9.32
Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf im Namen meiner Kollegin Petra Oberrauner sehr, sehr herzlich Bürgermeisterin Michaela Oberlassnig und Mitglieder des Gemeinderates aus Feld am See in Kärnten sehr herzlich begrüßen. (Allgemeiner Beifall. – Abg. Kickl: Die freuen sich nicht über Ihre Performance da!)
Ich glaube, die Gäste, die heute da sind, aber auch die Bürgerinnen und Bürger, die uns zuschauen, werden sich natürlich eines wünschen: eine medizinische Vollversorgung in Österreich. Diese ist in Gefahr. Herr Finanzminister, auch wenn Sie sich gerade für nicht zuständig erklärt haben: Sie sind der Querschnittsminister dieser Republik, denn Sie haben das Geld. Das Geld wird vom Finanzministerium aus verteilt. (Beifall bei der SPÖ.)
Wenn man gut verhandelt, bekommt man natürlich auch entsprechende Mittel, das ist keine Frage. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Ich darf Sie einladen, mit mir eine kurze Reise zurück zu machen. (Ruf bei der ÖVP: Oje! – Abg. Tanda: Bitte nicht schreien!) Zwischen 2000 und 2006 haben die Gebietskrankenkassen, weil sie kleingeschrumpft wurden, ein Minus eingefahren. Zwischen 2006 und 2016 – also dank aller roten Regierungsmitgliedern – wurden die Gebietskrankenkassen saniert und danach ging es wieder bergab. (Abg. Loacker: An welchem Tag war die Wiener Kasse saniert? ... jedes Jahr Millionen versenkt! Jetzt habt ihr es im Nationalrat ..., fix noch einmal!)
Mit dieser Gesundheitsreform passieren kleine Schritte, mit denen wieder Verbesserungen vollzogen werden. Das große Überthema, die Krankenhäuser zu entlasten und die Kassenärztinnen und -ärzte aufzuwerten, wird aber auch mit dieser Reform wenig bis gar nicht gelingen. Ich kann Ihnen auch sagen, warum.
Herr Finanzminister, Sie sagen, jeder soll sich seinen Wahlarzt, seine Wahlärztin aussuchen können. – Um jene, die es sich aussuchen können, mache ich mir – machen wir uns als Sozialdemokratie – keine Gedanken, die brauchen uns nicht. Um jene aber, die es sich nicht aussuchen können, muss man sich Gedanken machen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl: Sie gehören ja sicher nicht dazu, dass Sie einen solchen Wahlarzt konsumieren, sicher nicht!)
Es geht um die Basisversorgung in diesem Land. Die Basisversorgung leisten Kassenärzt:innen und die Privatversorgung leisten Privatärzte und -ärztinnen. Obwohl für ein ärztliches Gespräch bei Kassenärztinnen und Kassenärzten zum Beispiel im Leistungskatalog 15 Minuten vorgesehen sind, haben die Kassenärzte und -ärztinnen diese Zeit oft nicht mehr, weil es natürlich regional ganz unterschiedlich ist, wie die Versorgungslage ist und weil es auch bei den Fachärzten und Fachärztinnen ganz unterschiedlich ist, wann jemand einen Termin bekommt.
Die Terminfrage ist der springende Punkt: Jeder, der in Österreich Hilfe braucht, bekommt sie. Die Frage ist nur, wann. Es ist nicht egal, wo man lebt und welche Fachärzte und Fachärztinnen in der Nähe sind. Ich denke, dass viele, viele soziale Ungleichheiten in diesem Land das noch befördern. Soziale Ungleichheiten sind natürlich gekoppelt mit den folgenden Tatsachen: Wo wohne ich? Welchen Arbeitsplatz habe ich, wenn ich einen habe? Kann ich mir die Wohnung, in der ich lebe, oder das Haus, in dem ich lebe, auch wirklich leisten? Das hängt natürlich ganz eng mit der gesundheitlichen Versorgung zusammen, denn wenn ich einen Arbeitsplatz habe, wenn ich eine saubere, warme Wohnung ohne Schimmel habe, wenn ich mir das Essen leisten kann, das ich mir leisten will, dann bin ich gesünder, sehr geehrte Damen und Herren. Wenn ich das alles nicht habe, dann brauche ich das Gesundheitssystem umso dringender, aber mit Kassenarztstellen und Kassenärztinnenstellen und nicht mit Stellen in der Privatmedizin. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Bogner-Strauß: Deshalb ja die 300 Millionen mehr!) )
Es gibt eine Gesundheitsforscherin, die nicht nur von der Zwei- und Dreiklassenmedizin spricht, sondern sie sagt, dass es auch eine vierte Klasse gibt. Die Zweiklassenmedizin, in der wir alle leben, beschreibt das Ausweichen auf einen Wahlarzt, eine Wahlärztin. Wir können uns wahrscheinlich Wahlärztinnen und Wahlärzte leisten, wenn es in der Nähe keine Fachärzt:innen gibt. Man kauft sich die bessere Versorgung. Die Dreiklassenmedizin bezieht sich auf das, was ich gerade gesagt habe: Es ist nicht egal, wo jemand lebt und wie jemand lebt und welche Lebensbedingungen und Arbeitsbedingungen jemand hat. Das ist dann die dritte Klasse, die dazukommt, wenn man es sich nicht aussuchen kann. Die vierte Klasse ist jene, wenn man persönliche Beziehungen zu Ärztinnen oder Ärzten hat und deswegen schneller drankommt. (Abg. Hanger: Wie Sie, nicht!? – Abg. Zarits: Wie Sie!)
Das heißt, wir haben eine Mehrklassenmedizin. Ich war gestern in einem niederösterreichischen Krankenhaus und habe eine halbe Stunde im OP-Saal gewartet – ich hatte eine Darmspiegelung und eine Gastroskopie –, weil die Leute dort überlastet waren, weil der Arzt einfach nicht dahergekommen ist. Er ist erst eine halbe Stunde später gekommen. Ich will Ihnen damit sagen, dass es wirklich schwierig ist - - (Unruhe bei der ÖVP. – Ruf bei den Grünen: Gratuliere! – Abg. Prinz: Ihre Sorgen möchten wir haben!) – Ja, erzählen Sie uns dann persönliche Beispiele! Ich war schon im OP-Saal und habe dort gewartet, ganz egal. Ich habe dort in den Ambulanzen viele Leute gesehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, die ganz einfach gar nicht drangekommen sind und wieder weggeschickt werden mussten.
Also bitte: Könnten Sie eine Gesundheitsreform machen, die den Namen auch verdient? (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl: Eine halbe Stunde! Sie sind ja wirklich zu bedauern! – Abg. Heinisch-Hosek –auf dem Weg zu ihrem Sitzplatz –: Im OP-Saal, hallo! Nicht in der Ambulanz!)
9.38
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kaniak. – Bitte.