11.29

Mitglied des Europäischen Parlaments Thomas Waitz (Grüne): Herr Präsident! Madam President, welcome to the Austrian Parliament! Geschätzte Bun­desregierung! Herr Vizekanzler! Frau Ministerin! Herr Außenminister! Es ist der Zusammenhalt innerhalb der Europäischen Union, der uns stark macht, und nicht das Polarisieren und das Auseinanderdividieren. Es ist das gemeinsame An-einem-Strang-Ziehen, mit dem wir auch unsere nationalen Interessen vertreten – nicht faktenwidrige Behauptungen und das Aufhetzen von Menschen gegeneinander mit genau diesen faktenwidrigen Argumenten. (Abg. Kassegger: Kannst du jetzt außer beschimpfen auch noch was?) Das ist das, was die Europäische Union in ihrem Zusammenhalt und in ihrer Handlungsfähigkeit schwächt, in ihrer Handlungsfähigkeit, jene Werte zu erhalten, welche, wie ich doch denke, alle Abgeordneten zum österreichischen Nationalrat hier verteidigen und zu verteidigen haben – Werte von Demokratie, Freiheit und Menschenrechten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Diese Werte zu verteidigen in einer Welt, die sich zunehmend in Richtung autoritärer Regime entwickelt, das mag Ihnen vielleicht gefallen, aber es wird nicht die Interessen der Europäerinnen und Europäer am internationalen Parkett verteidigen, sondern ganz genau umgekehrt. (Abg. Kickl: Setzen Sie sich einmal mit dieser Kommission auseinander!)

Ja, es ist der Zusammenhalt, den wir brauchen, um die Transformation unserer Wirtschaft und die Transformation unserer Arbeits- und Lebensweise zu einer umwelt- und klimafreundlichen Arbeits- und Lebensweise hinzubekommen. (Abg. Kassegger: Sie wollen unsere Lebensweise transformieren!) Denn: Ganz egal, ob es einem politisch gefällt oder nicht, es gibt wissenschaftliche Tatsachen wie die Klimakrise, die Klimaerwärmung – diese ist eine wissenschaftliche Tatsache. Die Beweise sind derartig erdrückend, dass nicht einmal mehr die FPÖ das leugnet. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Um diese Transformation hinzubekommen, um dem schlimmsten Artensterben der Erdgeschichte und der massiven Klimakrise, die es vielen Menschen erschweren wird und heute schon erschwert, auf diesem Planeten zu leben, entgegenzutreten, brauchen wir Zusammenhalt. Es braucht gemeinsames Vorgehen, und das ist das zentrale Prinzip der Europäischen Union, für das wir hier stehen. (Beifall bei den Grünen.)

Ja, ich unterstütze auch jene Redner:innen, die den Zusammenhalt in sozialen Fragen eingefordert haben, den Zusammenhalt, um Armut zu bekämpfen, um Armutsgefährdung anzusprechen und um dafür Sorge zu tragen, dass die Veränderungen, die wir in der Europäischen Union vornehmen müssen, derart gestaltet sind, dass wir alle Menschen auf die Reise mitnehmen können und niemanden zurücklassen (Beifall der Abg. Kucharowits), ganz besonders nicht jene Menschen, die sich am allerschwersten tun, am Ende des Monats mit ihrem Geld noch auszukommen. Dafür braucht es gemeinsames Vorgehen und gemeinsame Strategien. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Feichtinger und Kucharowits.)

Zusammenhalt bedeutet aber auch, die Leistungen innerhalb der Europäischen Union und unserer Mitgliedstaaten anzuerkennen und auf diesem Prinzip auch Entscheidungen zu treffen. Wenn Länder wie Bulgarien und Rumänien seit 2011 alle Kriterien für einen Beitritt zum Schengenraum erfüllen – alle Kriterien! (Abg. Meinl-Reisinger: Ihr seids in der Regierung!) – und es nicht der Wahrheit entspricht, dass Migrationsströme, wie Sie das bezeichnen, durch diese Länder in Richtung Europäische Union oder Zentrum oder Österreich unterwegs sind – es ist faktenwidrig –, sind diese Länder aufgrund ihrer Leistungen auch in den Schen­gen­raum aufzunehmen. Wenn wir uns auf europäischer Ebene faktenwidrig gegen den Zusammenhalt stellen, dann unterminieren wir auch den Einfluss, den wir auf die Entscheidungsprozesse in der Europäischen Union haben. (Abg. Meinl-Reisinger: Wäre aber super, wenn die Grünen in der Regierung wären, oder? – Abg. Kassegger: Was ist die Grundbedingung für den Schengenraum? Gesicherte Außengrenzen!) Um unsere auch nationalen Interessen durchzusetzen, brauchen wir Bündnisse mit anderen Ländern in der Europäischen Union, und um übrigens auch unsere Wirtschaftsleistung aufrechtzuerhalten, brauchen wir Arbeitskräfte aus diesen Regionen. (Beifall bei Grünen und NEOS.) Wir brauchen Pflegekräfte, wir brauchen Mitarbeiter:innen in der Gastronomie. Wir brauchen die Hilfe dieser Länder und die Arbeitskräfte dieser Länder, aber diese verschrecken wir mit solchen Vorgangsweisen oder auch mit einer Rhetorik, wie Sie sie hier an den Tag legen – das ist auch eine wirtschaftspolitische Frage. (Beifall bei den Grünen.)

Wir brauchen Zusammenhalt, wenn es darum geht, jene Länder, die zu Europa gehören, die seit einem Jahrzehnt und länger den Beitritt in die Europäische Union anstreben, nämlich unsere Nachbarländer auf dem Balkan, aufzunehmen, im Prozess in Richtung Aufnahme in die Europäische Union zu unterstützen. Auch dazu braucht es Zusammenhalt. Es ist unsere unmittelbare Nachbarschaft und auch in unserem ureigensten österreichischen Interesse, diese Länder mit an den Tisch der Europäischen Union zu bekommen. (Beifall bei den Grünen.)

Let me change to English for my last sentence – this goes towards Roberta Metsola –: Madam President, thank you for showing respect to the Austrian Parliament by visiting today, holding a speech and discussing with us. This is a sign of respect from your side. It is also a sign of respect that nearly all members of the Austrian Parliament were present when you held your speech.

When it comes to decision making, when it comes to the participation of the national parliaments – for example as in the co-decision procedure needed for a controversial trade agreement like Mercosur –: The decision-making power of the national parliaments needs to be taken into account, please also ensure in your role as President of the European Parliament that the principle of the co-decision processes is kept alive and that the national parliaments are not circumvented by splitting this agreement, because this could undermine trust, solidarity, respect (Abg. Kassegger: Es gibt eh eine Übersetzung, Herr Kollege, das könntest auf Deutsch auch sagen!) and the will to contribute to the common decision making of this house. – Please let me give you this message.

Ich danke Ihnen herzlichst für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Martin Graf: Um den Zusammenhalt zu stärken, brauchen wir ein bissel mehr Waffen!)

11.35

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Als Letzter zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Scherak. – Bitte sehr.