12.01.53

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor ziemlich genau zwei Jahren hat die SPÖ als erste Partei in diesem Haus darauf hingewiesen, dass eine Lawine der Inflation auf uns zurollt. (Abg. Michael Hammer: Unter welcher Führung damals? –  Abg. Meinl-Reisinger: Das stimmt doch nicht!) Es war im September  das stimmt! (Abg. Meinl-Reisinger: Nein, das stimmt nicht! Das haben wir schon gesagt, dass ihr Geld rausschüttet!) –, also vor 23 Monaten, und wir haben darauf hingewiesen, dass vor allem im Bereich Energiekosten eine Lawine auf uns zurollt, mit allen Folge­erscheinungen. (Abg. Meinl-Reisinger: Das stimmt ja auch nicht!)

Wir sind damals verhöhnt worden, verlacht worden als Inflationshysteriker. (Zwischenruf des Abg. Wurm.) In der Zwischenzeit ist es leider Realität geworden, und das deswegen, weil die Bundesregierung nichts dagegen getan hat, dass die Preise in Österreich steigen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir uns jetzt nach diesen zwei Jahren die Bilanz ansehen, erkennen wir, dass Österreich bereits das siebente Monat in Folge die höchste Inflation in Westeuropa hat. Wir haben das drittniedrigste Wirtschaftswachstum in Europa. Wir gehören nicht zu den Besten – nein, wir sind die Schlechtesten in Westeuropa! Die Guten haben die Inflation wieder unter 2 Prozent gebracht, wir sind noch immer bei 7 Prozent und hoffen, dass sie nächstes Jahr auf unter 5 Prozent sinken wird. Das ist die Bilanz von zwei Jahren Bundesregierung von ÖVP und Grünen, und das ist eine vernichtende Bilanz! (Beifall bei der SPÖ.)

Schauen wir uns doch einfach an, was diese Regierung nicht getan hat, obwohl die Vorschläge der SPÖ auf dem Tisch gelegen sind. Zum Beispiel im Energiebereich: Wir haben damals gesagt, wir sollten die Art und Weise, wie die Preise für Strom in Österreich berechnet werden, umstellen, vom Meritorderprinzip zurück zu einem altbewährten System, das es in Österreich 45 Jahre gegeben hat, nämlich dem Erzeugerkostenprinzip. Das heißt, jeder Stromerzeuger reicht bei einem Regulator seine Kosten ein und bekommt einen kleinen Aufschlag. Das hätte dazu geführt, dass die Strompreise in Österreich gesunken wären.

Was ist passiert? – Die Regierung hat nichts getan, die Strompreise haben sich verdoppelt, teilweise sogar bis zu verfünffacht, und die Rechnung haben die Menschen, die in Österreich leben, und die Betriebe, die in Österreich ansässig sind, bezahlt, obwohl es einen Vorschlag gab, mit dem die Strompreise in Österreich gesunken wären. Danke für gar nichts, liebe Bundesregierung! (Beifall bei der SPÖ.)

Dann haben wir als SPÖ darauf hingewiesen, dass die Stromerzeuger Milliarden­profite machen werden, Milliarden an Übergewinnen. Was hat die Regierung gemacht? – Sie hat gesagt: Das ist der Markt, das ist in Ordnung. Monatelang hat sie sich geweigert, etwas zu tun. Nach vielen Monaten hat sie gesagt: Na gut, jetzt werden wir die Übergewinne besteuern. – Das Modell für die Übergewinn­besteuerung der SPÖ hätte zu gut 5 bis 6 Milliarden Euro an Steuereinnahmen geführt, aber die Bundesregierung hat sich für ein abgespecktes Modell entschie­den und behauptet, ihr Modell würde 3 bis 4 Milliarden Euro bringen. (Abg. Herr: Wahnsinn!)

Wie viel hat die Übergewinnsteuer der Regierung im ersten Jahr gebracht? – 90 Millionen Euro! Nicht 3 bis 4 Milliarden – 90 Millionen Euro! Die Gewinne sind bereits weg, die sind ja schon ausgeschüttet an die Aktionäre und versteckt in den Bilanzen der Stromkonzerne. Danke für gar nichts, liebe ÖVP, liebe Bundesregierung! (Beifall bei der SPÖ.)

