Dringliche Anfrage
der Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend „COFAG-Skandal: 20 Milliarden mittels rechtswidriger Konstruktion verteilt – Wann bekommen wir unser Geld von Benko&Co zurück?“ (16643/J)
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Es ist 15 Uhr. Wir gelangen zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 16643/J.
Da diese inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich deren Verlesung durch den Schriftführer.
Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:
Am Dienstag wurde bekannt, dass der Verfassungsgerichtshof die Konstruktion der COFAG für verfassungswidrig erklärt hat. Damit ist jetzt amtlich, was alle drei Oppositionsparteien seit Jahren kritisieren: Die COFAG wurde nur gegründet, um Milliarden an Hilfsgeldern ohne Kontrolle und abseits der Öffentlichkeit nach Gutsherrenart verteilen zu können. Ihre Einrichtung wäre niemals nötig gewesen, die Finanzverwaltung hätten das von vornherein besser und billiger gekonnt. Der Verfassungsgerichtshof spart dabei nicht mit deutlichen Worten:
„Sowohl die Ausgliederung an sich als auch die konkrete Organisation der COFAG und die spezifische Art und Weise der Aufgabenerfüllung widersprechen dem [verfassungsgesetzlichen] Sachlichkeitsgebot.“
Und weiter:
„Es kann somit im Ergebnis festgehalten werden, dass die COFAG der Sache nach (nahezu) keine wesentlichen selbstständig zu entscheidenden Aufgaben hatte und hat.“
Mit diesem Verfassungsgerichts-Urteil ist der vorläufige Höhepunkt in einer Geschichte des Versagens der schwarz-grünen Bundesregierung erreicht worden: Bereits im vergangenen Jahr hatte der Rechnungshof die COFAG zerpflückt. Er ortete auf Grund des untauglichen Förderdesigns „beträchtliches Überförderungspotential bei Konzernen“ und identifizierte bereits im Juni 2021 exorbitante Kosten für externe Beratung von 21 Millionen Euro sowie ungerechtfertigte Gehälter der COFAG-Geschäftsführung sowie mögliche Interessenkonflikte. Die COFAG hat so offenbar Millionen an Steuergeld verbrannt, während die wahre Arbeit erst Recht die Finanzämter zu erledigen hatten.
Was wirklich in der COFAG passiert ist, wissen wir aber nach wie vor nicht: Gesteuert von den politischen Kabinetten der schwarz-grünen Koalition – vorbei an den Expert:innen der Ministerien – wurden Förderrichtlinien erstellt, die am Ende vor allem großen Konzernen und Superreichen geholfen haben, während hunderte Klein- und Mittelunternehmen teilweise bis heute auf die versprochenen Hilfen warten. Sie sind es, die zu Bittsteller:innen degradiert wurden, in dem ihnen – ebenfalls verfassungswidrig – durch die Einrichtung der COFAG ein Rechtsanspruch auf Hilfsmaßnahmen entzogen wurde. So hat die Regierung womöglich eine Zwei-Klassen-Verwaltung gegründet, in der nur die „Freunde der ÖVP“ rasch und unbürokratisch an ihr Geld kamen, während sich alle anderen mit der Willkür der COFAG herumschlagen mussten. So lautet zumindest der Verdacht, den man angesichts des völligen Mangels an Transparenz und Kontrolle haben muss. Es ist nicht erst aus den Chats von Thomas Schmid bekannt, dass die ÖVP gerne ihr eigenes Klientel bedient und alle anderen im Regen stehen lässt. Umso mehr ist zu befürchten, dass sich die „Blackbox“ COFAG in Wahrheit zur „Pandora‘s box“ für die Steuerzahler:innen entwickelt. Auch 2024 muss der Finanzminister weitere 450 Millionen Euro für die COFAG im Budget einplanen. Geld, das Österreich gerade in Zeiten der Rekordteuerung an anderem Ort weitaus besser gebrauchen könnte.
Auch wenn wir nicht viel über die Vorgänge in der COFAG wissen, so kennen wir das unglaubliche Ausmaß dieses Skandals. Über die COFAG als Tochter der ABBAG werden Wirtschaftsförderungen in der Höhe von bis zu 19 Milliarden Euro abgewickelt, wobei der Auszahlungsstand seit dem Jahr 2020 per August 2023 rund 15,3 Milliarden Euro betrug:

Quelle: BMF, Bericht Monatserfolg August 2023
Das von der ÖVP-geführte Finanzministerium hat damit einen der größten Finanzskandale der Zweiten Republik zu verantworten: Die Eurofighter-Beschaffung war mit 1,96 Milliarden Euro dagegen eine Kleinigkeit. Wie viel der COFAG-Skandal die Steuerzahler:innen am Ende tatsächlich kosten wird, ist leider noch nicht klar.
