Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Rekord­teuerung für unsere Leute, Rekordgewinne für Konzerne und Sommer­urlaub für die Regierung. Schluss damit!“ (3540/A)(E)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir kommen nun zur Dringlichen Behand­lung des Selbständigen Antrages 3540/A(E).

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Die österreichische Bundesregierung weigert sich seit zwei Jahren mit Marktein­griffen die Preise zu senken und hält an ihrer gescheiterten Politik der Einmal­zahlungen und des Nichtstuns immer noch fest. Die nüchterne Bilanz in Zahlen ist eindeutig:

-          Österreich ist seit sieben Monaten das Land mit der höchsten Inflationsrate in Westeuropa.

-          Österreich ist das Land mit der drittschlechtesten Performance im Bereich der Wirtschaftsentwicklung in der gesamten Eurozone.

-          Ein Drittel der Menschen in Österreich beklagt Einkommensverluste.

-          Jede:r Vierte kann sich das Wohnen kaum noch leisten.

-          760.000 Menschen sind nicht in der Lage, ihre Wohnungen im Winter warmzu­halten.

-          Für 30% geht sich der jährliche Urlaub nicht mehr aus.

-          500 € pro Monat gibt man in Österreich mittlerweile im Schnitt für den Lebensmi­ttel­einkauf aus. Das sind um rund 1.000 € mehr pro Jahr als im Nachbarland Deutschland.

-          Die Mieten sind in den letzten zwei Jahren um bis zu 25% gestiegen.

-          Die Zinsen am Sparbuch steigen nicht, die Zinsen für Kontoüberziehungen und Kredite steigen exorbitant.

-          Die Menschen müssen um ihre Häuser bangen, die Banken schreiben Rekordgewinne.

Insgesamt zeigt sich ein Bild: Trotz eines evidenten Marktversagens an immer mehr Stellen, weigert sich die Regierung, diesem Marktversagen mit Markteingriffen zu begegnen. Dabei haben andere Länder vorgezeigt, wie es gehen könnte. Mit großem Erfolg: In der Schweiz sind Energiepreise für Haushalte reguliert und orientieren sich an den Gestehungskosten, in Österreich schreiben die Energiekonzerne auf Kosten unserer Leute Rekordgewinne. In Frankreich wurden die Mieten gedeckelt, in Österreich verdienen sich Zinshausmillionäre am Leid der Mieterinnen und Mieter eine goldene Nase. In Deutschland hat man die Mehrwertsteuer auf Gas gesenkt und gleichzeitig einen Energiepreisdeckel eingeführt, in anderen Ländern wurde die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel gesenkt oder gänzlich gestrichen.

Alle genannten Beispielländer eint eines: Sie haben eine deutlich niedrigere Inflationsrate als Österreich. Denn in Österreich ist von alledem nichts passiert. Die Auswirkungen für Land, Leute und Wirtschaftsstandort sind verheerend, werden uns im gesamten Ausmaß aber erst noch voll treffen. Erste Alarmsignale dazu finden sich im aktuellen Wifo-Konjunkturbericht. Er bescheinigt Österreich bereits eine Rezession. „Das Schrumpfen der Wirtschaft dürfte daher anhalten“, liest man dort.

Kurzum: Wir befinden uns in einer Katastrophenspirale. Die falsche Politik der Regie­rung senkte die Preise nicht, im Ergebnis gibt es die höchste Inflation in Westeuropa. Diese hohe Inflation erhöht wiederum zahlreiche Preise, die an den VPI gekoppelt sind. Diese steigen und erhöhen damit wiederum die Inflation. Die österreichische Wirtschaft erleidet einen Wettbewerbsnachteil, die realen Einzel­handelsumsätze schrumpfen, weil die Menschen ihr Geld nur noch für Essen, Wohnen und Energie ausgeben können. Dadurch gibt es bereits eine kleine Konkurswelle im Einzelhandel, die sich ausweiten könnte. All dies führt dazu, dass Österreichs Wirtschaft schrumpft. Die Regierung allerdings hält weiterhin an ihrer falschen Politik fest und treibt damit die fatale Abwärtsspirale noch an.

Aus dieser Spirale muss Österreich so rasch wie möglich herauskommen. Wenn der Markt versagt, muss man eingreifen. Entweder funktioniert der Wettbewerb oder eben nicht. Das gilt für die Lebensmittelpreise, für die Wohnkosten, für den Energie­markt und ganz besonders auch für die unfaire Zinspolitik der Banken. Ein Markt­versagen kann kaum offensichtlicher sein, als es die aktuelle Zinssituation bei Österreichs Banken offenbart.

Aufgrund des gestiegenen EZB-Leitzinses haben Banken bei variablen Krediten in letzter Zeit ihre Zinseinnahmen vervielfachen können. Während die Zinsen für Kredite – von Wohnbau- bis zu Investitionskrediten – rasch angehoben wurden, haben sich trotz des gestiegenen EZB-Leitzinses die Einlagenzinsen für Sparer:innen im Gegensatz dazu kaum bewegt. Würde der Wettbewerb funktionieren, würden sich die heimischen Banken in Konkurrenz zueinander durch höhere Zinsen auf Sparguthaben etc. um Kund:innen bemühen. Das kann man etwa in Deutschland erkennen. Dort kommt es ohne Eingriffe durch die Politik zu deutlich besseren Konditionen für die Kund:innen. Die Mehrheit der deutschen Banken bietet über 3% auf Spareinlagen. In Österreich liegen diese weit darunter. Hierzulande ist der sogenannte Zinsüberschuss der Banken aus den Fugen geraten. Wettbewerb, Angebot und Nachfrage führen nicht, jedenfalls nicht mehr, zu einem angemessenen Verhältnis. Die Zahlen belegen dies auch eindeutig: Im Vorjahr verzeichnete der heimische Bankensektor bereits Rekordgewinne iHv 10,2 Milliarden €. Trotzdem steht heuer ein neuerliches Rekord­jahr bevor. Die Bank Austria (also nur der Österreich-Teil der UniCredit) etwa hat im ersten Halbjahr 2023 ihren Gewinn im Vergleich zum Vorjahr bereits noch einmal verdoppelt.

