22.26

Abgeordnete Mag. Meri Disoski (Grüne): Werte Kolleg:innen! Liebe Zuse­her:innen! Kollegin Ecker, „Gendern stiftet Verwirrung“, haben Sie gesagt – man soll nicht von sich selbst auf andere schließen! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von ÖVP und SPÖ.)

Ich gendere seit, ich glaube, 25 Jahren, und ich bin nicht verwirrt. Kollegin Ecker, we totally agree to disagree, aber so was von, wenn Sie beklagen, dass Gendern von tatsächlichen Problemen ablenken würde. Da entgegne ich Ihnen nämlich aus vollster Überzeugung: Menschen haben ein Recht darauf, in unserer Gesellschaft wahrgenommen zu werden, und das hat auch mit sprach­licher Sichtbarkeit zu tun! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Ecker.)

Ich sage Ihnen als studierte Linguistin sowie als Frauen- und Gleichstellungs­sprecherin meiner Partei: Ich freue mich total darüber, dass ich heute zu dieser späten Stunde die Gelegenheit bekomme, meine große Begeisterung, meinen Enthusiasmus für geschlechtergerechte Sprache und für inklusive Sprache mit Ihnen teilen zu können! (Abg. Amesbauer: Weil es eine woke Agenda ist! ... Gehirnwäsche! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Ich möchte nicht verheimlichen, sondern mit Ihnen teilen, dass diesbezüglich diesen Sommer Freud und Leid für mich sehr nahe beieinander gelegen sind. Beginnen wir beim Leid, da richte ich meinen Blick nach Niederösterreich, in das schwarz-blau regierte Niederösterreich. Sie erinnern sich, in diesem Bun­desland gibt es einen Landeshauptfraustellvertreter, Udo Landbauer heißt er, er wird gestellt von der FPÖ. Er hat nicht nur ein Problem mit geschlechter­gerechter Sprache, er hat auch ein so fragiles Ego, dass ihm sogar das Wort Frau in seiner Funktionsbezeichnung ein Dorn im Auge ist! (Ruf bei der SPÖ: Ein generelles Problem mit Frauen! – Ruf bei der FPÖ: Woher habt ihr denn das?!)

Mit dieser fragilen Männlichkeit im Rucksack rückt der Landeshauptfrau­stell­vertreter Udo Landbauer im Juni aus, um ein Genderverbot in Niederösterreichs Behörden zu implementieren. (Zwischenrufe bei der FPÖ. – Präsident Sobotka gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Das war das erste Projekt, das die FPÖ in Niederösterreich in ihrer Regierungsbeteiligung umgesetzt hat: die sprachliche Unsichtbarmachung von Frauen. (Abg. Martin Graf: Immer ganz schlimm, wenn man die eigene Propaganda ...!)

So viel zu „Genderei“, so viel zu „Genderwahn“ – davon sind Sie wirklich besessen, das ist auffällig, das zieht sich wie eine Linie durch Ihr Wirken, sowohl hier im Parlament als auch in den Bundesländern, in denen Sie leider mitregieren! (Abg. Amesbauer: Das werden wir auch auf Bundesebene machen!)

Was Sie machen, ist, dass Sie Frauen sprachlich unsichtbar machen, und sprachliche Unsichtbarmachung bedeutet auch, dass man die Anliegen jener Gruppen politisch unsichtbar macht, die man damit versteckt. Das zeigt ihr auch ganz deutlich mit eurer Politik, mit Herdprämien beispielsweise – zurück in die 1950er-Jahre, die lassen grüßen. Gut, dass ihr auf Bundesebene nichts zu sagen habt! (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Amesbauer: Wo gibt es eine Herdprämie?)

Ich will mich aber nicht mit eurem Rechtskonservativismus aufhalten, sondern ich will ein freudiges Ereignis mit euch teilen, Kollegin Schatz hat schon darauf hingewiesen: Gehen wir vom Juni einen Schritt weiter in den Juli, da hat die Justizministerin einen Gesetzentwurf vorgelegt, der erstmals in rein weiblicher Form geschrieben wurde. Ich habe das total spannend gefunden, mein Herz hat Freudensprünge gemacht – und plötzlich haben uns Politiker aller Couleur ausgerichtet, wie schlimm es sei, dass es da jetzt einen Gesetzentwurf gebe, der nur eine Form beinhalte, der nur eine Form tatsächlich schriftlich sichtbar mache! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Plötzlich wurde von der Liebe zu Doppel­nennungen gesprochen, die einige konservative Politiker für sich entdeckt haben; plötzlich hat es geheißen, der Gesetzentwurf wäre wertlose Symbol­politik. (Abg. Amesbauer: Also mich stört das!)

Dass mit diesem Gesetzentwurf, der sowieso verfasst worden wäre und einfach nur in weiblicher Form geschrieben wurde, Anreize und Erleichterungen beim Gründen von Start-up-Unternehmen ermöglicht wurden, das hat plötzlich keinen mehr interessiert. Der Empörungstsunami rollte, der Genderwahn der FPÖ und auch einiger Kollegen von der ÖVP war plötzlich da.

Ich habe das sehr bezeichnend gefunden, zu sehen, was passiert, wenn man den Spieß einmal umdreht. Jahrhundertelang sind Gesetze, Texte, Schulbücher in rein männlicher Form geschrieben worden (Abg. Amesbauer: Haben Sie schon mal was vom generischen Maskulinum gehört?), das hat keinen interessiert, niemand hat sich aufgeregt. Aber kaum dreht man den Spieß einmal um, kriegen die ganzen fragilen Egos hier in den Reihen der FPÖ Auszuckungen (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ), halten sich gar nicht mehr im Zaum. Wie fragil kann denn bitte eure Männlichkeit sein? Das ist ja echt entlarvend.

Frauen in der Sprache sichtbar zu machen ist seit Jahrzehnten eines der zentralsten Anliegen der feministischen Frauenbewegung. (Abg. Amesbauer: Ich bin ja kein Feminist! – Heiterkeit bei den Grünen.) Und wenn Ewiggestrige hier im Parlament, in Landesregierungen oder auch in Medien gegen das Gendern wettern, dann denke ich immer an die vielen jungen Menschen, die mich umgeben. Beispielsweise meine Nichten und meine Neffen: Sie gendern mit einer Eleganz und mit einer Selbstverständlichkeit, und die sind die Zukunft, nicht ihr Ewiggestrigen. (Beifall bei Grünen und SPÖ sowie bei Abgeordneten der NEOS. – Ruf: Jawohl! – Zwischenruf der Abgeordneten Steger. Martin Graf: ... Transgender übernehmen ...!)

22.30