11.30

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich kann ja, Frau Abgeordnete Fiedler, einen Teil der Kritik nachvollziehen, da Sie natürlich mit Recht sagen, Sie können über die Legistik nichts sagen – es sind 60 Seiten Legistik, die den Finanzausgleich absichern –, weil die halt erst im Dezemberplenum behandelt wird. So viel kann ich Ihnen aber sagen: Das ist ein Paket. Das Budget, das wir zum Finanzausgleich beschließen, und die Legistik gehören natürlich zusammen.

Ich kann Ihnen sagen, es hat jetzt ein Jahr Arbeit gebraucht, um überhaupt alle Systempartner in dieser Frage an einen Tisch zu bekommen: das Finanzministerium, neun Bundesländer in ihrer Unterschiedlichkeit, die Sozialversicherungen, die Standesvertretungen.

Im letzten September, als ich gesagt habe, ich werde jetzt den Finanzausgleich nützen, um zu versuchen, eine Reform auf den Weg zu bekommen, waren die Äußerungen dazu durchgängig so: Du bist komplett verrückt, das geht sich nie aus, das hat noch niemand geschafft! – Ich habe gesagt: Das muss man einfach versuchen, und zwar aus einem einfachen Grund: Wenn wir es nicht machen – oder nicht gemacht hätten –, dann hätten wir in fünf Jahren Mehrkosten von 7 Milliarden Euro im System mit null Wirkung. Dann würde eintreten, wovor viele warnen, nämlich flächendeckende Einsparungen im Gesundheitssystem. Das kann es nicht sein.

Jetzt wird in das Gesundheitsbudget jährlich 1 Milliarde Euro zusätzlich investiert, um Reformen auf den Weg zu bekommen, um die Versorgung für die Patientinnen und Patienten zu verbessern, um die Kassenstellen auszubauen, die Primärversorgungszentren auszubauen, die Spitalsambulanzen zu entlasten, die Patientenströme zu optimieren, die Digitalisierung hinzubekommen; dafür wird dieses Geld verwendet, und zwar verbindlich.

Das ist eine Investition in eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung, die deshalb notwendig ist, weil ich einfach will, dass alle Menschen in diesem Land unabhängig von ihrem Einkommen, unabhängig ihres Standes, unabhängig davon, in welchem Bundesland sie zu Hause sind, dieselbe qualitativ hochwertige Versorgung bekommen, vom Bodensee bis zum Neusiedler See. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich lade Sie sehr gerne ein, sich im Detail anzuschauen, wie das aufgesetzt ist, was ich hier nur kursorisch skizzieren kann. Ja, selbstverständlich gibt es Verbindlichkeiten. Es gibt die Bundes-Zielsteuerungskommission, in der Länder, Bund und Sozialversicherung vertreten sind. Dort werden die Dinge beschlossen und abgewickelt. Das ist ein Steuerungsgremium, das dafür sorgt, dass beispielsweise mit den 300 Millionen Euro, die die Sozialversicherung zusätzlich bekommt, tatsächlich im niedergelassenen Bereich zusätzliche Kassenarztstellen geschaffen werden, dass tatsächlich mehr Primärversorgungseinrichtungen Platz greifen, dass es Erleichterungen für Gruppenpraxen und Kassenambulatorien gibt, dass es einen einheitlichen Vertrag mit der Ärzteschaft gibt – der im Übrigen schon seit Mai in Verhandlung ist, was niemand weiß und wo jetzt die Ärztekammer wieder an den Tisch zurückkehrt und es endlich Verbindlichkeit für Stellenpläne gibt – und dass die Vetomöglichkeiten der Standesvertretung damit endgültig beseitigt sind. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Natürlich ist es nicht so, dass wir jetzt einfach Geld in die Spitäler hineinkippen. Nein, es ist so, dass dort die Strukturreformen angegangen werden können, weil es ja in den Spitalsambulanzen die Situation gibt, dass da Leute aus der Not heraus hingehen, weil sie im niedergelassenen Bereich keine Ärztin und keinen Arzt finden oder zum Wahlarzt gehen müssten.

Das ist eine Entlastung für die Bundesländer. Dort werden Fachambulanzen, Tageskliniken, vorgelagerte Einrichtungen eingerichtet. Es werden auch wie schon gesagt die digitalen Angebote ausgeweitet, weil es einfach sein muss. Abgeordneter Smolle hat das dargelegt: digital vor ambulant vor stationär.