Dass staatliche Eingriffe im Angesicht von Marktversagen nichts Böses sind, beweist ein Blick in andere - unisono nicht sozialdemokratisch geführte - Länder: In Großbritannien etwa droht die Regierung den Banken bei zu hohen Kredit- bzw. Überziehungszinsen mit der Aufsicht, und in Frankreich gibt es vorgegebene Mindestzinsen auf Sparguthaben.

Kurz: Entweder funktioniert der marktwirtschaftliche Wettbewerb, oder die Regierung gebietet dem Marktversagen Einhalt. Das Problem in Österreich lautet: Es gibt weder das Eine, noch das Andere. Weder einen funktionierenden Wettbewerb, noch eine Regierung, die beruflich Politik betreibt und daher einschreitet. So können wir in Österreich nicht mehr weitermachen.

Statt all dies zum Anlass zu nehmen, Lehren aus dem eigenen Versagen zu ziehen, verabschiedete sich die Österreichische Bundesregierung in den Sommerurlaub. Während die SPÖ durcharbeiten wollte, um endlich die Teuerung zu bekämpfen, stimmte die Schwarz/Grüne-Regierungsmehrheit sämtliche dieser Bestrebungen nieder. Bestenfalls „beglückt“ die Regierung die Bevölkerung seither mit verzichtbaren Sommerlochdebatten, gipfelnd in einer absurden Debatte darüber, was aus Sicht der ÖVP normal ist, oder eben nicht.

Für die SPÖ ist klar:

Wenn Österreich seit 7 Monaten die höchste Inflationsrate in Westeuropa hat, dann ist das nicht normal.

Wenn Österreich zu den Ländern mit der schlechtesten Wachstumsperformance zählt, dann ist das nicht normal.

Wenn man in Österreich für den Lebensmitteleinkauf um rund 1.000 Euro pro Jahr mehr bezahlt als in Deutschland, dann ist das nicht normal.

Wenn die österreichische Bundesregierung Mieterhöhungen am laufenden Band zulässt, obwohl sie dafür zuständig wäre dies zu verhindern, dann ist das nicht normal.

Wenn Banken in Österreich nach einem Rekordgewinn im Vorjahr von 10,2 Milliarden Euro den Gewinn heuer noch einmal signifikant erhöhen – und zwar auf Kosten aller Sparer:innen, Kreditnehmer:innen und Kontoinhaber:innen mit überzogenem Konto, die sich ihr Leben ohnehin kaum noch leisten können – dann ist das nicht normal.

Wenn der Markt nicht funktioniert, müssen wir eingreifen und die Dinge wieder geraderücken. Die Zeit des Zuschauens und Nichtstuns der österreichischen Bundesregierung muss endlich enden.

Es ist Zeit für eine Politikwende. Wir brauchen eine Politik im Dienste der Menschen, eine Politik die eingreift statt nur zuzuschauen. Die SPÖ fordert daher die Wiederherstellung eines guten, leistbaren Lebens für alle Menschen in Österreich durch sofortige und entschlossene staatliche Interventionen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, ihren Sommerurlaub zu beenden und dem Nationalrat ein umfassendes Inflationsdämpfungsgesetz vorzulegen, das zumindest folgende Sofortmaßnahmen umfasst:

1.         Einfrieren aller Mieten bis Ende 2025. Danach Begrenzung des Mietanstiegs mit dem EZB-Leitzinssatz, maximal aber 2 % pro Jahr.

2.         Sofortiges temporäres Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs.

3.         Einsetzung einer schlagkräftigen Anti-Teuerungskommission, die u.a. sicherstellt, dass milliardenschwere Hilfszahlungen an Unternehmen in Form von sinkenden Preisen an die Menschen weitergegeben werden. Bei Nicht-Weitergabe von Hilfen bzw. von allen Mehrwertsteuersenkungen in Form von sinkenden Preisen soll es harte Sanktio­nen bis hin zur Rückzahlung der Energiehilfen geben.

4.         Eine entschlossene Regulierung des Energiemarkts, sodass Energiekonzerne keine Übergewinne machen, sondern die Energiepreise sich an den Produktionskosten orientieren.

5.         Ein Zinsregulierungsgesetz, das für bestimmte Grundbeträge einen Mindestzinssatz für Spareinlagen (angelehnt an Frankreich) und einen Höchstzinssatz für Wohn- und Überziehungskredite festlegt.

6.         Die Einführung einer befristeten zielgerichteten Übergewinnbesteuerung für all jene Konzerne, die sich aufgrund der aktuellen Teuerung zu Lasten der Menschen in Österreich bereichern.“

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag gem. § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 2 GOG dringlich zu behandeln.

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf den Herrn Bundeskanzler und die Mitglieder der Bundesregierung recht herzlich begrüßen. Ich darf dem Abge­ordneten Krainer als Antragsteller zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort erteilen. Gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf die Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten.

Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. – Bitte sehr.