12.55

Abgeordnete Mag. Julia Seidl (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche ja heute das letzte Mal vor Ihnen in diesem Hohen Haus, weil ich mich entschieden habe, Wahlkampf in Innsbruck zu machen. Ich glaube, dass es dringend notwendig ist, dass wir dort vorwärtskommen – Sie kennen die Situation. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Wurm: Einen freiheitlichen Bürgermeister brauchen wir dort!)

Ich glaube, dass beides gemeinsam, ein Nationalratsmandat auszuüben und einen ehrlichen, glaubwürdigen Wahlkampf in Innsbruck als Bürgermeisterkandidatin zu führen, nicht miteinander vereinbar ist.

Ich finde es schön, dass ich zur Sommerzeit reden darf. Es ist ja Usus in diesem Haus, dass man sich bei seiner Abschiedsrede auch ein bissl vom Thema entfernen darf. Ich werde das auch tun, aber ich finde es, wie gesagt, schön, dass ich zur Sommerzeit reden darf, und zwar deswegen, weil ich glaube, dass wir in Österreich aufpassen müssen, dass wir – im übertragenen Sinne – politisch und gesellschaftspolitisch in den nächsten Jahren nicht in einer Winterzeit aufwachen, in der es ziemlich kalt, dunkel und düster werden wird. (Abg. Kickl: Noch kälter?)

Wenn ich einen Rückblick anstelle und darüber nachdenke, wie meine letzten zweieinhalb Jahre in diesem Haus waren, dann muss ich leider sagen, dass der Pensionist, der mich neulich auf der Straße im Rahmen eines Wahlkampfgesprächs angesprochen hat, leider recht hat. Ich habe ihn gefragt, was er sich von der Politik wünscht, egal auf welcher politischen Ebene. Da hat er kurz überlegt und mir gesagt: Ich wünsche mir, dass die Politikerinnen und Politiker mehr nach ihrem Gewissen handeln anstatt nach der Parteipolitik oder der Taktik. Und ich finde, er hat recht, und man sollte diese Bürger:innen auch sehr ernst nehmen – weil ich da schon ein Raunen von der ÖVP höre. Er hat recht. Er hat recht, wenn er sagt: Wie kann denn das sein, dass die Taktik über allem anderen steht?

Mein Befund über die letzten zweieinhalb Jahre sagt Ähnliches: Wir sehen, dass dieses taktische Kalkül, immer wieder eine Wahl zu gewinnen, immer wieder an der Macht zu bleiben (Abg. Pfurtscheller: Es ist ein taktisches Kalkül, eine Wahl zu gewinnen?) – Frau Pfurtscheller gefällt das nicht –, dazu führt, dass man ständig versucht, die größten Zielgruppen zu bedienen. Warum ist das problematisch, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen? – Sie bedienen sich hier umfassend und Sie begehen hier umfassend und massiv einen Zukunftsraub an den nächsten Generationen. (Beifall bei den NEOS.)

Ein Kollege von der ÖVP hat heute schon gesagt: Manchmal sind die richtigen Entscheidungen die unpopulären. Wissen Sie, was? Er hat recht. Interessanterweise ist aber genau die ÖVP nicht in der Lage, diese unpopulären Entscheidungen zu treffen, weil sie alles dafür gibt, an der Macht zu bleiben. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Kickl: Aber ihr steht Gewehr bei Fuß, den Mehrheitsbeschaffer zu machen!)

Ich möchte meinen Befund kurz mit drei Beispielen untermauern. Schauen wir uns das österreichische Pensionssystem an: Wir fahren da mit Vollgas an die Wand, mit vollem Karacho. Und was passiert hier herinnen seit Jahren? – Wir steigen einfach noch einmal aufs Gaspedal. Warum? – Weil die Zielgruppe sehr groß ist.

