19.41

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich würde ja jetzt sehr gerne – und möchte das auch tun – auf das eine oder andere Argument in dieser Debatte eingehen (Abg. Michael Hammer: Ja, aber die Blauen haben sich schon verab­schiedet von einer seriösen Debatte! Das ist nur mehr Unsinn! – Abg. Martin Graf: Da redet aber der Minister nicht als Letzter!), weil eine parlamentarische Debatte wohl auch dazu dienen sollte, bis auf den letzten Redebeitrag zu würdigen – wenn man das kann –, was gesagt worden ist.

Angefangen hat das Ganze letztes Jahr im Dezember – die Klubobfrau hat es angedeutet –, und es stellte sich irgendwie die Frage: Na, wie kann man überhaupt im System, das wir haben, so etwas wie eine Gesundheitsreform angehen?

Im Prinzip würden wir – da sind wir einer Meinung – eine Finanzierung aus einer Hand brauchen. Das ist einfach nicht machbar, also gibt es eine einzige Mög­lichkeit in einem Bundesstaat, einem föderalen Staat wie Österreich, nämlich das Geld und der Finanzausgleich. Das war der Ansatzpunkt.

Dann möchte ich etwas tun, was mir wichtig ist, nämlich mich bei allen zu bedanken, die sich da positiv beteiligt haben. Das wäre nicht zustande gekom­men, hätten sich nicht die Bundesländer in ihrer Vielfalt, die schwarzen Bundesländer und die roten Bundesländer, die schwarzen Landesrätinnen und Landesräte und die roten Landesrätinnen und Landesräte konstruktiv an dieser Gesundheitsreform beteiligt.

Ich komme dann noch dazu, warum es keine blauen gibt, das hat einen Grund. (Heiterkeit des Abg. Wurm.)

Ich bedanke mich bei der Sozialversicherung, die sich konstruktiv beteiligt hat. Deshalb steht jetzt da eine Gesundheitsreform, die jedenfalls den Weg dafür ebnet, die Defizite, die wir haben – und die sind von Ihnen zu Recht aufgezeigt worden –, zu verbessern.

Es hat einen einzigen Grund, eine Grundmotivation gegeben – ich habe es heute Vormittag gesagt –, nämlich die Situation für die Patientinnen und Patien­ten zu verbessern. Das sind der Kern und das Wesen dieser Gesundheits­reform. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn der Befund ist, ja, wir haben ein Thema im niedergelassenen Bereich, weil es weniger attraktiv ist, heutzutage eine Ordination – jedenfalls eine Kassenordination – aufzumachen, und deshalb die Menschen vermehrt in die Spitäler oder zum Wahlarzt oder zur Wahlärztin gehen müssen, dann muss man an dieser Stelle ansetzen, und das tun wir.

Ein Kernelement ist der Ausbau der niedergelassenen Kassenstellen, eine Verbesserung der Verträge, eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und ein einheitlicher Leistungskatalog vom Bodensee bis zum Neusiedler See, weil es nicht davon abhängen kann, wo man wohnt, ob man eine gute Behandlung bekommt oder eben nicht. Dafür ist das Geld aus dem Steuersäckel sozusagen für die Sozialversicherung gedacht, und das ist erstmalig so. Jetzt kann man beklagen, es sei zu wenig. Die anderen sagen, es sei überhaupt zu viel. Andere reden davon, es sei sinnlos hinausgeschmissenes Geld. Aber eine Grundvor­aussetzung, am System etwas zu ändern, ist es, im niedergelassenen Sektor diese Verbesserungen herbeizuführen. Das ist ein wesentlicher Punkt.

Zweiter Punkt: Es ist ja der Vorwurf gekommen, wir würden den Ländern einfach Geld hinterherwerfen, sozusagen, die könnten dann damit machen, was sie wollten. Es ist auch argumentiert worden, Kollege Loacker, das hätte ja alles schon bisher in den 15a-Vereinbarungen Platz gefunden und wäre dort schon abgebildet.

Das ist zum Teil richtig. Die Zielformulierungen waren immer da. Es sind immer in den 15a-Vereinbarungen Ziele formuliert worden, aber es ist nie geklärt worden: Wie erfolgt die Abwicklung?, und es ist nie geklärt worden: Wie funk­tioniert überhaupt die Widmung dieser Gelder?

Das war einfach nicht da. Was wir jetzt machen, ist, die Governance dazu zu schaffen, und die Verbindlichkeit über die Bundes-Zielsteuerung-Gesundheit – und das ist von Frau Kollegin Heinisch-Hosek erwähnt worden – herzustellen, die ja dafür eingerichtet worden ist, die es aber nicht konnte, weil die Verbindlichkeit nicht hoch genug war.

