9.35

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Schönen guten Morgen, Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Geschätzte Damen und Herren im Hohen Haus! Liebe Zuseher, vor allem liebe Schulklasse! Ich glaube, wir sollten einmal ins Licht rücken, wovon wir sprechen, wenn wir über Inklusion sprechen.

Die Ausgangslage ist ein sperriger Begriff: Inklusion. Man hat ihn vielleicht in der Schule schon einmal gehört oder bei der einen oder anderen Diskussion. Im Grunde genommen bedeutet er nichts anderes als die Art, wie diese Schulklasse heute bei uns ist, nämlich: unter uns.

Menschen, die eine Behinderung haben, die eine Beeinträchtigung haben, die es aufgrund ihrer Lebenssituation schwerer haben, integriert zu werden, können meist nicht unter uns sein. Warum können sie das nicht? – Das will ich Ihnen jetzt einmal von der Fragestellung her beantworten, ohne dass wir gleich Kritik am Minister und an der Regierung üben.

Die Ausgangssituation ist in Österreich derzeit so: Sie kommen heute als Mutter zu einer Organisation oder zu einer öffentlichen Stelle und sagen: Entschuldigen Sie, ich habe ein beeinträchtigtes Kind, wie helfen Sie mir? – Da gibt es verschieden Stellen: entweder in der Gemeinde, im Land oder im Bund. Sie brauchen etwa einen Treppenlift. Dieser Treppenlift kostet 15 000 Euro. Dafür schickt man Sie als Erstes zur Gemeinde, weil die Gemeinde für die Bauordnung zuständig ist und Sie umbauen müssen. Dafür brauchen Sie einen Zuschuss – nun müssen Sie zum Land gehen, weil das Land Ihnen einen Zuschuss im Zusammenhang mit Menschen mit Beeinträchtigung gewährt. Wenn Sie dann fertig sind, können Sie eine Assistenz beantragen – dafür können Sie zum Bund gehen. Auf dieser Basis haben Sie jetzt einmal die Institutionen zusammen, aber noch keine Sicherheit dafür, dass Sie etwas bekommen.

Das ist die Ausgangssituation in Österreich: Es ist ein Minister zuständig, es ist ein Landeshauptmann zuständig und es ist eine Gemeinde zuständig. Da frage ich Sie, ob es nicht kritikfähig ist, wenn diese Menschen nicht unter uns weilen können. Das ist alles hausgemacht. Dabei reden wir noch nicht einmal über eine UN-Behindertenrechtskonvention, die noch weitere Kritikpunkte aufzählt.

Als Nächstes gehen Sie mit diesem Kind – nachdem Sie es die ersten sechs Jahre durchgebracht haben – in eine Schule. Sie müssen wissen, dass Österreich in zwei große Gruppen aufgeteilt ist, einmal links, SPÖ, und einmal rechts, ÖVP. Die haben sich nach 1955 alles in diesem Land aufgeteilt, auch die auszuführende ideologische Bildung. Das beeinträchtigte Kind, das Sie in die Schule bringen, muss zuerst einmal zu einem Lehrer kommen. Dieser Lehrer muss ausgebildet werden. Das ist aber nicht so einfach, weil der Lehrer vom Bund gezahlt wird, aber seine Einteilung vom Land organisiert und gezahlt wird. Wer dann letztendlich für diesen Behinderten die Schulklasse zur Verfügung stellt, ist die Gemeinde. Es gibt also wieder eine Dreiteilung.

Sie fragen sich: Ich habe ein behindertes Kind, ich will es doch nur weiterbringen. Wie soll ich das machen, wenn es in Österreich eine derartig zerklüftete Struktur gibt? – Das ist der Ansatzpunkt der Freiheitlichen: Wir stehen für einen anderen Ansatz, nämlich den, dass wir ganz einfache Denkmuster haben, so wie wir das in unserer Regierungsperiode auch betreffend Mindestsicherung vorgezeigt und umgesetzt haben; die Mindestsicherung war auf einmal Bundessache. Es kann nicht sein, dass es neun verschiedene Einrichtungen für Behinderte – für die Umsetzungen in diesem Bereich – gibt. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Fisch fängt am Kopf zu stinken an – daher ist es in erster Linie einmal wichtig, eine bundesrechtliche Regelung zu haben. In der nächsten Regierungsperiode sollte man darüber nachdenken – und sofern die Freiheitlichen in der Regierungsverantwortung sind, wird es dazu auch eine Grundsatzgesetzgebung geben –, dass die ganzen Landesfürsten nicht immer tun und lassen können sollen, was sie wollen, sondern dass sie ganz klare Vorgaben haben sollen, was für diese Menschen, wenn wir es ernst nehmen, auch umgesetzt werden soll. Das ist der Kernpunkt.

Der zweite Punkt – da Sie sich heute hier schon so großartig für das haben abfeiern lassen, was Sie alles geleistet haben; Sie hätten gestern dazu die Chance gehabt –: 1 Milliarde Euro für den Wohnbau, das ist mit einem Schnipsen gegangen, aber Sie haben es nicht geschafft, eine Zweckbindung auch für den Bereich der Behinderten festzulegen und das in die Wohnbauförderungsgesetze der Länder mit hineinzunehmen, das umzusetzen. Das haben Sie nicht geschafft, liebe Grüne. Das ist Ihre Grundlage und Ihr Wählerpotenzial gewesen. Da haben Sie leider Gottes gestern vollkommen versagt. (Beifall bei der FPÖ.)

Seien Sie doch so ehrlich: Es wäre mit einem Schnipsen gelungen, zusätzliche Mittel im Finanzausgleich vorzusehen.

Die UN-Behindertenrechtskonvention hat Sie durch Sonne, Mond und Sterne geschossen, weil Sie unfähig waren, Ihre Deinstitutionalisierung durchzuführen, Ihre Strukturen ins Reine zu bringen und auch die Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Es wäre ein Leichtes gewesen, das im Finanzausgleich sicherzustellen und – im Grunde genommen – umzusetzen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz bitte!

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (fortsetzend): Unsere Kernpunkte, unsere Forderungen sind relativ einfach: Wir wollen Lohn statt Taschengeld für unsere Menschen mit Beeinträchtigung. Wir wollen eine Wohnbaufinanzierung haben, die gewährleistet, dass die Menschen auch da integriert werden können.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Schlusssatz bitte!

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (fortsetzend): Der Abschlusssatz, lieber Herr Präsident, ist: Wir wollen für unsere Menschen eine Ausbildung, die ein Miteinander – unter uns – gewährleistet. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

9.41

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Hamann. – Bitte sehr.