11.05
Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Europastunde ist, daher zuerst einmal ein paar Fakten – nach der Vorrede besonders wichtig –: Seit Herbst 2021 wurden in den europäischen Staaten 657 Milliarden Euro an Unterstützungsmaßnahmen im Kampf gegen die Teuerung beschlossen – 657 Milliarden Euro, und zwar bis Jänner 2023; aktuellere Zahlen haben wir keine.
Das heißt, Maßnahmen, die teilweise auf Preisdämpfung, teilweise auf Einkommensstärkung gesetzt haben, wurden beschlossen; das war ein unterschiedlicher Mix. Die wesentliche Frage, die uns heute hier beschäftigt, ist ja: Wie haben die Pakete tatsächlich gewirkt und konnte in der schwersten Krise der Nachkriegszeit verhindert werden, dass es zu schweren sozialen Verwerfungen kommt? Und eine der zentralen Fragen ist insbesondere: Wie hat sich die Kaufkraft in dieser Krise entwickelt?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin sehr froh, dass unser Budgetdienst, der Budgetdienst des Parlaments, vor Kurzem in seiner gewohnt seriösen und differenzierten und auch sehr kritischen Form diese Studie (ein Schriftstück in die Höhe haltend) veröffentlicht hat, die einerseits darstellt, wie die Verteilungswirkung der Maßnahmenpakete tatsächlich war, aber andererseits auch einen europäischen Vergleich beinhaltet. Die Ergebnisse sind wahrscheinlich für einige von Ihnen sehr überraschend, widerlegen sie doch auch so manche der hier herinnen sehr gerne geäußerten Behauptungen.
Zum Beispiel lautet eine klassisch geäußerte Behauptung: Die Hilfen waren ja nur Einmalzahlungen! – Nein, stimmt nicht, völlig falsch. Wir haben es jetzt endgültig schwarz auf weiß: 70 Prozent der Unterstützungsmaßnahmen waren dauerhafte, nachhaltig strukturell wirkende Maßnahmen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Zweiter Punkt, sehr gerne hier behauptet: Die Maßnahmen wären alle verpufft, die Maßnahmen hätten nicht gewirkt, die Maßnahmen waren nur Gießkanne. – Nein, genauso falsch. Über alle Krisenjahre hindurch haben genau diese Maßnahmen insbesondere die untersten Einkommensgruppen besonders stark in Zeiten der Krise unterstützt, in all den Jahren der Krise haben die unteren 20 Prozent am stärksten profitiert. Auch das haben wir jetzt schwarz auf weiß. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Schroll.)
Zuletzt: Es wird auch sehr gerne behauptet, wie beispielsweise heute wieder, dass andere EU-Staaten wie Spanien, Frankreich, Deutschland die Inflation, ihre Folgen und die Teuerung überhaupt viel besser und wirksamer bekämpft hätten als Österreich, das komplett versagt hat. Jetzt ist die Frage: Stimmt das? (Abg. Leichtfried: Ja, es stimmt!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, schauen wir uns an, was der Budgetdienst des Parlaments sagt: Interessanterweise ist von 2019 bis 2022 die Kaufkraft in den 27 EU-Staaten um 2,1 Prozent gestiegen. Das heißt, insgesamt haben die Pakete gar nicht so schlecht gewirkt. Wie war denn das in den einzelnen Staaten? – In Österreich ist erstaunlicherweise die Kaufkraft um 2,4 Prozentpunkte gestiegen, das heißt über EU-Schnitt. (Heiterkeit des Abg. Leichtfried.) – Da lacht die SPÖ. Wenn ihr genauso wissenschaftsfeindlich seid wie die FPÖ, müsst ihr euch gefallen lassen, als Turbo für diese Partei bezeichnet zu werden, sorry. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Das ist unser Budgetdienst, das sind unsere Expert:innen, das sind unsere Wissenschafter:innen hier im Haus, die das erarbeitet haben. (Abg. Leichtfried: Wie man sich so auf die Seite der ÖVP schlagen kann, das ist ja richtig beschämend!)
Deutschland hat interessanterweise einen Realeinkommenszuwachs, einen Kaufkraftzuwachs von 1 Prozent, Frankreich, auch ein Beispiel, von 1 Prozent, Spanien hat einen Kaufkraftverlust von 4,9 Prozent. Das ist sehr interessant: Genau jene Staaten, die uns hier immer wieder als Vorbilder vorgeführt werden, schneiden interessanterweise deutlich schlechter ab als Österreich in der Bekämpfung der Folgen der Teuerung. Spanien ist sogar Schlusslicht. Spanien hat trotz einer erfolgreichen Inflationsbekämpfung eine geringere Kaufkraft als noch vor der Krise. Die Menschen dort können sich heute trotz niedrigerer Inflation weniger leisten als vor der Krise. (Abg. Herr: Die Kaufkraft ist hoch wegen der Kollektivvertragsverhandlungen!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht nicht darum, Spanien oder Frankreich zu kritisieren, nein, die dortigen Regierungen haben ihre Möglichkeiten genutzt und sicher auch das Beste getan, was sie meinten, in der Situation tun zu können. (Abg. Herr: Danke an die Gewerkschaften!) Nur, Entschuldigung, Vorbilder (Abg. Leichtfried: Warum seids dann gegen höhere Löhne in Österreich? Kannst du das erklären?) für Österreich sind Frankreich und Spanien nicht (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP – Abg. Leichtfried: Warum fordert die Regierung Zurückhaltung bei den Lohnabschlüssen in Österreich?), und besonders berauschend sind die Ergebnisse von Frankreich und Spanien auch nicht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir hier herinnen alles richtig gemacht? – Nein, natürlich nicht. (Abg. Matznetter: Man muss aber auch nicht alles falsch machen!) Sind Fehler passiert? – Ja, sicher. Können wir besser werden? – Ja, natürlich. Ganz daneben waren wir aber offensichtlich nicht (Abg. Herr: Der Gewerkschaft sei Dank!), wir befinden uns betreffend Sicherung der Kaufkraft im oberen Mittelfeld der Europäischen Union. Der Kampf gegen die Teuerung muss weitergehen, der Kampf gegen die Inflation wird weitergehen. Diese Regierung wird es machen! – Danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)
11.10
Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gerald Loacker. – Bitte.