16.15

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich möchte jetzt in aller Kürze auf ein paar Argumente eingehen. Zunächst bedanke ich mich ausdrücklich bei Abgeordneter Belakowitsch. – Frau Abgeordnete, Sie haben nämlich auf ziemlich klare Art und Weise dargelegt, wo die Zuständigkeiten liegen und wie zer­splittert das System in Österreich ist. Es ist nun einmal so, dass für viele Bereiche die Länder, die Gemeinden und die Pflegeverbände zuständig sind. Ich komme darauf zurück.

Zweiter Punkt, Kollege Kucher und Kollege Muchitsch: Ist alles gut, haben wir alles gemacht? – Nein. (Abg. Ragger: Das haben wir heute schon geklärt!) Ist alles so schlecht, wie Sie es darstellen? – Nein. Ich sage Ihnen jetzt, was wir umgesetzt haben und womit wir noch weitermachen werden, was Ihre Forderungen betrifft – auch darauf möchte ich eingehen. (Abg. Kucher: Wo ist der Bundeskanzler? – Abg. Schroll: Wo ist die ÖVP? Da ist auch niemand da! – Abg. Kickl: Bei euch war es nicht einmal so wichtig, dass euer Parteiobmann Mitglied in dieser Runde ist! Haltet doch die Klappe, wirklich! – Heiterkeit bei der SPÖ. – Weiterer Ruf bei der SPÖ: Klappe halten ...!)

Es gibt 3 000 zusätzliche Plätze für die Ausbildung. (Abg. Schroll: Ist er nervös? – Abg. Kickl: Ist ja so! Du regst dich immer auf, dass alle nicht da sind! Ihr habt einen Parteiobmann, der auch nicht da ist! Wie wichtig ist euch das? – Abg. Schroll: Machts euch keine Sorgen um unseren Obmann! – Abg. Kickl: Das zeigt nur, wie wichtig euch das ist! – Abg. Kucher: Gut, dass du jetzt da sitzt! Schadet dir nicht!) Es waren – das sind die Zahlen, Daten und Fakten dazu – im Jahr 2022 18 900 Personen in Ausbildung, 13 000 Personen im Gesundheits- und Kran­kenpflegeberuf; im ersten Ausbildungsjahr waren es 9 000 Personen. Ich sage Ihnen, wir haben nicht zu wenige Plätze, sondern wir müssen die Men­schen motivieren, diese Plätze anzunehmen.

Was ich insgesamt schon festhalten möchte, Herr Kollege Muchitsch: Eine Abrechnung der Studiengebühren ist möglich. Sie kann über die Länder, über das Pflegeausbildungs-Zweckzuschussgesetz, an den Bund im Pflegefonds geltend gemacht werden. Dasselbe gilt für das Klimaticket, das kann über die Länder abgerechnet werden, über den Pflegefonds. Diese Dinge sind also schon gemacht. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Eine Arbeitsplatzgarantie brauchen wir deshalb nicht, weil jede Person, die in die Pflege will, nachgefragt ist, weil wir händeringend nach Pflegepersonal suchen. Das heißt, das Einzige, das wir brauchen, ist das, was wir tun: besser zu bezahlen, bessere Arbeitsbedingungen zu bieten und insgesamt, je nach Schweregrad des Dienstes, der verrichtet wird, die Berufsbedingungen zu ver­bessern. Das ist die zusätzliche Woche Urlaub für Menschen, die beson­ders lange in der Pflege sind.

Wobei wir Nachholbedarf haben, ist, für jemanden, der 50 oder 55 Jahre alt ist, der in der Pflege tätig ist und es einfach nicht schafft, diese schwere Arbeit bis zum regulären Pensionsantritt auszuüben, Übergangsmöglichkei­ten zu schaffen, ihm andere Beschäftigungsmöglichkeiten anzubieten, damit ein Verbleib möglich ist.

Grundsätzlich gilt es, weil wir einen Mangel haben, all jene, die im Job sind, zu halten. Das ist unsere erste Priorität: alle, die in der Pflege tätig sind, dort zu halten. Und das tun wir! Sie haben uns schwer gescholten, weil wir die Gehaltserhöhungen nur auf zwei Jahre befristet hatten. Nach langem Kampf haben wir sie in den Finanzausgleich übergeführt – sie sind für die nächsten fünf Jahre sichergestellt. Das ist essenziell, um die Bedingungen zu verbessern, was unbedingt notwendig ist.

Die Ausbildungsplätze: Ja, da kann man sagen, es ist zu wenig – aber 600 Euro als Stipendium und 1 400 Euro berufsbegleitend sind nicht nichts. Das hat einen Effekt; wir merken, dass Menschen jetzt zunehmend in diese Pfle­geberufe gehen.

Einen Satz noch zur Pflegelehre: Ich weiß um Ihre skeptische Haltung dazu. Ich weiß auch die Begründung: Sie sagen, man kann jungen Menschen nicht zumuten, in derart jungen Jahren Pflege zu leisten. Ich würde Sie einladen, sich die Pilotversuche, die jetzt in diversen Bundesländern – unter anderem in meinem Heimatbundesland – am Laufen sind, anzuschauen, um zu sehen, mit welcher Begeisterung junge Menschen dort diese Pflegelehre absolvieren. Nein, sie sind zu Beginn nicht in der schweren Pflege beschäftigt, sondern ma­chen andere Ausbildungswege. Wir befinden uns aber insgesamt am Arbeitsmarkt, auch betreffend junge Menschen, in einer Konkurrenzsituation, und wenn wir Pflege- und Gesundheitsberufe attraktiv machen wollen, dann müssen wir auch einen frühen Einstieg möglich machen, und das tun wir damit.

