13.43.11

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Die Vorrednerin war zwar pro eingemeldet und hat kontra gesprochen, aber ich kann das allermeiste von dem, was Kollegin Niss gesagt hat, unterstützen. (Abg. Ottenschläger: Dann passt es eh!) Die Lieferkettenrichtlinie hat das Ziel, die Unternehmen zu verpflichten, den Schutz der Menschenrechte entlang der Lieferkette zu garantieren. Wir sind natürlich alle für die Einhaltung der Menschenrechte – ganz klar. Wir müssen aber schon aufpassen, was wir mit der Art der Regelung bewirken: Wenn sich nämlich Unternehmen aus bestimmten Ländern aus Sorge vor Strafzahlungen zurückziehen und damit dann die Investitionen aus Österreich nicht in diese Länder – Länder, die am meisten von solchen Investitionen profitiert hätten – fließen, dann ist keinem gedient. (Abg. Kassegger: Na ja, sicher!)

So, wie die Lieferkettenrichtlinie momentan ausschaut, ist das für Unternehmen ab 500 und bei Risikobranchen ab 250 Mitarbeitern gedacht, da sind wir schon im wirtschaftlichen Mittelstand drin. Auch der Bausektor gilt als Risikobranche und man kann sich ausrechnen, was zusätzliche bürokratische Vorschriften für den Bausektor bedeuten. (Abg. Wurm: Wohnungen werden billiger!) Das Bauen wird teurer – oh, Überraschung! Man kann sich natürlich die Probleme, die man schon hat, noch einmal vergrößern.

Wie auch Kollegin Niss richtig ausgeführt hat: Mit dem Downstream der Lieferkette – das Unternehmen muss bis zum letzten Detail, bis zur letzten Schraube nachvollziehen, ob jeder Zulieferer und auch jeder indirekte Zulieferer die Menschenrechte eingehalten hat – wird das ein superbürokratisches Monster.

Sicherzustellen, dass in Bangladesch, in Pakistan, in Eritrea die Menschenrechte eingehalten werden, ist nicht die Aufgabe von Unternehmen. Da wälzt die EU ihre eigene Aufgabe auf die Unternehmen ab. Es wäre eigentlich der Job der Europäischen Union, durch zwischenstaatliche Abkommen, durch internationale Handelsabkommen Standards zu vereinbaren, die für alle Seiten gelten. Solche Standards werden beispielsweise in Handelsabkommen vereinbart, Handelsabkommen, wie das Mercosur-Abkommen, das die meisten Parteien hier ablehnen. Wenn Sie sich der internationalen Diskussion verweigern, wenn Sie sich den internationalen Abkommen verweigern, dann verunmöglichen Sie es auch, gemeinsame internationale Standards zu vereinbaren, die den Menschenrechten helfen, nämlich nicht nur in Europa, sondern auch in anderen Ländern, und darum sollte es gehen. (Beifall bei den NEOS.)

Ich bringe daher folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Ende der österreichischen Blockadehaltung zum Mercosur-Abkommen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, wird aufgefordert, Verhandlungen zu internationalen Handelsabkommen nicht bereits vor deren Abschluss durch Vetodrohungen zu blockieren. Stattdessen möge die Bundesregierung für Österreich akzeptable Resultate präsentieren und zusammen mit den europäischen Partnerstaaten die Verhandlungen unterstützend begleiten, um für alle Parteien türöffnende Lösungen zu erarbeiten.“

*****

Ich danke Ihnen. (Beifall bei den NEOS.)

