12.09

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Bevor ich auf den Tagesordnungspunkt eingehe, möchte ich gerne noch die Zuseherinnen und Zuseher hier auf der Galerie herzlich begrüßen, im Besonderen den Seniorenbund Kroatisch Geresdorf im Namen von Niki Berlakovich. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)

Meine Damen und Herren! Der Österreichplan von Bundeskanzler Karl Nehammer hat viele Vorschläge zu Staats- und Verfassungsrecht und natürlich auch zum Rechtsstaat. So diskutieren wir jetzt Volksbegehren und echte Demokratie. Weltweit lebt nur noch ein Viertel der Menschen in einer Demokratie, vor zehn Jahren war es noch die Hälfte.

Im weltweit größten Datensatz zur Demokratie wird von der Universität Göteborg aufgezeigt, dass im vergangenen Jahrzehnt über 40 Länder autokratischer geworden sind. Die Fortschritte in der weltweiten Entwicklung der Demokratie in den vorangegangenen drei Jahrzehnte sind wieder weg. Erstmals seit über 20 Jahren gibt es mehr geschlossene Autokratien als liberale Demokratien. 42 Länder sind im vergangenen Jahrzehnt autokratischer geworden. (Abg. Belakowitsch: Ja, Österreich!) Die machen zusammen 43 Prozent der Weltbevölkerung aus.

Der Krieg ist in Europa wieder angekommen. Das nicht nur, um die Ukraine zu unterwerfen, sondern weil Putin vor allem einer ist, der die Demokratie für falsch hält, einer, der politisch anders Denkende auf Fahndungslisten setzt, einer, der sie in Straflager sperrt und Meinungsfreiheit mit Polizei oder mit Internettrollen unterbindet.

Russland ist ein Land, in dem nur eine Partei eine Chance hat, gewählt zu werden, und dies ist die Partei, die mit der FPÖ einen Vertrag abgeschlossen hat. Die letzten 35 Jahre haben in uns die Hoffnung geweckt, dass Krieg kein Mittel der Politik mehr ist. Das ist ein Nostalgierisiko, mit dem wir heute leben, daher sind Initiativen für die Demokratie so wichtig. Das gilt auch für die Initiatoren dieses Volksbegehrens.

Wie ist das aber nun in Österreich? – Hier herrschen freie Wahlen, es gibt ein faires Verhältniswahlrecht, es gibt eine klare Mehrparteienlandschaft. Wir alle genießen die bürgerlichen Freiheiten: Eigentum schaffen, Erwerbsfreiheit, Niederlassungsfreiheit. Die Polizei unterliegt einer klaren Kontrolle. Sie ist zu einer Menschenrechtspolizei geworden und verteidigt heute die Meinungsfreiheit. Sie lässt sogar Meinungsfreiheit so weit zu, dass sie von jemanden missbraucht wird, um Menschen zu verlocken, wenn es etwa um ein Mittel geht, das eigentlich für Pferde und nicht für Menschen ist. Auch das wird in Österreich durch die Polizei zugelassen. (Zwischenruf des Abg. Hafenecker.)

In Österreich steht kein politisch Andersdenkender auf der Fahndungsliste. Jedenfalls so lange nicht, so lange ein gewisser Herbert Kickl nicht seine Machtfantasien ausleben kann. Die Politik des friedlichen Miteinander, die wir in den letzten 35 Jahren in Europa hatten, ist nicht selbstverständlich. Wir sehen die Entwicklungen und Auswirkungen des Putin’schen Angriffskrieges jeden Tag. Doch die Antworten sind nicht Vokabeln der alten Nazis – Systemparteien – oder billige Wortspiele wie Bla-bla für Andreas Babler oder „fette [...] Spinne“ für Alfred Gusenbauer, wie sie Herbert Kickl gebracht hat. Ich sage, spalten ist out, miteinander ist die Zukunft. Das Miteinander gibt uns den materiellen, den sozialen, den kulturellen, den wissenschaftlichen und vor allem den emotionalen Reichtum. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

So danke ich den Initiatoren, dass sie sich Gedanken über die Demokratie und nicht gegen die Demokratie gemacht haben, auch wenn manche Ideen kraus wirken: eine Legislaturperiode für zwei Jahre, sodass man alle zwei Jahre wählt, oder die Zusammenarbeit im Parlament als illegales Kartell zu bezeichnen oder Kandidatenlisten mit Sexismusverbot zu belegen, damit das Reißverschlusssystem nach Geschlechtern verboten wird. Das sind all die Dinge, die von uns nicht unterstützt werden können.

Zum Schluss: Die Zukunft gehört der Demokratie. Bei den höchsten Pro-Kopf-Einkommen weltweit stehen die Demokratien an der Spitze. Dank Meinungsfreiheit und Medienvielfalt wird oft debattiert, neue Gedanken bringen neue Chancen. Ein respektables Wirtschafts- und Wissenschaftswesen hilft faktenbasierte Neuerungen einzubringen. Demokratie wird auch andere schwierige Aufgaben in der Zukunft noch lösen, aber wir müssen daran glauben.

Überlassen wir die Demokratie nicht den linken oder den rechten Hetzern. In der Mitte liegt die Kraft. Im Superwahljahr 2024 entscheidet fast die Hälfte der Weltbevölkerung, ob Demokratien oder Autokratien gestärkt werden. Geben wir der Demokratie eine zweite Chance. Sie macht uns reicher in Gedanken, Worten und Werken. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.15

Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Gerstl! Wir haben uns darauf verständigt, dass wir hier auch ordnungsrufwürdige Herabwürdigungen und Beleidigungen nicht zitieren und dass das Zitieren an sich wieder einen Ordnungsruf nach sich ziehen würde. Ich nehme davon Abstand, wollte Sie aber darauf aufmerksam machen, dass wir uns darauf verständigt haben.

Nun ist Herr Abgeordneter Christian Drobits zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Hafenecker: ... setzt Intellekt voraus!)