16.09

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Frau Ministerin! Herr Bundesminister! Das ist ein ernstes Thema, keine Frage. Das hat weder etwas mit Show zu tun noch mit der Behauptung, die Welt sei in Ordnung, wie ich es von dieser Seite gehört habe.

Kollegin Ribo, die ich sehr schätze, redet wirklich von einem Pflegenotstand, so wie wir. Ich glaube, dass wir das einfach zur Kenntnis zu nehmen haben, dass wir jetzt handeln könnten und handeln sollten. (Beifall bei der SPÖ.)

Daher ist es richtig, dass wir auf die Dramatik hinweisen, damit die Pflegekräfte und Gewerkschafter:innen, die heute hier sind, sich ein Bild davon machen können, wie die unterschiedlichen Sichtweisen sind und wie die Darstellungen sind.

Ich darf vielleicht einiges zurechtrücken, bevor ich noch einmal auf unseren Antrag eingehe. Die Grünen sind die Letzten, die etwas dagegen haben, wenn wir etwas tun, nur sind wir jetzt gerade in Opposition, da ist das ein bisschen schwierig. Wir haben einen Dringlichen Antrag eingebracht, Sie könnten hier mit uns mitstimmen. (Abg. Koza: Bei dem Antrag? Mit dem wird nichts besser!) Also, liebe Grüne, auch Sie könnten etwas tun!

Die zusätzliche Entlastungswoche, die wir fordern, muss ich auch zurechtrücken. Von der haben nur 12 Prozent der Pflegekräfte etwas, denn bei 88 Prozent ist diese Woche schon in den Kollektivverträgen enthalten. Das heißt, wir wollen für 12 Prozent eine zusätzliche Woche (Abg. Koza: Noch eine?), damit es eine Entlastung bei dieser Schwerarbeit, die gerade auch von den NEOS als Schwerarbeit bezeichnet wurde, gibt.

Für die ÖVP – ich switche zwischen den Regierungsfraktionen – ist sozusagen das Ehrenamt das Großartige. Wissen Sie, was das Ehrenamt – und Frau Ministerin Raab sitzt heute auch hier – für Frauen heißt? – Kochen, putzen, waschen, Kinder betreuen, pflegebedürftige Angehörige pflegen. (Abg. Gödl: Aber geh! Geh bitte! Bitte, hörts auf! Bitte!) – Wissen Sie, was es dafür gibt, Herr Kollege Gödl? – Ab Pflegestufe 4 einen Bonus. (Zwischenruf der Abg. Baumgartner.) Haben Sie schon jemals eine Ahnung gehabt, was Pflegestufe 4 bedeutet? (Abg. Gödl: Ja! Ich habe eine demente Mutter zu Hause! Ich weiß, was das heißt!) – Sie pflegen diese Mutter? Dann habe ich Hochachtung vor Ihnen und sage Ihnen, dass das wirklich großartig ist.

Das heißt nicht nur, mit dem Waschlappen über den Körper zu fahren, wenn jemand Pflegestufe 4 hat, das ist ein bisschen mehr. Nicht alle pflegenden Angehörigen können das und nicht alle wollen das. Daher glaube ich ist es wichtig, dass wir da von einer Ausbildungsoffensive sprechen. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine Ausbildungsoffensive – und das finde ich großartig; da wurde dieser Notstand erkannt – gibt es betreffend die Polizeischülerinnen und Polizeischüler, die 14-mal im Jahr 2 300 Euro brutto bekommen, ein Klimaticket dazu, und sie sind sozialversicherungstechnisch abgesichert. Bei den Pflegekräften gibt es zwei Jahre lang – nicht drei; die Fachhochschule dauert drei Jahre – ein Stipendium. Die dreijährige Ausbildung muss man sich selber zahlen, auch das sind über 2 600 Euro.

Das heißt, da gibt es ein Ungleichgewicht: Es ist der Regierung viermal so viel wert, Polizeischülerinnen und Polizeischüler auszubilden, weil man zu wenige Fachkräfte hatte. Das wird jetzt besser. Warum können wir das vom Bund aus nicht für die Pflege tun? Das ist die Frage, die wir stellen und in Bezug auf die wir Vorschläge gemacht haben. (Abg. Leichtfried – in Richtung der mit einem Abgeordneten sprechenden Bundesministerin Raab und Staatssekretärin Plakolm –: Kann man bitte zuhören? – Abg. Krainer: Herr Präsident, Sie haben eine Glocke für solche Fälle! Und ein Mikro haben Sie auch! – Abg. Leichtfried: Wenn sie tratschen wollen, sollen sie rausgehen!)

Weiters glaube ich, dass es ganz wichtig ist, darauf hinzuweisen, dass wir bis 2017 Verantwortung hatten und damals auch sukzessive Verbesserungen im Pflegebereich erreicht werden konnten: der Pflegefonds zum Beispiel, der jetzt wieder aufgestockt wurde – das ist richtig und wichtig. Wir aber haben begonnen, die Pflegesituation und die Notsituation dahinter zu erkennen und schrittweise, soweit es der Koalitionspartner zugelassen hat, auch etwas zu tun.

Auch das ist eine Tatsache: Wir brauchen bis 2050 wirklich 200 000 zusätzliche Pflegekräfte, die wir in Ausbildung bringen müssen. Sie nicht in Ausbildung zu bringen würde bedeuten, dass dann 70 000 Pflegekräfte fehlen. Das sind jetzt Zahlen, die man sich vielleicht nicht so gut vorstellen kann.

Ich habe mich mit einem Interview, das eine Betriebsrätin gegeben hat, sehr genau beschäftigt. Sie sagt, die leichten Geschichten im Krankenhaus gibt es nicht mehr. Die leichten Geschichten werden ambulant gemacht, die Leute gehen sehr schnell wieder nach Hause. Die schweren Fälle bleiben im Krankenhaus. Es gibt Verbesserungen, keine Frage; trotzdem ist es ganz schwierig, diese schwere und Schwerstarbeit bis zum Alter von 60 oder 65 Jahren auszuführen.

Deswegen ist es glaube ich wichtig, dass man auch auf Wien schaut. Wien hat die meisten Spitalsbetten, es ist ja auch die Stadt mit den meisten Krankenhäusern, mit den größten Häusern. Da zahlt aber auch der Waff, der Arbeitnehmer:innen-Förderungsfonds, etwas dazu, wenn Menschen eine Pflegeausbildung machen. Das heißt, die Bundesländer tun schon etwas, so gut es geht – vielleicht tun das auch andere Bundesländer, das entzieht sich meiner Kenntnis. In Niederösterreich, meinem Bundesland, wüsste ich das jetzt nicht, da müsste ich nachlesen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Betriebsrätin sagt, es ist jeder Tag anders und man weiß nie, was einen erwartet. Muss man einen Patienten oder eine Patientin auffangen und hat einen Bandscheibenvorfall, wird das nicht als Berufskrankheit anerkannt. Es sind viele solcher Dinge, die den Beruf nicht unbedingt nur attraktiv machen, aber alle, die ich getroffen habe, sagen: Ich kann mir keinen anderen Beruf vorstellen, ich arbeite so gerne in der Pflege!

Wenn sich die Bedingungen rundherum etwas ändern würden, und das betrifft nicht nur das Geld – auch, aber nicht nur –, es sind Diensteinteilungen, es sind Ausbildungsschienen, die man zusätzlich machen könnte und, und, und, dann, glaube ich, könnten wir alle gemeinsam diesen Notstand bekämpfen. (Beifall bei der SPÖ.)

16.15

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Rauch. – Bitte sehr.