hat den Minister aufgefordert, seinen Job zu tun – für einen Nachweis der Abgeordneten, dass man ein Zeichen setzen möchte, aber nichts dazu sagen will. Wir sind gegen diese beiden Anträge, weil sie viel zu schwammig sind. Wir wissen auch nicht, wohin die Reise dann geht und was daraus abgeleitet wird, nämlich wiederum von jenen, die solche Sätze formulieren und die „sozioökonomischen Herausforderungen“ bewältigen wollen. (Abg. Ernst-Dziedzic: Kennen Sie das Wort nicht?) Wem solche Sätze einfallen, der hat ja irgendeinen Hintergedanken.
Ich sage es noch einmal: Sie haben sich vor nicht allzu langer Zeit schon geirrt – beide Regierungsparteien inklusive der Herr Bundesminister – bei der Budgetierung, beim Schuldenerlass für den Sudan in der Größenordnung von 1,2 Milliarden Euro, an dem mitzuwirken wir freiwillig und dann auch per Gesetz – gegen die Stimmen der Freiheitlichen Partei – beschlossen haben. Der Herr Bundesminister wird jetzt sagen: das ist eh ausgesetzt!, aber in Wirklichkeit ist die Botschaft angekommen: die Schulden werden nie zu zahlen sein und es gibt keine Gegenleistung. Wir waren dagegen.
Jetzt kann man sagen: Es sind nur 1,2 Milliarden Euro, das können sie ja eh nicht zahlen und so weiter. Wenn man sich aber vergegenwärtigt, dass sich im Mai 2021 in Paris die internationalen Finanzorganisationen und die Industrieländer beim Gesamtschuldenstand des Sudan von 50 Milliarden Euro auf Umschuldung und auf ein bisschen mehr als 10 Milliarden Euro Schuldenerlass geeinigt haben, liegt Österreich mit 1,2 Milliarden Euro schon relativ gut. Da sind wir bei über 10 Prozent der Schulden. Alle anderen – die USA und wie sie alle heißen, die größeren Nationen – haben im Verhältnis nicht auf so viel verzichtet wie wir. Da sind wir Vorreiter.
Wir haben schon damals gesagt: Sie investieren damit Geld in eine islamistische Militärdiktatur und senden die falschen Botschaften. Damals herrschte noch kein Bürgerkrieg. Bei der großen Afrikakonferenz wurde uns gesagt: Man will dem Sudan wirtschaftliche Spielräume verschaffen, und Österreich hilft mit, damit das Land sich verstärkt demokratisiert. Das Ergebnis war: Man hat durch Umschuldungen und Schuldenerlässe – in deren Köpfen ist es schon drinnen, dass die Schulden schon erlassen sind, und bei uns ist es immer noch Gesetz, Budgetgesetz; das darf man nicht vergessen, das ist trotz unserer Forderung noch immer nicht zurückgenommen worden – ausreichend Spielräume bekommen.
Diese wirtschaftlichen Spielräume hat man offensichtlich dazu verwendet, Waffen zu kaufen. Jetzt führen sie einen Krieg mit Waffen, und die müssen ja irgendwo gekauft worden sein. Ich nehme nicht an, dass sie sich die Waffen und die Munition selber gebaut haben, sondern das wird schon auch von denselben Industrienationen, die Schulden erlassen und Umschuldungsspielräume schaffen, mitverschuldet sein, also auch von Österreich.
Da sind Sie falsch gelegen, und ich habe es Ihnen schon geweissagt: Sie helfen damit nicht dem Sudan – noch dazu, wie immer, ohne Gegenleistung –, sondern Sie schaffen Spielräume für bewaffnete Auseinandersetzungen. Unsere Vorhersage ist jedenfalls eingetreten. Ihre, dass es zur Demokratisierung und zum dauerhaften Frieden beiträgt, ist nicht eingetreten. Nur so viel zum außenpolitischen Verständnis. Ihre Initiative ist, das sehe ich, gescheitert, und ich vermisse mutiges Vorgehen sowohl gegenüber Tunesien als auch gegenüber dem Sudan.
