9.08
Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich diesem Ansinnen der Sozialdemokratie nur vollinhaltlich anschließen. (Bravoruf bei der SPÖ.) Ich fordere von Ihnen die sofortige, die zeitnahe Einberufung einer Sonderpräsidiale des Nationalrates und möchte Ihnen auch erklären, warum ich die Dinge so sehe, wie ich sie sehe.
Ganz Österreich ist seit wenigen Stunden in Kenntnis sehr, sehr schwerwiegender Vorwürfe gegen den Präsidenten des Nationalrates, gegen Sie, Herr Sobotka. Jetzt kann man natürlich die Position einnehmen und sagen, das ist ja alles nichts Neues, es hat ja schon vorher eine ganze Reihe von Vorwürfen gegeben. Das scheint mir die Argumentation der Volkspartei zu sein. Aus meiner Sicht machen diese Dinge aber die Sache umso schwerwiegender, weil wir in der Zwischenzeit schon eine ganze Reihe, eine ganze Kette von schwerwiegenden Verfehlungen zu beobachten haben, die im Zusammenhang mit Ihrer Person und damit auch mit dem Amt des Präsidenten des Nationalrates stehen.
Im Kern besagen die Vorwürfe, mit denen Sie jetzt konfrontiert sind, nichts anderes, als dass der zweithöchste Mann im Staat, als dass der zweithöchste Mann der Republik im Verdacht steht, die Institutionen eben dieses Staates, eben dieser Republik zur Durchsetzung von parteipolitischen Machtinteressen seiner eigenen Partei, der Österreichischen Volkspartei, zu missbrauchen beziehungsweise den Auftrag zu diesem Missbrauch gegeben zu haben. In drei Worten heißt das: Anstiftung zum Amtsmissbrauch.
Was vielleicht in der Debatte bisher noch zu wenig berücksichtigt worden ist, ist, dass wir dabei von einer Phase reden, in der der Mann, der im Verdacht steht, das getan zu haben, der Chef des Sicherheitsapparates in Österreich gewesen ist.
Das wollen wir einmal nicht vergessen, dass Sie, bevor Sie Nationalratspräsident geworden sind, als Innenminister der oberste Chef über alle Ermittlungsbehörden, über das gesamte Personal und über alle technischen Möglichkeiten in diesem Apparat gewesen sind.
Die Vorwürfe, die gegen Sie erhoben werden, Herr Präsident, wiegen umso schwerer. Warum? – Weil die Person, die sie erhebt oder, besser gesagt, die sie erhoben hat und die von enormem Druck, unter dem sie aufgrund der permanenten Einflussnahme vonseiten der Österreichischen Volkspartei gestanden ist, berichtet, kein anonymer Unbekannter ist, weil das kein Nobody ist, weil das nicht irgendein Unterläufer ist. Der verstorbene Christian Pilnacek ist ein Schlüsselspieler der Österreichischen Volkspartei in diesem System gewesen. (Abg. Steinacker: Unglaublich!) Das ist die exakte Definition: ein Schlüsselspieler in der – nennen wir es so – ÖVP-Aufstellung dieser Republik. (Abg. Wöginger: Wer hat es aufgenommen? Habt ihr den auch ...?) Die ÖVP hat ihn in der Justiz gehalten, mit wichtigen Positionen bedacht und mit ganz zentralen Aufgaben betraut.
Was dem Präsidenten des Nationalrates ganz prominent vorgeworfen wird, ist eigentlich nichts anderes, als den tiefen Staat zu betreiben, als in Österreich den tiefen Staat auszubauen und voranzutreiben – unter Ausnutzung der parteipolitischen Netzwerke der Österreichischen Volkspartei in ihrem ressortübergreifenden Zusammenhang. Das ist der Vorwurf, der im Raum steht – so viel zum Thema staatspolitische Verantwortung der Österreichischen Volkspartei. So viel zum Thema: Wer ist das Sicherheitsrisiko in dieser Republik? (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Wöginger: Das musst genau du sagen! – Abg. Michael Hammer: Der Vokaki! – Zwischenruf des Abg. Hörl.)
Meine Damen und Herren! Ich weiß schon, Sie wollen das alles aussitzen. Das kennen wir schon. Sie wollen weiter so tun, als wäre nichts gewesen. Sie sitzen weiter dort oben wie die Unschuld vom Lande. Die eigene Partei – Ihre Partei, die Österreichische Volkspartei – will das einfach wegwischen. Sie will den Präsidenten, der mit diesen Vorwürfen konfrontiert ist, als Opfer einer bösen Intrige darstellen. (Abg. Fürlinger: Da seid ihr die Spezialisten, Herr Klubobmann! Da seid ihr die Spezialisten!)