Schauen wir uns den Bereich Mieten an! Wir haben bereits vor gut eineinhalb Jahren darauf hingewiesen, dass die Mieten jetzt massiv steigen werden, obwohl die Kosten für die Vermieter nicht derartig steigen. Wir haben verlangt, dass die Mieten für drei Jahre eingefroren werden und erst dann um maximal 2 Prozent erhöht werden dürfen. Das ist unser Modell. Was ist passiert? Die Bundesregierung hat gar nichts gemacht. Die Mieten sind gestiegen: zwischen 15 und 25 Prozent. Bis zu 25 Prozent zahlt man jetzt in Österreich mehr Miete als vor eineinhalb Jahren. Das hat die Bundesregierung gemacht: nämlich nichts, und zugeschaut, angekündigt, sie werden es machen, abgesagt.

Heute haben sie wieder etwas angekündigt. Wir kennen die Details noch nicht, aber bei dem, was heute angekündigt wurde, haben von den circa vier Millionen Menschen, die in Österreich zur Miete wohnen, zwei Millionen gar nichts davon, weil sie sogenannte freie Mietverträge haben. Da gibt es nicht einmal den Versuch, einen Deckel draufzugeben.

Für zwei Millionen Mieter, nämlich die im Genossenschaftsbereich, könnte das wirklich eine Erhöhung um „nur“ – unter Anführungszeichen – 5 Prozent bedeuten statt einer höheren, und für die anderen zwei Millionen ist vollkom­men unklar, ob dieser Deckel irgendeine Wirkung hat, weil man davon ausgeht, dass die Inflation und die Mieten nächstes Jahr aufgrund der jetzigen Gesetzeslage nur um 4 bis maximal 5 Prozent steigen werden. Und der Deckel ist wo? – Bei 5 Prozent pro Jahr.

Sie tun nichts dafür, dass die Mieten, die zwischen 15 und 25 Prozent gestiegen sind, auch nur um einen Euro billiger werden. Nein, Sie sagen, sie dürfen nach wie vor jedes Jahr um 5 Prozent steigen. (Abg. Steinacker: Faktencheck!) Das ist der sogenannte Mietpreisdeckel, den Sie hier fordern, und ich sage Ihnen: Das ist kein Mietpreisdeckel, das ist ein Schmähdeckel und nicht das, was sich die Österreicherinnen und Österreicher verdienen und erwartet haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Der nächste große Bereich, in dem die Inflation durch die Decke gegangen ist, sind die Lebensmittel. Der wöchentliche Einkauf, der früher 100 bis 110 Euro ausgemacht hat, macht heute 160 bis 170 Euro aus. Das ist das Geld, das die Österreicherinnen und Österreicher jede Woche mehr zahlen müssen als noch vor zwei Jahren.

Natürlich haben Einzelne, zum Beispiel Bäckereien, aufgrund der hohen Energiepreise, die sie nicht gedeckelt haben, ihre Preise zu Recht erhöht, aber wir wissen von der Wissenschaft, dass 60 bis 70 Prozent der Preiserhö­hungen, die es gegeben hat, auch im Lebensmittelbereich, profitgetrieben waren. Die haben nur die Gewinne erhöht, das hat nichts mit höheren Energiekosten oder Erzeugerkosten zu tun gehabt.

Das führt zu dieser absurden Situation, dass Produkte, die in Österreich produziert werden, in Österreich teurer sind als in Deutschland. Wenn Sie in der Steiermark eine Kiste Gösser-Bier kaufen (Ruf bei der ÖVP: Murauer!), dann zahlen Sie um 25 Prozent mehr (Abg. Wöginger: 13,80!) als für die gleiche Kiste Gösser in Deutschland. (Zwischenruf des Abg. Hörl. – Abg. Michael Hammer: Sagt einer, der noch nie eine Kiste gekauft hat!) Manner-Schnitten, die in Wien-Hernals erzeugt werden, sind um 25 Prozent teurer als die gleiche Packung Manner-Schnitten in Deutschland. (Abg. Michael Hammer: Braucht man Freunde zum Biertrinken!) Was macht die Regierung? – Gar nichts macht sie dagegen, sie schaut einfach nur zu.

Die Bundeswettbewerbsbehörde, die Behörde, die an und für sich dafür zuständig wäre, genau solche ungerechtfertigten Preiserhöhungen zu registrie­ren, hat seit eineinhalb Jahren keine Leitung. Aus rein parteipolitischen Gründen können sich die ÖVP und die Grünen nicht einigen. Die Bundeswettbe­werbsbehörde wird ja toll funktionieren, wenn sie nicht einmal eine Leitung hat!