Die Bundes-Zielsteuerungskommission Gesundheit, die bisher ein paar Hundert Millionen Euro verwaltet hat – immer unter großer Streiterei im Detail zwischen Sozialversicherung, Bundesländern und Bund –, bekommt jetzt die Aufgabe und die Funktion und auch die Kompetenz, diese 1 Milliarde Euro, die dem Gesundheitssystem zusätzlich zur Verfügung steht, zu verwalten und damit zu gestalten, und zwar gemeinschaftlich: Bund, Sozialver­sicherung und Bundesländer. Das sind das Wesen und der Kern der Bundes-Zielsteuerungskommission.

Meiner Wahrnehmung nach gelingt es jetzt durch diese Gesundheitsreform, diese endlich zu dem zu machen, wofür sie gedacht war, nämlich tatsächlich eine Zielsteuerungskommission, die gemeinschaftlich die Dinge steuert und es eben nicht zulässt, dass auf Landesebene irgendetwas passiert, im niedergelas­senen Bereich eine Fehlentwicklung stattfindet und bei der Sozialver­siche­rung wieder etwas völlig anderes. Damit ist Schluss.

Wichtiger Punkt: Was es ausmacht, die Vetomöglichkeit der Ärztekammer zu beseitigen, hat das Primärversorgungsgesetz bewiesen. Seit die Vetomöglichkeit der Ärztekammer im Primärversorgungsgesetz beseitigt ist, haben wir – das war im Sommer dieses Jahres – 30 zusätzliche Anträge auf Primärversorgungs­zentren, Tendenz steil steigend.

Die haben einen Grundversorgungsauftrag oder nehmen einen Grundversor­gungs­auftrag genau entlang der Devise, die dieser Gesundheitsreform zugrunde liegt – digital vor ambulant vor stationär –, wahr, und das ist auch wichtig. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das Argument – Kollege Loacker, das muss ich noch kurz aufgreifen, weil Sie das gesagt haben –, die Pharma bekomme keine Termine bei mir, ist ein schlechter Scherz, weil ich mich erstens fortlaufend mit denen treffe und zwei­tens dafür gesorgt habe – oder wir gemeinsam dafür gesorgt haben –, dass der Standort Kundl, der größte Antibiotikaproduzent, den wir in Europa noch haben, 15 Millionen Euro, die die Bundesregierung zur Verfügung gestellt hat, von der Europäischen Union freibekommt. Es war ich, der zur Kommissarin nach Brüssel gegangen ist und gesagt hat: Also bitte schön, wir können nicht darüber reden, eine Wiederansiedelung in Europa zustande zu bekommen, wenn es euch nicht gelingt – Wettbewerbsgründe! –, die 15 Millionen Euro, die wir als Bundesregierung dorthin geben wollen, freizu­geben.

Das ist gemacht worden. Diese Gespräche finden statt. Was ich nicht bin – das ist wohl wahr –, ist ein Pharmalobbyist wie Herr Kaniak, das bin ich nicht. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Heinisch-Hosek.)

Das Bewertungsboard ist das genaue Gegenteil dessen, was von Ihnen hier dargelegt worden ist. Wie ist diese Situation jetzt? – Jetzt werden die teuren und seltenen Medikamente von jedem Spital in Österreich mit einer Vertragskons­truktion eigenständig besorgt. Diese Verträge heißen Managed Entry Agreements und sind Abkommen, die der Verschwiegenheit unterliegen, zwischen der Pharma, die zuliefert, und dem jeweiligen Spital.

Es ist vollkommen intransparent, wie diese Preisgestaltung stattfindet, es ist aufgrund der Verschwiegenheitspflicht vollkommen intransparent, welche Medi­kamente dort verfügbar sind. Heute ist es so, meine Damen und Herren, dass Sie abhängig davon sind, in welchem Bundesland Sie leben, in welchem Kranken­haus Sie behandelt werden, je nachdem bekommen Sie ein Medikament oder bekommen es nicht. Mit diesem Board wird Transparenz geschaffen, nichts ande­res. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wer das nicht will, Kollege Kaniak, ist tatsächlich ein Lobbyist der Pharmaindustrie, denn die will das nicht. Die wollen die Geheimnisse der Verträge behalten. Wenn Ihr Kollege Hauser zu Recht immer darauf hinweist, da müsse Transpa­renz hinein: Genau das machen wir jetzt. (Abg. Kaniak: Das hätten wir uns bei den Covid-Impfstoffverträgen auch gewünscht, Herr Minister!) Es wird Trans­parenz geschaffen und es wird entgegen Ihren Behauptungen dort die Besetzung so stattfinden, dass ausschließlich Menschen mit einer ärztlichen oder einer pharmazeutischen Ausbildung Platz haben werden.