Das bedeutet, die digitalen Abklärungsmöglichkeiten in der Versorgung, 1450 auszubauen, Elga als eine Einrichtung zu erweitern, bei der auch Bilddaten gespeichert werden können, Patientendaten, Befunde, Rezepte auch digital verfügbar zu machen, damit man nicht, wenn man einem Facharzt zugewiesen wird, seinen Befunden nachlaufen muss; das muss selbstverständlich werden. Das bedeutet auch Diagnosecodierung für niedergelassene Ärzte, Anbindung aller Ärzt:innen an das Wahlärztesystem und im Übrigen natürlich auch den Lückenschluss zur Digitalisierungsstrategie des Staatssekretärs, der ja eine Agenda vorgelegt hat, die auch außerhalb des Gesundheitsbereichs andockt. Es bedeutet zusätzliche Angebote wie Vorsorgeprogramme und Gesundheitsförderung. Wir werden ein eigenes Darmkrebsscreening etablieren. Wir werden das Impfprogramm für Erwachsene verankern.

Und was bedeutet das jetzt alles, worum geht es für die Patientinnen und Patienten? – Es geht letztlich darum, dass die Patientinnen und Patienten schneller zu Arztterminen kommen, und zwar im niedergelassenen Bereich, im kassenärztlichen Bereich, weniger oft einen Wahlarzt oder eine Wahlärztin in Anspruch nehmen müssen, ein besseres Angebot auch am Abend, ganzwöchentlich, ganztags zu haben und nicht nur eingeschränkt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Eine kleine Nebenbemerkung sei mir erlaubt, denn Sie haben ja in diesem Haus das Primärversorgungsgesetz geändert. Das war deshalb ein Meilenstein, weil es bis Mitte des Jahres oder bis zum Inkrafttreten ein Vetorecht der Ärztekammer gegen die Einrichtung von Primärversorgungszentren gab. Seit dieses Vetorecht beseitigt ist, haben 30 neue Primärversorgungszentren um Genehmigung angesucht. Das heißt, es ist ein Boom entstanden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das heißt nichts anderes als: Die Beseitigung von Blockademöglichkeiten, die einfach nicht sinnvoll sind – und das tun wir damit –, trägt dazu bei, dass der ambulante niedergelassene Sektor ausgebaut wird. Dort wollen die Menschen die Versorgung haben und nicht gezwungen werden, in die Spitäler oder in Wahlarztpraxen auszuweichen.

Einen Satz jetzt noch zu dieser viel zitierten Auseinandersetzung mit der Ärztekammer – übrigens wundere ich mich über Kollegen Kaniak: Sie als Apotheker haben hier eine Rede gehalten, als ob Sie ein Lobbyist der Ärztekammer wären; das wundert mich ein bisschen, das verstehe ich nicht ganz (Zwischenruf des Abg. Kaniak – Heiterkeit des Abg. Silvan) –: Von dieser Reform profitieren auch die Ärztinnen und Ärzte. Warum? – Weil über einen Gesamtvertrag die Arbeitsbedingungen für die Ärzteschaft attraktiviert werden, weil die Einrichtung von Primärversorgungszentren ermöglicht wird.

Ich möchte Sie alle einladen, ein solches Primärversorgungszentrum zu besuchen. Alle, die dort beschäftigt sind, sagen: Das ist eine neue Form des Arbeitens. Wir können uns kollegial austauschen, wir haben Angebote, die über die ärztliche Dimension hinausgehen: Pflege, soziale Arbeit, Wundversorgung, Ernährungsberatung – die gesamte Palette von Versorgungsangeboten, die einfach die Qualität hebt und den Zugang der Menschen zu diesen Einrichtungen erleichtert.

Letzter Satz: Wir haben natürlich, und das ist wichtig, weil diese Systeme zusammenhängen, auch darauf geschaut, dass im Finanzausgleich die Pflege finanziell abgesichert wird, und das haben wir mit der Pflegereform gemacht. Warum ist das wichtig? – Weil Pflege und Gesundheit logischerweise kommunizierende Gefäße sind. Wenn es nicht gelingt, im Pflegebereich für Entlastung zu sorgen – was wir aber tun –, dann landen die Menschen, die in Pflegeheimen keinen Platz haben, auf den internen Abteilungen der Spitäler. Das ist in vielen Fällen Realität.

Da gegenzusteuern war Aufgabe dieser Gesundheitsreform. Jetzt nehme ich nicht für mich in Anspruch, alles komplett durchgesetzt oder umgesetzt zu haben; aber hätten wir diesen Schritt nicht gemacht, nämlich Bund, Länder und Sozialversicherung gemeinsam, dann wäre es so weit gekommen, dass wir tatsächlich ein kollabierendes System gehabt hätten. Das wurde mit dieser Gesundheitsreform verhindert. Das ist auf den Weg gebracht worden, und es ist der Grundstein dafür gelegt worden, dass wir auch in fünf Jahren noch ein Gesundheitssystem haben, von dem wir sagen können, es ist eines der besten in ganz Europa. Das war die Zielsetzung. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

11.39

Präsidentin Doris Bures: Nun gelangt Frau Abgeordnete Bedrana Ribo zu Wort. – Bitte.