Klar ist aber: Von der COFAG haben Konzerne und Superreiche in besonderem Ausmaß profitiert. Hier zeigt sich ein Problem: Ein Wildwuchs an Förderungen aus Fixkostenzuschuss, Umsatzersatz I und II, Härtefallfonds und Kurzarbeit hat dazu geführt, dass einzelne Betriebe massiv überfördert werden.
So hat etwa René Benko für seine Firmen Staatshilfen in der Höhe von 10,2 Millionen Euro erhalten. Benko verfügt über ein geschätztes Vermögen von 4,9 Milliarden Euro und es ging ihm auch in den Krisenjahren prächtig. Er zahlte sich mit seiner Signa-Gruppe eine Dividende von 100 Millionen Euro aus und kaufte sich einen Gutshof um 30 Millionen Euro. Benko schickte die MitarbeiterInnen der Kika-Leiner Gruppe 2020 für sieben Wochen in Kurzarbeit und beantragte zusätzlich Steuergeld – für seine Kika-Leiner Gruppe 9,2 Millionen, für die Signa Luxury Collection eine Million. Zum Vergleich: Das etwa doppelt so große Möbelhaus XXXLutz bekam “nur” eine Million Euro. Und das alles nur, damit René Benko Kika/Leiner am Ende doch in die Insolvenz schickt und die meisten Mitarbeiter:innen ihren Job verlieren.
Stefan Pierers KTM hat insgesamt 11 Millionen Euro an staatlichen Hilfen – in Form von Kurzarbeitsgeldern - in Anspruch genommen. Zusätzlich wurde ein Sonderkreditrahmen von 60 Millionen Euro bei der Österreichischen Kontrollbank beantragt. An das Dividendenverbot wollte man sich zunächst nicht halten. Nur auf Grund eines massiven öffentlichen Drucks, ließ man von diesen Plänen ab, bzw. verschob man die Auszahlung der Gewinne um ein Jahr. Diese Gewinne von KTM waren jedenfalls enorm – und wurden durch Wirtschaftshilfen, also Geld von Steuerzahler:innen – noch aufgefettet und subventioniert. KTM zahlte im Jahr 2020 18,59 Millionen Euro an Dividenden aus, 2021 rund 35 Millionen und 2022 gar 66,6 Millionen Euro!
McDonalds-Franchisenehmer:innen – die insbesondere Bundeskanzler Nehammer gut vertraut sein dürften – zählen auch zu den Profiteur:innen: Die Franchise-Unternehmen erhielten zum Teil zeitgleich Fixkostenersatz, Umsatzersatz, Kurzarbeitsentschädigung sowie eine Halbierung der Mehrwertsteuer, die nicht an die Kund:innen weitergegeben wurde. Die Kosten der Betreiber:innen gingen dadurch Richtung Null. Brancheninsider:innen sprechen von absoluten Rekordjahren für die Unternehmensbilanzen.
Auch MediaMarkt/Saturn kann als Beispiel für die katastrophale Verteilungswirkung des Umsatzersatzes herangezogen werden: Die Media-Markt Filialen sind mit Fixkostenzuschuss, Umsatzersatz und Co. in Höhe von 11,7 Millionen Euro nach der AUA die größten Einzelprofiteure der Hilfsmaßnahmen – obwohl diese Branche über das Gesamtjahr 2020 kaum einen Umsatzrückgang zu verkraften hatte. Wie war das möglich? Im Herbst wurden an die Elektrobranche hohe Summen an Umsatzersatz ausbezahlt – für nicht verkaufte Elektrogeräte etc. Nachdem die Filialen wieder aufsperren konnten, wurde die Ware, die in dem Fall ja nicht verderblich ist, verkauft und zusätzlich Gewinn gemacht.
Die Frage, die sich nunmehr stellt, ist: Hat die Regierung und der ÖVP-Finanzminister daraus irgendetwas gelernt oder macht die ÖVP einfach weiter wie gehabt?
Nur vier Stunden nach der Veröffentlichung des COFAG-Urteils verkündet die Regierung, dass sie weitere Milliarden an Unternehmen ausschütten will. Wiederum über eine ausgegliederte Gesellschaft. Auch dort sollen Milliarden an Förderungen auf Grundlage von sogenannten Richtlinien vergeben werden, ohne Transparenz und ohne Kontrolle.