Es ist eine Empfehlung. Die Letztentscheidung darüber, welches Medikament eingesetzt wird, liegt beim Arzt oder bei der behandelnden Ärztin, nicht mehr und nicht weniger. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wird das alles ausreichen oder wie lange wird es brauchen, bis das in die Gänge kommt? Weil 1450 angesprochen worden ist: Kollege Loacker, natürlich hat das eine Steuerungsfunktion! Natürlich hat digital vor ambulant vor stationär eine Steuerungsfunktion. Natürlich muss es so sein, dass ein Lenkungseffekt damit generiert wird, ja was denn sonst? Wenn wir wollen, dass die Menschen am Best Point of Service behandelt werden und nicht automatisiert ins Spital gehen, dann wird dieser Lenkungseffekt zu generieren sein. Das war ein wesentliches Anliegen aller an dieser Reform Beteiligten, dass das zustande kommt.

Es findet heute zu wenig statt – da teile ich ja den Befund. Wenn aber Finnland es kann, wenn Israel es kann, wenn andere Länder es können, diese Digita­lisierung so voranzutreiben, dass sie a) praktikabel ist und b) zu Lenkungseffekten führt, dann wird Österreich das auch können. Die Voraussetzungen sind jetzt dafür geschaffen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Dann habe ich davon gesprochen, dass es ein paar Teile gibt, ja, die ich gerne gehabt hätte. Natürlich wäre die Wirkstoffverschreibung ein Element gewesen, das in dieser Gesundheitsreform hätte Platz greifen können, und andere Dinge mehr. Da geht dann halt nicht alles, weil es eine Übung ist, da die unter­schied­lichen Player zusammenzubringen. Ich bleibe aber dabei: Mit dieser Reform tritt nicht automatisch ein Heilszustand ein, aber es ist die Vorausset­zung geschaffen, dass nicht eintreten wird, was ansonsten eingetreten wäre. Hätten wir diese Reform nicht gemacht, hätten wir in fünf Jahren Mehrkosten von 7 Milliarden Euro im System. Wir hätten keine Wirkung, wir hätten eine sinkende Qualität, und es würde dann mit dem Rotstift und mit dem Rasenmäher drübergefahren werden, es würde zu Leistungseinschränkungen kommen.

Das ist der Grund und die Grundmotivation, warum es mir wichtig war, diese Reform zustande zu bringen. Und wer wie die Kollegen von der Freiheitlichen Partei im Zusammenhang mit dieser Reform von einem „Griff ins Klo“ redet – also ins Klo greife ich schon gar nicht, denn da drin ist es braun –, dem muss ich einfach sagen (Heiterkeit des Abg. Schallmeiner – Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Kaniak: ... des Hygienestandards!): Wissen Sie, es hat einen guten Grund, warum man Sie in den Bundesländern, in denen Sie mitregieren, bei der Gesundheit nicht mitreden lässt. Wenn Sie nämlich bei der Gesundheit mitreden, dann ist die Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher gefähr­det. Sie sind gesundheitsgefährdend für die Österreicherinnen und Öster­reicher, und deshalb lässt man Sie nicht mitreden. (Abg. Deimek: Also Sie wissen Details von den Koalitionsverhandlungen ...!) Ihre Gesundheitsministerin Hartinger-Klein hat das Gesundheitsministerium zugrunde gerichtet – zugrunde gerichtet! (Beifall bei Grünen und SPÖ. – Abg. Deimek: Sie sollten uns mehr Legales ...!)

Ja, Sie wollen es nicht hören, so ist es: Es hat in konstruktiver Weise in den ver­gangenen Jahren und Jahrzehnten Beiträge der Sozialdemokratie gegeben, selbstverständlich der ÖVP, auch der ÖVP-Bundesländer – von Ihnen nicht! Und deshalb haben Sie vielleicht nicht die Gnade, diese Gesundheitsreform zur Kenntnis zu nehmen. (Abg. Lausch: Sie haben noch acht Monate!)

Ich werde Ihnen aber Folgendes sagen: Ihre blauen Regierungskolleginnen und -kollegen in den Bundesländern werden dem im Landtag natürlich zustimmen, weil die 15a-Vereinbarung in allen Landtagen beschlossen werden muss; und sie werden da schön artig zustimmen, weil sie wissen: Damit kommt mehr Geld ins Bundesland und ins System. – Ich danke. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

19.53

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zur Geschäftsbehandlung: Herr Dr. Martin Graf. – Bitte, Herr Abgeordneter.

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