13.46

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Ende der österreichischen Blockadehaltung zum Mercosur-Abkommen

eingebracht im Zuge der Debatte in der 249. Sitzung des Nationalrats über Volksbegehren "Lieferkettengesetz Volksbegehren" (2428 d.B.) – TOP 4

Lieferkettengesetze, europäische Standards und das laute Schweigen zu Freihandelsabkommen

Im Wirtschaftsausschuss am 23.1.2023 wurde das "Lieferkettengesetz Volksbegehren" (2077 d.B.) besprochen. In der Diskussion wurde von Expert:innen wie sämtlichen Parlamentsparteien festgehalten, dass gerade angesichts des ausgehandelten EU Lieferkettengesetzes nationale Alleingange nicht sinnvoll wären. NEOS haben dabei hervorgestrichen, dass die EU durch dieses Gesetz den Unternehmen die Aufgaben der Regierungen aufbürdet. NEOS sprechen sich selbstverständlich für ein verantwortungsvolles Unternehmertum mit hohen Standards aus. Da dieses Vorhaben aber mit großen Belastungen für Unternehmen einhergeht, ist eine möglichst EU-weit einheitliche Umsetzung besonders wichtig, um den Binnenmarkt nicht unnötig zu zersplittern. Dazu muss bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der von Unternehmen gesetzten Maßnahmen darauf geachtet werden, dass die tatsächlichen Möglichkeiten von Unternehmen realistisch eingeschätzt werden. Ein:e österreichische:r Unternehmer:in kann nicht für alle seine/ihre Zulieferer in der gesamten Kette die Produktionsbedingungen vor Ort kontrollieren. Es wird eine zentrale Aufgabe der Regierung sein, in Zusammenarbeit mit der EU-Kommission möglichst rasch Instrumente zu erarbeiten, wie v.a. KMU die Vorgaben unkompliziert erfüllen können.

Hohe Standards sind vor allem ein überzeugendes Argument für mehr Freihandel, was angesichts der internationalen Entwicklungen dringend nötig ist. Überraschend findet sich im neuen ÖVP-Programm (Österreichplan) kein einziges Mal das Wort "Freihandel". Im Kapitel "Österreich in der Welt" wird nur vage festgehalten, dass "neue strategische Beziehungen forciert werden" müssen, da Partnerschaften für Österreich essentiell seien, "um im internationalen Wettbewerb zu reüssieren". Darunter wird dann - wiederum unter der Vermeidung des Wortes "Freihandel", geschweige denn "Freihandelsabkommen" - folgende Forderung aufgeführt: "Stärkung der transatlantischen Beziehungen und Ausbau von strategischen Partnerschaften mit Schlüsselmärkten und Partnern wie Israel, Südkorea und den VAE".

Weder die international angespannte Situation und die daraus resultierende Notwendigkeit der intensiveren Zusammenarbeit demokratischer Staaten, noch neue EU-Regeln für die Einhaltung von Standards in der Lieferkette scheinen die ÖVP dazu zu bewegen, sich explizit für mehr Freihandel einzusetzen.

Dieser Antrag dient dazu, die Position der Parlamentsparteien angesichts der jüngsten EU-Gesetzgebungsakte sowie der vagen Aussagen im ÖVP-Österreichplan einzuordnen. Der Antragstext zielt auf einen offenen Zugang zum Thema Freihandel ab und fordert lediglich, Verhandlungen zu internationalen Handelsabkommen konstruktiv zu unterstützen und nicht bereits vor deren Abschluss durch Vetodrohungen zu blockieren.

Hintergrund zum Fall MERCOSUR: Agrar-Populismus auf Kosten der Standortpolitik

Das seit Jahren in Verhandlungen befindliche Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union einerseits und der Mercosur Gruppe (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay) steht in Europa wegen unzureichender Durchsetzbarkeit bei Sozialklauseln und Umweltregeln in der Kritik. Die Europäische Kommission hat daher Nachverhandlungen begonnen, um diese Kritikpunkte zu korrigieren. Österreich hat sich in diesen Nachverhandlungen ins internationale Abseits gestellt, indem es ohne Rücksicht auf das Ergebnis der Verhandlungen eine dogmatische Ablehnungspolitik betreibt und damit Nachverhandlungen torpediert. Die österreichische Ablehnung basiert auf drei Entschlüssen aus den Jahren 2019 und 2021, also aus einer Zeit, in der die Nachverhandlungen noch nicht begonnen hatten. Die österreichische Bundesregierung (wie auch National- und Bundesrat) sollte sich an neuen, in den Nachverhandlungen modifizierten Bestimmungen orientieren, wenn sie das Mercosur Abkommen evaluiert und nicht an einem absoluten Veto festhalten.