Das Ganze – Österreich hat nicht vergessen, was Sie da machen – machen Sie in einer unglaublichen Perversion Ihrer eigenen Maßstäbe, die Sie in der Reaktion auf das Ibizavideo zur Anwendung gebracht haben. (Abg. Wöginger: Ja, jetzt sind wir dort!) Wir alle haben in Erinnerung, was es damals an empörten Reaktionen vonseiten der Volkspartei gegeben hat (Abg. Michael Hammer: Du hast wegmüssen, weil dich keiner ausgehalten hat!): unglaubliche moralische Entrüstung, eine unglaubliche Empörung und letztendlich sogar politische Reaktionen mit einer ganzen Welle von Rücktritten bis hin zur Sprengung einer Regierung. (Abg. Michael Hammer: Das war die Konsequenz! – Abg. Wöginger: Nach der Geschäftsordnung ist das! – Abg. Michael Hammer: Der Rauswurf vom Vokaki!)
Diese jetzige Totalverdrehung (Abg. Fürlinger: Das stimmt, das unterschreibe ich Ihnen!), das muss ich Ihnen wirklich sagen, Ihrer eigenen Maßstäbe ist so heuchlerisch, dass es beim Zuhören und beim Zuschauen wehtut, dass man sich für Sie fremdgenieren muss. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Setz dich nieder!)
Jetzt appelliere ich an die ÖVP, an die integren Persönlichkeiten in Ihren Reihen. (Abg. Wöginger: Du brauchst nicht an uns appellieren! Du bist der Letzte, der das tun kann! Der Letzte!) Ich weiß, dass es sie gibt, ich weiß, dass es diese Persönlichkeiten gibt. Die leiden wie die Hunde unter diesen Zuständen. Ich appelliere an diese integren Persönlichkeiten. (Abg. Wöginger: Herbert allein zu Hause!) Einige Stunden nach dem Auftauchen dieser Vorwürfe muss Ihnen ja die Tragweite all dessen, was da im Raum steht, vollkommen bewusst sein, das müssen Sie ja jetzt erkannt haben. Das kann Ihnen doch nicht gefallen, dass dieser Mann hier nicht nur die Republik, sondern auch Sie repräsentiert.
Sie müssen doch jetzt, einige Stunden nach dem Bekanntwerden dieser Vorwürfe, erkannt haben, dass das nicht zusammengeht, dass man mit solchen Vorwürfen konfrontiert ist und gleichzeitig ein Repräsentant, und noch dazu der zweithöchste dieser Republik, sein soll. Das passt nicht zusammen. Das weiß draußen in der Republik ein jeder. Ich bin neugierig, ob bei Ihnen diese Einsicht auch noch einkehrt. (Abg. Wöginger: Bist jetzt fertig? – Abg. Hörl: Setzen! – Abg. Michael Hammer: Setzen! Es horcht ja keiner mehr zu!)
Wissen Sie - - (Abg. Michael Hammer: Faden gerissen? Hast nicht alles aufgeschrieben?) – Sie sind jetzt gefordert, die Zwischenrufer der ÖVP sind jetzt gefordert, weil dem Mann dort oben am Vorsitz offenbar der Horizont und der Anstand fehlen, selbst zu erkennen, was in dieser Situation notwendig wäre. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Rettender Zwischenapplaus! Mitleidsbekundung!)
Ich bin ja fast versucht, zu sagen: Im Vergleich zu Ihnen war Strache ein Ehrenmann. (Abg. Stögmüller: Wow! – Abg. Wöginger: Ja, ja! Das ist jetzt heuchlerisch! – Oh-Rufe bei der ÖVP.) Der hat wenigstens noch gewusst, was zu tun ist, als er mit Vorwürfen konfrontiert gewesen ist. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Lukas Hammer: Sie waren sein Generalsekretär! Kindesweglegung!)
Im Namen der Freiheitlichen Partei, Herr Nationalratspräsident, spreche ich Ihnen von der Volkspartei, Ihnen als Präsident der Volkspartei, die offenbar nicht bereit ist, Sie von diesem Sitz abzuberufen, ganz offiziell das Misstrauen aus. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Michael Hammer: Was für eine Volkspartei? – Abg. Wöginger: Putin-Partei!) Ich tue das ganz bewusst hier an dieser Stelle, weil es keine andere Möglichkeit gibt, das zu tun. (Abg. Michael Hammer: Das interessiert aber keinen!) Sie sind nicht unser Präsident! (Abg. Amesbauer: Genau! – Abg. Michael Hammer: Bimaz!) Ich kann nur an alle anderen Fraktionen hier in diesem Haus appellieren, es uns gleichzutun. Es braucht einen Cordon sanitaire gegen einen Präsidenten, der offenbar nicht nur die eigene Partei, sondern auch dieses Hohe Haus und mit dem Hohen Haus auch die Republik in Geiselhaft genommen hat – das ist ja das Gesamtergebnis dieser ungustiösen Konstellation.
Darüber hinaus appelliere ich von dieser Stelle auch an den Herrn Bundespräsidenten, sein Schweigen zu beenden und dazu Stellung zu nehmen, diese Vorwürfe zu kommentieren. (Abg. Hörl: Ah, jetzt auf einmal!) Es geht immerhin um denjenigen Mann, der nach ihm die zweitmächtigste Position in diesem Land innehat. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)
Ich stelle noch einmal den Antrag auf zeitnahe Durchführung einer Sonderpräsidiale, um uns mit all diesen Dingen inhaltlich auseinanderzusetzen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)
9.16
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stocker. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ: Das haben wir eh schon alles gehört! Das kennen wir schon!)