20.35

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! In aller Kürze, damit auch das gesagt wird: Ich bin kein Freund dessen, dem Sudan – einem Militärregime, das genug Geld hat, sich Waffen zu leisten, Kriege zu führen, Leute zu massakrieren – die Schulden zu erlassen; im Gegenteil: Die sollen das zahlen. In Wirklichkeit sollte man beginnen, das zu betreiben.

Es stellt sich nämlich die Frage: Wie geben wir unsere Entwicklungshilfegelder aus? Zum Beispiel, Herr Bundesminister, hat der Ministerrat am 8. September 2021 18 Millionen Euro für das Taliban-Regime in Afghanistan vorgesehen. Diese Gelder sind auch mehrheitlich geflossen. Sie haben elf Tage später persönlich, ohne mit jemandem Rücksprache zu halten, diesen Betrag noch auf 20 Millionen Euro für das Internationale Rote Kreuz aufgebessert und haben nochmals nachgeschossen.

Es sind weiters 6 Millionen Euro im Vorjahr als Hilfen allein über den Auslandskatastrophenfonds geflossen, auch weitere 2 Millionen Euro für das Internationale Rote Kreuz. Auch dieses Jahr sind wieder Gelder geflossen, und für nächstes Jahr planen Sie, dass auch wieder Gelder fließen, obwohl selbst die UNO schon festgestellt hat, dass die Gelder dort versickern und mindestens 40 Prozent dieser Gelder gar nicht dort ankommen, wo sie hingehören, sondern bei den Machthabern, bei den Taliban, zum Waffenkauf oder Ähnliches mehr, zum Teil auch bei dunklen Gestalten, die international als Terroristen gesucht werden.

Sie selbst haben attestiert, dass Afghanistan eine mittelalterliche Politik betreibt. Es sitzt auch ein Österreicher dort im Gefängnis. (Abg. Michael Hammer: Euer Freund!) Sie tun nichts bis wenig, aber Sie leisten trotz alledem Hilfe für Afghanistan, ohne daran Bedingungen zu knüpfen. Ich halte das einfach für unzumutbar für den österreichischen Steuerzahler und stelle daher folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Stopp der Zahlungen an die Taliban in Afghanistan“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für internationale und europäische Angelegenheiten, wird aufgefordert, sämtliche finanzielle Zuwendungen Österreichs für Afghanistan sofort einzustellen.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

20.37

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Dr. Martin Graf

und weiterer Abgeordneter

betreffend Stopp der Zahlungen an die Taliban in Afghanistan

eingebracht in der 239. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 21. November 2023 im Zuge der Debatte zu TOP 9, Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (2178 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2024 (Bundesfinanzgesetz 2024 – BFG 2024) samt Anlagen (2300 d.B.) – UG 12 Äußeres

Seit Jahren sieht die FPÖ die Verteilung von Geldern ohne konkrete Zweckwidmung im Rahmen der Entwicklungshilfe sehr kritisch. Beträge in Millionenhöhe können so in den Kanälen diverser NGOs versickern oder gar autoritären Regimen zugutekommen.

Letzteres ist in Afghanistan der Fall. Die Tageszeitung „Die Presse“ berichtete bereits im Dezember 2021 davon, dass die Vereinten Nationen nun Schutzgeld an die Taliban für ihre Mitarbeiter und Einrichtungen in Millionenhöhe zahlen wollen:

Die Vereinten Nationen wollen laut einem internen UNO-Bericht den in Afghanistan seit Sommer herrschenden Taliban im nächsten Jahr sechs Millionen Dollar zahlen - als Subvention für Besoldung und Lebensmittelhilfe für Kämpfer, die Objekte und Mitarbeiter der UNO bewachen. […] De facto gehe es dabei auch um den persönlichen Schutz fremder Helfer (etwa Techniker) des Innenministeriums, dessen Chef unter Sanktionen von UN und USA steht und vom FBI gesucht wird.1

Die schwarz-grüne Bundesregierung beschloss am 8. September 2021 im Ministerrat ein Hilfspaket für Afghanistan in Höhe von 18 Millionen Euro – demnach zu einem Zeitpunkt, als die Taliban längst wieder die Herrschaft über das Land übernommen hatten. Die österreichischen Steuergelder wurden folgendermaßen aufgeteilt:

Zehn Millionen Euro davon gehen an das UNO-Flüchtlingskommissariat (UNHCR), fünf Millionen Euro an UNO Women und drei Millionen Euro an das UNO-Welternährungsprogramm (WFP).2

Am 19. September 2021 sprach der damalige und mittlerweile wieder eingesetzte Außenminister Mag. Alexander Schallenberg überraschend von einer Summe in Höhe von 20 Millionen Euro – zwei Millionen seien demzufolge zusätzlich dem Internationalen Roten Kreuz zugesagt worden.