In Österreich argumentieren die ablehnenden Stimmen mit zwei Themen: (1) Protektionismus zugunsten (eines Teils) der heimischen Landwirtschaft, und (2) Schutz des Regenwalds vor Abholzung durch landwirtschaftliche Interessen in Brasilien.

Punkt 1: Protektionismus

Ein Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten hat für Österreich eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Derzeit sind 32.000 Arbeitsplätze in 1.400 österreichischen Unternehmen von diesem Handel abhängig. Bei einem Abschluss des Abkommens wird eine Steigerung der europäischen Exporte um 68% erwartet, wobei Österreich besonders von der Exportsteigerung profitieren könnte, da es in für Mercosur wichtigen Sektoren wie Kfz-Bauteilen stark vertreten ist. Europa könnte als erster Handelsblock von einem Abkommen mit Mercosur profitieren und sogenannte "First Mover"-Vorteile erzielen. Eine Verschiebung der Handelsbeziehungen in Richtung China wäre hingegen sowohl wirtschaftlich als auch hinsichtlich der Einhaltung von Menschenrechten und Klimaschutz nachteilig.

Ein Handelsabkommen kann Märkte öffnen, Arbeitsplätze schaffen und gleichzeitig Umwelt-, Produktions- und Menschenrechtsstandards positiv beeinflussen. Beispiele wie das EU-Korea-Abkommen und CETA zeigen, dass solche Abkommen die österreichischen Exporte signifikant steigern können, ohne soziale oder Umweltkatastrophen zu verursachen. Die österreichische Wirtschaft, insbesondere die Industrie, ist stark exportorientiert und profitiert von derartigen Abkommen. Ein Verzicht auf das Mercosur-Abkommen aus Rücksicht auf einen Teil der Landwirtschaft würde den Wohlstand aller Österreicher:innen gefährden. Produktions-, Sozial- und Qualitätsstandards bleiben in der Hand der jeweiligen Abkommensparteien, und Europa muss keine Produkte akzeptieren, die nicht den eigenen Standards entsprechen.

Punkt 2: Regenwaldschutz und Mercosur

Das EU-Mercosur-Abkommen beinhaltet explizite Verpflichtungen zum Arbeitnehmer:innen- und Umweltschutz sowie zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Brasilien verpflichtet sich, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren und die Verbote von Regenwaldrodungen stärker zu überwachen. Das Abkommen kann auch dazu beitragen, die Herkunftskennzeichnung für Rindfleisch zu verbessern und so das Reputationsrisiko auf dem europäischen Markt zu verringern. Die Klimawende in Europa ist ohne strategische Investitionen in Regionen wie Südamerika, die für den Technologiewandel unerlässlich sind, nicht möglich. Die Herausforderungen des Mercosur-Abkommens liegen nicht im Vertragstext, sondern in den fehlenden Sanktionsmechanismen, an denen auf EU-Ebene gearbeitet wird. Eine vorzeitige Ablehnung des Abkommens würde der österreichischen Wirtschaft schaden, ohne Vorteile für Klima, Umwelt oder Sozialstandards zu bringen. Ein gutes Abkommen kann Anreize für Verbesserungen schaffen. Ein doktrinäres Veto Österreichs würde nicht nur ein schlechtes Abkommen verhindern, sondern auch die Chance auf ein besseres.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, wird aufgefordert, Verhandlungen zu internationalen Handelsabkommen nicht bereits vor deren Abschluss durch Veto-Drohungen zu blockieren. Stattdessen möge die Bundesregierung für Österreich akzeptable Resultate präsentieren und zusammen mit den europäischen Partnerstaaten die Verhandlungen unterstützend begleiten, um für alle Parteien türöffnende Lösungen zu erarbeiten."

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Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, er steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Abgeordneter Alois Schroll. – Bitte, Herr Abgeordneter.