Bleiben wir noch beim Sudan: Was wäre zum Beispiel ein mutiges Vorgehen gewesen, das wir mitgetragen hätten? – Wenn Sie schreiben, dass es darum geht, nicht nur die Notlage im Sudan, sondern auch jene in den Nachbarländern zu mindern, dann weiß ich als gelernter Österreicher, was das heißt, nämlich die Flüchtlingssituation in den Nachbarländern zu finanzieren. Nicht im Antrag steht – um ein Beispiel zu nennen und es klar zu sagen –, dass der Sudan sieben Nachbarländer hat: Ägypten, Libyen, Tschad, Zentralafrikanische Republik, Südsudan, Äthiopien und Eritrea. Das heißt, man will dort die Not lindern, die aufgrund dieser Auseinandersetzung herrscht, und zwar wieder ohne Gegenleistung. Ich hätte mir zumindest vorgestellt, dass wir sagen: Der Herr Bundesminister wird sich bei der EU und auch bei den Nachbarländern persönlich dafür einsetzen, dass es, wenn wir dort helfen, die Not zu lindern, zu Rücknahmeabkommen von Verbrechern aus diesen Ländern, die bei uns in Österreich sind, kommen muss, sonst gibt es keine Hilfe. Das ist unser Standpunkt.
Es ist ja nur eines von vielen Beispielen, wie sich Außenpolitik von der jetzigen Realität unterscheiden könnte, und ich glaube, dass wir da richtig liegen. Mit allen Prognosen in den letzten Jahren lagen wir in diesen Bereichen richtig. Sie sagen uns nicht, was sich hinter der Bewältigung der „sozioökonomischen Herausforderungen“, die man unterstützen möchte, verbirgt, und solange Sie mit uns nicht Klartext reden und uns sagen, was es am Ende kosten wird, was wir als Mindestgegenleistung bekommen – und das sind nun einmal auch Rücknahmeübereinkommen –, werden Sie in uns keine Partner finden, schon gar nicht wenn es um eine islamistische Militärdiktatur geht. Es ist vollkommen wurscht: Der frühere Staatschef war ein vom Internationalen Strafgerichtshof ausgeschriebener Verbrecher, der durch die Welt gereist ist – alle anerkennen das –, unter anderem war er in Südafrika, und er ist nie inhaftiert worden.
Dann wurde er geputscht, und der Putschist, der Oberputschist, ein islamistischer Militärdiktator, der Armeechef und sein Vizearmeechef übernehmen die Macht in dem Land, und jetzt haben sie sich zerstritten.
Wir wissen, dass es dort nicht nur einen ethnischen Konflikt, sondern auch sonstige Konflikte gibt. Dort vor Ort trägt sich – wiederum – ein handfester, veritabler Bürgerkrieg zu. Man versucht schon seit x Jahren, diesen mit solchen Anträgen zu lösen, ohne dass etwas passiert. Wir stopfen aber weiter Geld hinein und wissen ganz genau, dass dort ganz einfach andere Parteien dahinter stehen: Auf der einen Seite kämpfen stellvertretend die Wagner-Söldnertruppe und die Russische Föderation gemeinsam mit dem Iran – ja, die sind dort involviert, nämlich beim Vize, also nicht beim RSF, sondern bei den anderen; Sie wissen es, Herr Kollege Brandstätter –, das ist die eine Seite, und bei der anderen Seite mischen Ägypten, Libyen und andere mit.
Ich glaube, dass alle Nachbarländer, die dort involviert sind, zu dem Konflikt beitragen und dass wir, ohne dass wir denen auch aufzeigen, wo die Grenzen unserer Unterstützung sind und was sie dafür tun müssen, keine Unterstützung mehr leisten und schon gar nicht österreichisches Steuergeld dort verschwenden sollten. (Beifall bei der FPÖ.)
19.01
Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic zu Wort. – Bitte.