Die Verweigerungshaltung der ÖVP, irgendetwas aus dem COFAG-Skandal lernen zu wollen, geht sogar noch weiter: Anstatt nunmehr auf volle Aufklärung zu setzen, kündigt Finanzminister Brunner an, die COFAG „abwickeln“ zu wollen. Wie die ÖVP Dinge „abwickelt“, konnte man im Kanzleramt nach Bekanntwerden des Ibiza-Skandals bereits beobachten: Mit dem Schredder. In diesem Sinne braucht es in der COFAG dringend Datensicherungsmaßnahmen, sodass diese nicht für immer verloren sind.
Auch in den Medien wurde Brunners Vorgehen längst enttarnt. So war etwa in der Tageszeitung „Der Standard“ zu lesen:
„Brunners Ankündigung im Sommer, die Cofag werde abgewickelt, war allerdings nichts weniger als der Versuch, einen Mantel des Schweigens über die mit Pleiten, Pech und Pannen gespickte Geschichte der Cofag zu breiten.“
Es ist jetzt Aufgabe des Parlaments, diesen Mantel des Schweigens zu zerschneiden. Der Verfassungsgerichtshof hat den Schlüssel dafür überreicht. Jetzt wird aufgesperrt.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehende
Dringliche Anfrage
1. Wie hoch ist der aktuelle Auszahlungsstand der COFAG?
2. Welche Unternehmen haben mehr als eine Million Euro an Förderungen von der COFAG erhalten?
3. Wie hoch sind die aktuellen Kosten für Dienstleistungen, die von der COFAG beschafft wurden, seit deren Gründung?
4. Wie hoch sind die aktuellen Kosten für die Geschäftsführer der COFAG seit deren Gründung?
5. Wurden die Doppelbezüge eines ehemaligen Geschäftsführers untersucht und kam es tatsächlich zu einer Rückzahlung?
6. Wie hoch sind aktuell die gesamten Overhead-Kosten der COFAG seit ihrer Gründung (insbesondere Büroeinrichtung, Mieten, Personal, Dienstleistungen)?
7. Wie viele Anträge an die COFAG sind noch offen bzw noch nicht ausbezahlt?
8. Wie viele Stunden musste die Finanzverwaltung für die Prüfung von COFAG-Anträgen aufwenden?
9. Wie viele VBÄ (Vollbeschäftigtenäquivalente) der Mitarbeiter:innen der Finanzverwaltung wurden seit Gründung der COFAG für die Prüfungsansuchen benötigt? Wie hoch waren die daraus resultierenden Gehaltskosten der Finanzverwaltung?
10. In wie vielen Fällen wurden Hilfszahlungen mittlerweile zurückgefordert und in welcher Höhe?
11. Welcher Betrag an Hilfszahlungen wurde tatsächlich auf Grund von Rückforderungen zurückbezahlt?
12. Welcher Betrag ist ggf uneinbringlich?
13. Welcher Betrag wurde freiwillig zurückgezahlt?
14. Wie viele Korrekturmeldungen sind bei der COFAG eingelangt und welches Volumen an Förderungen betrafen diese?
15. Wie viele Klagen wurden im Zusammenhang mit der Rückforderung von Hilfszahlungen eingebracht?
16. In wie vielen dieser Verfahren wird die Finanzprokuratur tätig?
17. Welcher Aufwand ist dafür aktuell bei der Finanzprokuratur angefallen?
18. Wie wurde die Einhaltung der Förderrichtlinien, insbesondere des Dividendenverbots, überwacht?
19. Welche Schlüsse haben Sie aus dem Rechnungshofbericht gezogen, der hohe Überförderungen durch die COFAG attestiert?
a. Wie hoch waren die durchschnittlichen Überförderungen, die durch die COFAG ausbezahlt wurden?
b. Wie hoch waren die durchschnittlichen Auszahlungen bei den Top 10% der Gesamtauszahlungen an Unternehmen?
c. Wie hoch waren die durchschnittlichen Überförderungen unter den Top 10% der Gesamtauszahlungen an Unternehmen?
d. Wie hoch waren die durchschnittlichen Auszahlungen bei den Top 1% der Gesamtauszahlungen an Unternehmen?
e. Wie hoch waren die durchschnittlichen Überförderungen unter den Top 1% der Gesamtauszahlungen?
20. Welche Maßnahmen haben Sie in Folge des VfGH-Erkenntnisses gesetzt, um weiteren Schaden von den Steuerzahler:innen abzuwenden?
21. Welche weiteren staatlichen Aufgaben wurden so wie jene der COFAG – möglicherweise verfassungswidrig – an ausgegliederte Rechtsträger übertragen?