Die Nachtschwerarbeit wurde beschlossen und bereits umgesetzt – das habe ich gesagt.

Die Personalbemessung in der Langzeitpflege: Jawohl, es stimmt, es ist eine Frage, wie der Personalschlüssel ausgestaltet ist. Dafür, wie sich die Arbeitsbedingungen gestalten, sind die Länder zuständig. Je höher, je besser der Pflegeschlüssel ist, desto leichter ist es natürlich möglich, im Pflegeberuf tätig zu sein. Dass wir da Nachbesserungen brauchen, glaube ich auch.

Was wir aber, auch gegen den Widerstand bestimmter Interessenvertretungen, gemacht haben, ist, die Kompetenz des Pflegepersonals in bestimmten Be­reichen auszuweiten, weil es einfach sozusagen zumutbar ist, dass bestimmte Tätigkeiten vom Pflegepersonal in guter Qualität und sehr sicher abge­wickelt werden, und weil es nicht für alles einen Arzt braucht. Die Ausweitung der Kompetenzen bleibt natürlich weiter auf der Agenda, weil wir wissen, dass wir da noch Nachholbedarf haben.

Also insgesamt haben wir die Pflegereform Teil eins und Teil zwei. Ich würde Ih­nen zustimmen, wenn Sie sagten, dass vor zwei Jahren, als ich begonnen habe, die Pflegereform lange versprochen war und auch großer Unmut in der Interessenvertretung und bei den Berufsgruppen geherrscht hat, dass da nichts geschehen ist. Die Stimmung hat sich aber deutlich verändert, nämlich deshalb, weil die Bundesregierung insgesamt Geld in die Hand genommen hat und auch in Vorlage für die Bundesländer gegangen ist – was ich für wichtig halte, weil es den Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, letztlich egal ist, wer dafür zuständig ist. Was diese wollen, ist eine angemessene, quali­tativ hochwertige Pflege.

Sie wollen auch so lange wie möglich zu Hause bleiben, deshalb haben wir das Projekt der Communitynurses jetzt auch auf die nächsten fünf Jahre verlängert, weil das eine aufsuchende, nachgehende Betreuung ist, bei der eine diplomierte Fachkraft nach Hause kommt und sich anschaut, wie die Situation ist: Braucht es da Verbesserungen? Braucht es Hilfe? Damit ist einfach auch ein längeres Zuhausebleiben möglich.

Letzter Punkt – und den halte ich für wichtig und essenziell –: Woher sollen die Pflegekräfte kommen, die wir brauchen? – Da, finde ich, braucht es eine – wie soll ich es sagen? – gewisse Ehrlichkeit in der Debatte: Wir werden es nicht schaffen, alle Pflegekräfte, die bis 2030, 2050 notwendig sind, aus dem eigenen Staat, aus Österreich, zu rekrutieren. Das geht sich nicht aus, wir haben sie nicht. Das heißt, wir sind darauf angewiesen, dass aktiv Pflegekräfte aus Drittstaaten angeworben werden, und das muss man auch so sagen.

Diese Situation haben alle europäischen Staaten, alle Mitgliedstaaten der Euro­päischen Union, Österreich befindet sich in dieser Frage in einem Konkur­renzkampf mit den europäischen Mitgliedstaaten. Das heißt, diejenigen Länder, die aktiv in der Lage sind, Pflegekräften aus Drittstaaten zu sagen: Kommt zu uns, wir bieten euch gute Arbeitsbedingungen, es ist möglich, die Familie nachzuholen, wir schaffen einen Kinderbetreuungsplatz, wir bieten euch Wohnmöglichkeiten!, werden auch noch in zehn, 20, 30 Jahren eine angemessene Pflege bieten können.

Diejenigen Staaten, die eine Festung errichten wollen, die sich abschotten, die sagen: Alles, was von außen kommt, wollen wir hier nicht haben!, müssen den Menschen, die jetzt 60, 65, 70, 80 Jahre alt sind, sagen: Dann wird es keine angemessene Pflege mehr geben! (Abg. Kickl: Diese Partei gibt es nicht! Auch wenn Sie das nicht begreifen!) Das ist die Wahrheit, die müssen Sie zur Kenntnis nehmen, die muss man den Menschen auch so sagen. (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Alles andere nützt den jetzt zweieinhalb Millionen Pensionistinnen und Pen­sionisten in Österreich nichts, die sich, wenn sie die Debatte vielleicht verfolgen, gewissermaßen auch Sorgen machen, ob sie dann noch angemessen ge­pflegt werden können. – Ja, aber nur dann, wenn man sich nicht darauf verlässt, dass es autochthone Österreicherinnen und Österreicher sind. Das geht sich schlicht und einfach arithmetisch nicht aus. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

16.24

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Diesner-Wais. – Bitte sehr, Frau Abgeordnete.