Schauen wir uns das Bildungssystem an: Wie viel ist denn da an Verbesserungen passiert? – Aus meiner Sicht nicht viel, seit ich die Julis mitgegründet habe, die Jungen Liberalen, und das ist schon ziemlich lange her, 16 Jahre. Wir trennen die Kinder immer noch zu einem Zeitpunkt, zu dem dies nicht notwendig wäre. Wir schaffen es immer noch nicht in unserem Bildungssystem, Bürgern und Bürgerinnen die Chance zu geben, ihre Talente zu entfalten, damit sie schlussendlich ihr Leben alleine, eigenverantwortlich mit dem Rüstzeug, das sie brauchen, meistern können. (Abg. Hafenecker: Eine Wiederkehr des alten Systems!) Wir haben ein System in der Bildung, das sich ganz stark an Fehlern orientiert, und aus meiner Sicht ist es nicht zukunftsfähig.

Wir müssen doch schauen, dass die Kinder in der Schule nicht abstumpfen! Wir müssen doch schauen, dass sie das lernen, was sie nicht können, und dass sie dort, wo sie gut sind, noch besser werden!

Ganz nebenbei haben wir ein Förderalismussystem und ein Fördersystem gebaut, in dem wir die Menschen mittlerweile von Förderungen abhängig gemacht haben. Woran erkennt man das? – Wenn wir uns überlegen, was in unserem Staat alles passieren würde, wenn wir die Förderungen kürzen würden, dann müssten wir feststellen, glaube ich, dass die Situation dann nicht mehr sehr gut ausschaut. (Präsident Hofer übernimmt den Vorsitz.)

Unternehmertum, Bürokratieabbau – nichts; ich muss ehrlicherweise sagen: Viel ist da nicht passiert! Der Staat ist und bleibt nach wie vor gefräßig wie eh und je. Die Menschen sind abhängig vom Goodwill des Staates, der Nanny State schreitet voran und schreitet voran. (Beifall bei den NEOS.)

Das finde ich schade, denn alle regen sich darüber auf, dass wir eine Generation von Couch Potatos heranzüchten, und ich muss ganz ehrlich sagen: Ich verstehe es. Wenn ich keine Hoffnung in die Zukunft mehr habe, wenn ich mir nichts mehr aufbauen kann, weil der Staat die ganze Zeit alles aus meiner Geldtasche wieder rausholt, was ich reingearbeitet habe, dann habe ich doch auch keinen Bock mehr, wirklich anzupacken und etwas zu machen.

Schlussendlich freue ich mich sehr, dass es in Österreich Unternehmerinnen und Unternehmer gibt, die in diese Verantwortung gehen. Ich freue mich darüber, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sagen: Ich arbeite trotzdem, ich gebe trotzdem etwas und ich bringe trotzdem Leistung! Es ist nämlich gar nicht anders möglich, wie sollen wir als Staat denn sonst vorankommen? Ich glaube, dass man allen Danke sagen muss, weil sie trotz dieser Bundesregierung, trotz der Gesetze und trotz der Entscheidungen, die wir nicht getroffen haben, weitermachen.

Abschließend möchte ich mich bei meinen Ausschusskolleginnen und -kollegen aus dem Tourismusausschuss, aus dem Kulturausschuss bedanken. Wir hatten sehr gute Gespräche. Wir haben oft sehr hart debattiert, waren aber eigentlich immer fair zueinander, und das finde ich schon schön. An die Zuhörer und Zuhörerinnen: Das ist etwas, was man oft nach außen hin nicht wahrnimmt, aber das gibt es auch! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

Abschließend an meinen besten Klub natürlich: Liebe NEOS, ich danke euch recht herzlich! Ihr seid – das muss ich sagen – Lichtgestalten, die sich als Einzige hier herinnen wirklich nachhaltig um die nächsten Generationen Sorgen machen, in die Zukunft denken und diese Systeme anprangern.

Wenn Sie in Zukunft als Nationalrat, wenn Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, in Zukunft hier herinnen Entscheidungen treffen, möchte ich Ihnen eine Sache mitgeben: Überlegen Sie, wie Sie diese Entscheidungen treffen würden, wenn Kinder und Jugendliche in diesem Land nicht nur eine Stimme hätten, sondern ihre Stimme doppelt zählen würde! Welche Entscheidungen würden Sie treffen? – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen.)

13.02

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Dr. Dagmar Belakowitsch. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.