12.55

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Österreich leistet sich eine besonders teure Arbeitslosenversicherung (eine Tafel mit einer Grafik zu den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich auf das Redner:innenpult stellend). Sie ist nämlich mehr als dop­pelt so teuer wie in Deutschland und fast dreimal so teuer wie in der Schweiz. – Herr Minister, ich habe Ihre mikroskopische Beitragssenkung, die Sie uns da verkaufen wollen, schon abgezogen.

Die öffentliche Verwaltung – ich habe das gestern gesagt – „bläst sich auf wie ein Kugelfisch“. Das gilt natürlich auch für das Arbeitsmarktservice: 2008 waren dort 4 480 Personen beschäftigt, 2014 waren es 5 070, 2019 5 588 und zuletzt waren es mehr als 5 900. Wir werden also bald die 6 000er-Marke überschreiten. Es ist egal, ob die Arbeitslosigkeit hoch oder niedrig ist, die Mitar­beiterzahl im AMS steigert sich laufend.

Da darf man sich natürlich fragen, Herr Digitalisierungsstaatssekretär: Was passiert denn da? Digitalisiert man vielleicht Prozesse im AMS, damit gleich viele Mitarbeiter mehr Arbeitslose betreuen können, damit gleich viele Mitarbeiter gleich viele Arbeitsuchende besser betreuen können? Das wäre doch der Sinn von Digitalisierung. Sie bekommen Budgets, damit die Verwaltung besser wird, und nicht, damit sich die Verwaltung aufbläst. Was aber passiert, ist, dass sie sich aufbläst. (Beifall bei den NEOS.)

Wir sehen, dass die Arbeitslosenversicherung in Österreich so teuer ist: Bitte, geschätzte Zuschauerinnen und Zuschauer, das sind die Beiträge, die von Ihrem Lohn und Gehalt abgeführt werden. Das heißt, das sind einerseits höhere Lohnnebenkosten, aber das ist andererseits auch ein niedrigeres Nettoge­halt, das Sie da kassieren.

Dann sieht man schon: Da muss ein Unterschied zu Deutschland sein. Wir geben offensichtlich Geld für Dinge aus, für die andere weniger Geld ausgeben. Beispielsweise hat der Rechnungshof ausgeschildert, wie bei uns die Bildungs­karenz missbraucht wird. Es gibt sicher sehr gute Fälle von Bildungskarenz, aber in ganz vielen Fällen wird sie verwendet, um die Elternkarenz auf Kosten des AMS zu verlängern. Das war nicht der Plan der Bildungskarenz. Wir kaufen junge, gut ausgebildete Arbeitskräfte mit dem Geld der Arbeitslosenver­sicherung für ein Jahr aus dem Arbeitsmarkt heraus. Das ist keine Risiko­gruppe auf dem Arbeitsmarkt, für die die Bildungskarenz gedacht gewesen wäre.

Die Regierung hat auch nicht die Kraft aufgebracht, die geblockte Alters­teilzeit rasch abzuschaffen. Sie läuft jetzt irgendwann 2029 aus. Bis dahin kaufen wir mit dem Geld der Arbeitslosenversicherung Arbeitskräfte in die Früh­pension hinein und ermöglichen den Unternehmen, Frühpensionierungsmodelle auf Kosten der Allgemeinheit umzusetzen. Es ist nicht das Ziel von Arbeits­losenbeitragsgeldern, dass wir damit den Betrieben ihre Frühpen­sionierungsmodelle sponsern. So war das nicht vorgesehen.

So gibt es noch einige andere Dinge. Der Leiter des AMS Gänserndorf hat kürz­lich im „Standard“ einen Gastkommentar verfasst. Dort schreibt er wörtlich von kultureller Arbeitslosigkeit: Die Arbeitslosenversicherung wird zunehmend „nicht mehr als solidarisches Sicherheitsnetz, sondern als persönlicher Pausenraum“ betrachtet. Der Leiter des AMS Gänserndorf wird wissen, wovon er spricht.

Da haben wir leider ein System, das zu Recht jenen hilft, die Hilfe brauchen, aber in vielen Fällen auch Gelder irgendwohin fließen lässt, wo sie nicht gebraucht würden, sondern wo es dann vielleicht ein bisschen bequem ist. Das auseinanderzuhalten wäre der Job des Arbeitsministers und der Job des AMS, und diesem Job kommen beide nicht nach. (Beifall bei den NEOS.)

12.59

Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Martin Kocher zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.