In den vier Jahren vor 2021 hatte Österreich bereits über elf Millionen Euro in Hilfs- und Entwicklungsprojekte in Afghanistan investiert.3 2022 erhielt das von den Taliban beherrschte Afghanistan sechs Millionen Euro österreichisches Steuergeld über den Auslandskatastrophenfonds, 2023 bisher eine Million Euro.4 Zusätzlich flossen auch 2022 zwei Millionen Euro über das Internationale Rote Kreuz nach Afghanistan.5

Folgerichtig zahlt Österreich Millionenbeträge vor allem über die Vereinten Nationen an Afghanistan, wobei die UNO millionenschwere Mittel dafür heranzieht, Schutzgeldzahlungen an die Taliban zu leisten.

Die Zweckentfremdung vermeintlicher Entwicklungshilfe durch autoritäre Regime für deren finanzielle Belange ist längst bekannt und überrascht nicht. Verblüffend ist einzig und allein die Naivität der schwarz-grünen Bundesregierung, Jahr für Jahr Millionenbeträge an österreichischem Steuergeld den Taliban zur Verfügung zu stellen. Es ist festzuhalten, dass zwar die Organisationen ausgewiesen sind, welche die Millionenbeträge erhalten. Die jeweiligen Endempfänger der Gelder und deren konkreter Verwendungszweck bleiben aber im Dunkeln.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass rund 40 Prozent des afghanischen Staatshaushaltes auf Hilfsgeldern beruht.6 Bereits hinsichtlich der Geberkonferenz für Afghanistan im November 2020 wurde festgehalten: „In der Tat landet ein großer Teil auch der ausländischen Hilfsgelder in den Taschen von Provinzfürsten und hohen Beamten.“7 Selbst UNO-Generalsekretär António Guterres spricht diese Problematik offen an: „Es ist nicht möglich, in Afghanistan humanitäre Hilfe zu leisten, ohne mit den De-facto-Behörden zusammenzuarbeiten.“8

Außenminister Schallenberg scheint es offenbar nicht zu stören, österreichisches Steuergeld in Millionenhöhe einem Regime zur Verfügung zu stellen, welchem er selbst eine „mittelalterliche Politik“9 attestiert.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für internationale und europäische Angelegenheiten, wird aufgefordert, sämtliche finanzielle Zuwendungen Österreichs für Afghanistan sofort einzustellen.“

1 Die Presse 23.12.2021: UNO will offenbar „Schutzgeld“ an die Taliban zahlen

2 Orf.at 08.09.2021: Regierung beschloss Soforthilfe für Afghanistan

3 Homepage des Bundeskanzleramts 26.08.2021: Kurz und Schallenberg: 18 Millionen Euro Soforthilfe-Paket für Afghanistan

4 https://www.entwicklung.at/themen/humanitaere-hilfe/auslandskatastrophenfonds-akf#c3377

5 https://www.entwicklung.at/themen/projekte?tx_mmcprojectlist_projectlist%5B%40widget_0%5D%5BcurrentPage%5D=1&tx_mmcprojectlist_projectlist%5BdemandListFilter%5D%5Bactive%5D=0&tx_mmcprojectlist_projectlist%5BdemandListFilter%5D%5Bcountry%5D=1&tx_mmcprojectlist_projectlist%5BdemandListFilter%5D%5BsearchTerm%5D=&tx_mmcprojectlist_projectlist%5BdemandListFilter%5D%5Btopic%5D=&tx_mmcprojectlist_projectlist%5B__trustedProperties%5D=%7B%22demandListFilter%22%3A%7B%22searchTerm%22%3A1%2C%22country%22%3A1%2C%22topic%22%3A1%2C%22active%22%3A1%7D%7D78aaf3c7f06b04e1766c43f0bc4a03d5606ad34f&cHash=d14eec29c089d5a8a83c56bb2d9f7801

6 Orf.at 07.09.2021: Gesuchter Terrorist wird Innenminister

7 Wiener Zeitung 25.11.2020: „Geberländer haben Korruption geduldet“

8 APA 13.09.2021: 1,2 Milliarden Dollar bei Geberkonferenz für Afghanistan

9 https://exxpress.at/moelzer-bei-den-taliban-aussenminister-schallenberg-attackiert-die-fpoe-scharf/

*****

Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Mag. Martin Engelberg. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Abg. Matznetter: Was haben jetzt Mölzer und Hübner? Die Kontakte zu Taliban! – Abg. Martin Graf: Die habt ja ihr!)