Die Einzigen, die da wirklich für Transparenz sorgen, sind in der Arbeiterkammer, die für jedes Quartal die Preise erhebt. Deswegen haben wir ja auch einen Überblick über das, was da wirklich passiert ist: Die Preise der hochpreisigen Lebensmittel sind um 3 bis 5 Prozent gestiegen, aber die Preise der Diskontprodukte, der billigen Produkte, die vor allem jene kaufen müssen, die nicht so viel Geld haben, sind um 25 bis 30 Prozent gestiegen. Das wissen wir nur, weil es die Arbeiterkammer gibt und die Arbeiterkammer da wenigstens für Transparenz sorgt. Diese Regierung macht das nicht, sondern sie schaut nur zu. (Beifall bei der SPÖ.)

Unseren Vorschlag, die Bundeswettbewerbsbehörde wirklich einzusetzen, um zu schauen, dass es nicht zu ungerechtfertigten Preiserhöhungen kommt, die nur die Gewinne der Produzenten erhöhen, aber nichts mit den Erzeuger­kosten zu tun haben, haben Sie abgelehnt. Und unseren Vorschlag, die Preise zu senken, indem man die Umsatzsteuer für die Grundnahrungsmittel befristet streicht, wodurch diese mit einem Schlag um 10 Prozent billiger werden würden (Abg. Meinl-Reisinger: Und dann auch wieder mit einem Schlag teurer!), wenn die Bundeswettbehörde darauf achtet, den lehnten Sie x-fach ab, weil Sie nämlich nichts dafür tun, dass in Österreich die Preise sinken, sondern alles dafür tun, dass die Gewinne der Unternehmer steigen. Und das geht schon viel zu lange so. (Beifall bei der SPÖ.)

Was passiert im Bankenbereich? – Die Banken haben, das wissen wir ja, im letzten Jahr Rekordgewinne gehabt, die höchsten Gewinne der Zweiten Republik, über 10 Milliarden Euro! Das ist fast so viel Geld, wie wir in Österreich für die gesamte Kinder- und Jugendlichenbildung ausgeben, das ist also fast so viel Geld, wie wir für alle Schülerinnen, für alle Schüler, für alle Lehrerinnen, für alle Lehrer, für alle Schulgebäude im Jahr ausgeben. Das machten die Banken letztes Jahr, nur in einem einzigen Jahr an Gewinn!

Und was passiert heuer? – Aufgrund der Halbjahreswerte wissen wir, dass die Banken diesen Gewinn noch einmal verdoppeln werden – verdoppeln! Also: Jemand, der sich schon letztes Jahr eine goldene Nase verdient hat, verdoppelt seinen Gewinn heuer ein weiteres Mal. Und was macht die Bundesregierung? – Sie schaut zu, wie das passiert. Sie erklärt: Das ist ja nur der Markt. Was machen die Banken? – Die Banken erhöhen die Zinsen für die Kredite, aber sie sind auf der Sparerseite, auf der Seite der Einlagen nicht fair. Da zahlen sie nämlich nicht, also da erhöhen sie die Zinsen nicht.

Selbst jene Banken, die fair waren – es gibt ja auch Banken, die fair waren, die jetzt das ganze Jahr über immer, wenn es eine Erhöhung der Leitzinsen der Europäischen Zentralbank gegeben hat, die Sparzinsen auch erhöht haben; ich selber habe ein Sparbuch gesehen, an dem man sehen konnte, dass es einige Banken gibt, die fair waren –, was haben die jetzt zum Teil gemacht? – Die haben jetzt mit 1. August diese Fairness aufgekündigt, weil sie nicht die Blöden sein wollen, die kein Geld verdienen, und haben die Zinsen für die Sparerinnen und Sparer auf 0,01 Prozent gesenkt. Da ist also auch die Fairness abgeschafft worden. Ich kann Ihnen Sparbücher zeigen, an denen man sieht, dass die Fairness der Banken gegenüber ihren Kunden einfach abgeschafft wird.

