19.26

Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS): Ja, es geht um Afrika, dieses große Land, wie einige ÖVP-Politiker:innen ganz gerne attestieren. Alle Welt entdeckt ja gerade Afrika und lenkt den Fokus des geopolitischen Handelns dorthin.

Die USA haben beispielsweise jetzt eine Leader-Partnerschaft ins Leben gerufen, und das war auch dringend notwendig, nachdem der vorherige Präsident Trump afrikanische Staaten ja noch als „shithole countries“ diffamiert hat. Das ist nicht wahnsinnig gut für die Beziehungen.

Gleichzeitig haben wir auf der anderen Seite China, das sich auch deutlicher als je zuvor positioniert: China will Energie, China will Rohstoffe, China will Märkte.

Ein weiterer Player am Spielfeld ist Russland, in wirtschaftlichen Belangen ein Zwerg, aber bei militärischen Auseinandersetzungen von großer Bedeu­tung als Waffenlieferant. Nicht zuletzt sorgte auch die Wagner-Gruppe in vielen Ländern ordentlich für Unruhe und spielt sich aber zugleich als Garant für Regierungen auf.

Dann haben wir die Europäische Union. Diese ist mit dem Global Gateway auch als Kooperationspartner vieler afrikanischer Staaten unterwegs. Der Global Gateway sieht ja umfangreiche Investitionen in Infrastrukturentwicklungen vor.

Ja, und dann hätten wir Österreich, und darum geht es ja heute auch ein bisschen. Der Bundeskanzler hat ja kürzlich Afrika, afrikanische Länder, bereist. Allerdings hat da meiner Meinung nach ein bisschen der strategische Fokus gefehlt. Die Reise hat ihn weder in Fokusländer der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit geführt, beispielsweise Uganda, noch in Hoffnungsländer wie Botswana, auch nicht in große Volkswirtschaften wie Nigeria.

Da frage ich mich schon, was aus dieser Reisetätigkeit für die heute auch schon mehrfach angesprochene Afrikastrategie abzulesen ist – eine Afrikastrate­gie, auf die wir ja schon sehr, sehr lange warten. Wenn es stimmt, dass gut Ding Weile braucht, dann dürfen wir Außergewöhnliches mit Spannung erwarten, und ich möchte dieses Warten noch mit zwei, drei Gedanken füllen, nämlich auch der Frage: Was muss denn für eine neue Afrikastrategie berück­sichtigt werden?

Einige Vorredner haben immer noch diesen alten Blick auf afrikanische Staaten durchklingen lassen: Das sind arme Hascherl, denen man helfen muss. – Nein, das stimmt nicht mehr. Afrikanische Staaten haben ein neues Selbstbe­wusstsein entwickelt, sie sind auch von ihrer eigenen Stärke überzeugt. Sie können sich aussuchen, mit wem sie ihre Industrialisierung, ihre Landwirt­schaft, ihre Digitalisierung, auch den Wandel hin zu grüner Energie voranbringen wollen. Es brummt auf diesem Kontinent; ja, nicht in allen Ländern – wir haben es heute gehört: Tunesien, Sudan, große Themen –, aber in den meisten Ländern ist ein absoluter Aufbruch zu spüren, die Bereitschaft, sich auch weniger abhängig zu machen. Urbane Zentren strahlen aus, in einigen Jahren wird die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung in Städten leben. Die Produktivität steigt. Die Einkommen, zumindest der Angestellten, steigen, lokale Unternehmen investieren, Märkte werden größer. Es geht um Produktion, es geht um Arbeit, es geht um Wertschöpfung und nicht mehr, wie viele externe Akteure glauben, um Finanzen und fossile Rohstoffe.

China hat das seit Langem erkannt und kann auch deshalb jetzt die Früchte dieser Kooperation ernten. Wir müssen diese Entwicklungen verste­hen, wir müssen sie antizipieren, wir müssen wissen, wohin Afrikas Reise geht. Das sind Anknüpfungspunkte für eine Afrikastrategie.

Noch bewegt sich die Afrikapolitik ja leider meistens auf sehr ausgetretenen Pfaden. Die Grundannahme ist immer: Afrikanische Gesellschaften benötigen Unterstützung von außen, weil wir wissen, wie es geht. Das sehen Afrikanerinnen und Afrikaner anders. Sie wollen kooperieren, aber sie wollen nicht länger Empfänger von Finanzen und guten Ratschlägen sein.

Was wollen afrikanische Gesellschaften? Sie wollen industrielle Investitionen. Sie wollen Kooperationen – mit europäischen Universitäten beispielsweise. Sie wollen mit uns zusammenarbeiten, beispielsweise wenn es um den Kampf gegen die Klimakrise oder um eine Energiewende geht.

Das muss in eine neue Afrikastrategie aufgenommen werden, und ich hoffe, Herr Bundesminister, dass sie bald das Licht der Welt erblickt. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS.)

19.31

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Alexander Melchior. – Bitte.