22. An welche Rechtsträger wurden ganz allgemein staatliche Aufgaben in Ihrem Wirkungsbereich übertragen?
23. Besteht gegenüber dem aws insbesondere zur Abwicklung des Energiekostenzuschusses ein ausreichender, vom Verfassungsgerichtshof geforderter Leitungs- und Verantwortungszusammenhang?
24. Besteht gegenüber der Österreichischen Kontrollbank insbesondere zur Abwicklung der Exportfinanzierung ein ausreichender, vom Verfassungsgerichtshof geforderter Leitungs- und Verantwortungszusammenhang?
25. Besteht gegenüber der ÖBAG insbesondere betreffend die Beteiligungsverwaltung des Bundes ein ausreichender, vom Verfassungsgerichtshof geforderter Leitungs- und Verantwortungszusammenhang?
26. Inwiefern hat die EU-Kommission in ihrer Entscheidung vom August 2023 festgehalten, dass Österreich das EU-Beihilfenrecht gebrochen hat?
27. Wie viel wurde für die Rechtsberatung zum EU-Beihilferecht im Zuge der Schaffung der COFAG-Instrumente ausgegeben?
28. Ist angesichts der Entscheidung der EU-Kommission davon auszugehen, dass bei der beihilferechtlichen Beratung Fehler unterlaufen sind?
29. Inwiefern müssen unter dem neuen Schadensausgleich (‚damage compensation scheme‘) offene COFAG-Anträge gekürzt werden?
30. Werden Rückzahlungen wegen Überschreitung der beihilferechtlichen Schwellen mangels Berücksichtigung der Konzernbetrachtung notwendig sein?
a. Wenn ja, von welchen Volumen geht das BMF aus?
31. Wie viele Ergänzungsgutachten wurden von der COFAG beim sehr großzügigen Instrument des Umsatzersatzes in Auftrag gegeben?
32. Wie viel Prozent der abgeschlossenen Anträge der COFAG wurden nachträglich überprüft?
33. Wie viel Förderungen könnten nach Einschätzungen des BMF von dem VfGH-Erkenntnis betroffen sein?
34. Wie ist der Stand des von der ABBAG – eigentlich bis Ende September – zu entwickelnden Abwicklungskonzepts für die COFAG?
35. Wurden die nachträglich sechsstelligen Boni-Zahlungen der ABBAG-Geschäftsführer untersucht und gegebenenfalls zurückgefordert?
36. Wer wird für die Abwicklung verantwortlich sein?
37. Wird der Bund oder eine andere Gesellschaft Rechtsnachfolgerin der COFAG und wenn letzteres, welche?
38. Wie viele Förderungen werden voraussichtlich noch nicht vollständig rechtskräftig abgewickelt sein, wenn die COFAG aufgelöst wird?
39. Wer wird nach der Auflösung der COFAG Partei in den die COFAG betreffenden Rechtsverfahren bzw -streitigkeiten sein?
40. Werden aktuell in der COFAG oder der ABBAG Akten vernichtet?
41. Haben Sie alle ausgegliederten Rechtsträger, die staatliche Aufgaben wahrnehmen, angewiesen, sofort jegliche Aktenvernichtung zu stoppen?
42. Haben Sie alle ausgegliederten Rechtsträger, die staatliche Aufgaben wahrnehmen, angewiesen, Sicherungskopien und Backups zu erstellen?
43. Prüfen Sie Regressforderungen oder sonstige Ersatzansprüche gegen die zuständigen Personen, insbesondere den früheren Finanzminister Blümel, in Zusammenhang mit der verfassungswidrigen COFAG-Gründung und der Erstellung der Förderrichtlinien?
44. Wann entschuldigen Sie sich bei allen Klein- und Mittelunternehmen, die durch die COFAG zu Bittsteller:innen degradiert wurden?
In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs 2 GOG-NR zum frühest möglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.
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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Da der Herr Bundesminister angekündigt hat, gleich einzutreffen, würde ich vorschlagen, dass wir 2 Minuten warten. Ist es recht? (Bundesminister Brunner betritt den Saal. – Rufe bei der ÖVP: Ist schon da! Er kommt schon!) – Er ist schon da. (In Richtung Bundesminister Brunner:) Das war kürzer als erwartet, Herr Bundesminister, ich bin noch mitten im Referieren.
Ich darf Frau Abgeordneter Herr als Fragestellerin zur Begründung der Anfrage, die gemäß § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten darf, das Wort erteilen. – Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort. Bitte sehr.