Was macht Finanzminister Brunner? – Der schaut zu und freut sich, dass die Banken bei jenen, die die Kreditzinsen nicht mehr zahlen können, in Zukunft nicht mehr auch noch Mahnspesen verrechnen, die sie ohnehin nicht zahlen können, denn wenn jemand die Kreditrate nicht zahlen kann, dann kann er die Mahnspesen wohl auch nicht zahlen. Und das ist das großartige Ergebnis des Gipfels des Finanzministers mit den Banken. Das ist ungenügend! Ihre Politik führt dazu, dass die Banken ihre Gewinne im heurigen Jahr allein durch das Inlandsgeschäft verdoppeln. Die Halbjahreszahlen liegen vor. Die Gewinne verdoppeln sich, und die Regierung schaut zu. Da verdienen sich die Banken auf Kosten der Menschen in Österreich goldene Nasen, und die Regierung schaut zu und tut nichts dagegen.

Es muss ein Ende sein mit dieser Zuschaupolitik und mit dieser Showpolitik, mit der Sie da viel zu spät viel zu wenig machen (Beifall bei der SPÖ), und das aus mehreren Gründen: Erstens einmal wissen weite Teile der in Österreich leben­den Menschen nicht mehr, wie sie die Miete bezahlen sollen. Sie wissen nicht mehr, wie sie ihre Stromrechnung bezahlen sollen. Sie wissen nicht mehr, wie sie ihre Lebensmitteleinkäufe bezahlen sollen. Und viele wissen auch nicht mehr, wie sie die Kreditraten bezahlen sollen. Das ist für diese Menschen ein wahnsin­nig schwieriges Leben, und wir reden da nicht von 5 oder 10 Prozent. Mehr als ein Drittel hat massive Geldprobleme aufgrund der Teuerung. Mehr als ein Drittel der Menschen, die in Österreich leben, hat ganz massive Probleme. Sie wissen oft gar nicht mehr, wo sie sich noch einschränken sollen, um die Rechnungen bezahlen zu können.

Es geht aber drüber hinaus, denn auch die Betriebe haben ein Problem. Wenn die Inflation – und damit die Kosten für unsere Betriebe – jedes Jahr deutlich stärker steigt als in Deutschland oder in anderen Staaten der Europäischen Union, bedeutet das natürlich, dass die Betriebe an Wettbewerbsfähigkeit verlie­ren und sich wesentlich schwerer tun, ihre Produkte zu verkaufen. Und wir wissen alle, dass es nicht egal ist, ob unsere Industrie, unsere Handwerkbetriebe wettbewerbsfähig sind oder nicht. Weil Sie nicht gleich am Anfang in die Ener­giepreise eingegriffen haben, haben wir jetzt diese Kettenreaktion.

Was die ÖVP jetzt macht, ist besonders perfide. Wir wissen, dass jetzt Lohnverhandlungen stattfinden. Die Benchmark, die es seit 50, 60 Jahren in Österreich gibt, war immer die Inflation der letzten zwölf Monate, und die ist mit 9,7 Prozent berechnet. Das heißt: wenn die Löhne um 10 Prozent steigen, dann haben die Menschen nicht mehr Geld, sondern sie können sich gleich wenig leisten wie letztes Jahr oder wie dieses Jahr.

Die ÖVP arbeitet jetzt daran, dass man diese Benchmark von 9,7 Prozent durch einen anderen Indikator ersetzt, was dazu führen würde, dass die Löhne in Österreich nur um 5 Prozent steigen. (Abg. Strasser: Wer sagt das? Babler?) Das heißt, die Menschen in Österreich, die jetzt ohnehin Schwierigkeiten haben, die nicht wissen, wie sie ihre Miete bezahlen sollen, wie sie ihre Lebensmittel bezahlen sollen, wie sie ihre Stromrechnung bezahlen sollen oder wie sie ihre Kreditraten bezahlen sollen, sollen jetzt auch noch zahlen, indem ihnen die gerechte Lohnerhöhung weggenommen wird. (Abg. Wöginger: So ein Blödsinn! Schwachsinn!)

Der Finanzminister spricht ja immer schon von Lohnzurückhaltung, was das auch immer heißen mag, aber das ist das, was die ÖVP vorhat: politisch auch noch gerechte Lohnerhöhungen zu verhindern. Und ich sage Ihnen eines: Wir stehen zu 100 Prozent hinter den Gewerkschaften. (Abg. Wöginger: 100 Prozent Wahrheit, das wäre schon mal was!) Es kann nicht sein, dass die Menschen in Österreich, die ohnehin schon die hohen Rechnungen haben, durch die Untätig­keit dieser Bundesregierung auch noch um ihren gerechten Lohn gebracht werden. – Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ.)

12.18

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundeskanzler. – Bitte sehr.