16.35
Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Zuseher:innen hier im Saal und zu Hause vor den Bildschirmen! Lieber Beppo Muchitsch, ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als wir als Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen auf die Straße gegangen sind, um gegen den bestehenden Pflegenotstand zu demonstrieren und eine Pflegemilliarde zu fordern. Aber, lieber Kollege Muchitsch, das war nicht 2017, das war auch nicht 2015, das war nicht 2010, das war zu Beginn der 2000er-Jahre. Das heißt, der Pflegenotstand ist nicht ausgebrochen, als die Sozialdemokratie aus der Regierung geflogen ist, sondern den Pflegenotstand und die Probleme in der Pflege gibt es schon viel länger.
Als wir im Jahr 2000 als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter für die Pflegemilliarde auf die Straße gegangen sind, da war die Forderung damals die finanzielle Aufwertung der Pflege, da waren die Forderungen die Ausweitung der Pflege, eine bessere Ausbildung, bessere Pflegeberufe. (Abg. Muchitsch: Da waren wir nicht mehr in der Regierung!) Dann kam 2011 der Pflegefonds. Womit war dieser Pflegefonds gefüllt? Mit 1 Milliarde Euro? 500 Millionen Euro? 300 Millionen Euro? (Abg. Gödl: 100!) – 100 Millionen Euro waren es; 100 Millionen Euro! Ja, das war schon ein guter Beginn, aber weit entfernt von der geforderten Pflegemilliarde.
Ich denke gerade: Was wäre gewesen, hätte es damals keinen sozialdemokratischen Gesundheitsminister gegeben, sondern wäre der Gesundheitsminister ein Grüner gewesen und hätte damals, als die Forderung der Gewerkschaften 1 Pflegemilliarde war, einen Pflegefonds von 100 Millionen Euro beschließen lassen? – Ich glaube, wir können uns sehr gut vorstellen, was gewesen wäre.
Glücklicherweise haben wir aber jetzt einen grünen Gesundheitsminister und eine Koalition, in der wir endlich die Pflegemilliarde erreicht haben, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei den Grünen.) Die alte gewerkschaftliche Forderung ist umgesetzt. Wir haben nicht nur 1 Milliarde Euro, sondern wir haben jedes Jahr sogar mehr als 1 Milliarde Euro, und diese mehr als 1 Milliarde Euro wird für genau das aufgewandt, was wir damals gefordert haben, nämlich die finanzielle Aufwertung der Pflege über das Entgelterhöhungs-Zweckzuschussgesetz, wie es so schön heißt – das sind knapp über 1 000 Euro netto zusätzlich für alle Pflegeberufe. Die bekommen das. Die Pflege ist damit aufgewertet worden.
Das ist das, was die Regierung machen kann. Der Rest ist Lohnpolitik, und Lohnpolitik machen die Sozialpartner, Lohnpolitik verhandeln die Gewerkschafter. Ich habe es schon recht interessant gefunden, dass gestern bei der gemeinsamen Pressekonferenz von den Gewerkschaftern und Andreas Babler die sich gegenseitig ausgerichtet haben, es brauche höhere Löhne. – Ja, na selbstverständlich, aber sie sind auch für die Verhandlungen zuständig, das heißt, diesen Appell richten sie in Wirklichkeit an sich selber.
Wir haben ein Pflegestipendium in der Höhe von aktuell knapp über 1 500 Euro eingeführt, Kollegin Ribo hat es bereits erwähnt. Es ist einfach auch nicht fair, wenn man sagt, bei der Polizei bekommt man für die Ausbildung 2 300 Euro und die anderen kriegen für den Pflegebonus nur 600 Euro. Nein, wir haben ein Pflegestipendium von 1 500 Euro für Erwachsene, die sich umschulen lassen, die sich umorientieren wollen. Das ist ordentlich! Das ist eine gute soziale Absicherung, die wir brauchen, die wichtig ist. Die Länder schießen teilweise noch etwas zu. Wie wir gehört haben, wird das auch genutzt. Es sind 3 500 Leute in Ausbildung. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)
Es gibt eine zusätzliche Entlastungswoche. Ja, es ist sicher noch lange nicht alles perfekt, wir brauchen weitere Maßnahmen, aber das, was diese Regierung in den letzten Monaten, in den letzten Jahren zum Thema Pflege gemacht hat, kann sich sehen lassen und ist schon wunderbar.
Das heißt, es werden ganz gezielt Maßnahmen gesetzt, um den Pflegenotstand, den Personalmangel zu beheben. Wir haben auch Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeits- und Einkommensbedingungen gesetzt. Ich sage eines auch ganz klar: Versäumnisse der letzten Jahre und Jahrzehnte lassen sich halt nicht in ein paar Monaten beheben. Von heute auf morgen geht gar nichts, und jeder, der das Gegenteil behauptet, ist in Wirklichkeit ein politischer Scharlatan und erzählt den Leuten irgendeinen Schmäh.
Wenn ich mir die Forderungen im Dringlichen Antrag, der heute eingebracht worden ist, noch einmal anschaue, muss ich sagen: Sie sind sehr allgemein gehalten, enthalten sehr vieles, es steht unter anderem die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung in der Pflege drinnen. Ich sehe das anders als viele Kolleg:innen hier: Ich halte eine Arbeitszeitverkürzung in der Pflege tatsächlich für vollkommen sinnvoll und angebracht, denn das kann dazu führen, dass es zu einer gerechteren Verteilung der Arbeitsbelastung kommt.
Der Punkt ist nur: Warum besprechen wir das hier herinnen? Warum besprechen wir die Arbeitszeitverkürzung in den Pflegeberufen hier herinnen? Das ist erstens einmal eine Sache, die in Kollektivvertragsverhandlungen auszuverhandeln ist. Im SWÖ-Kollektivvertrag wird ja die Arbeitszeitverkürzung umgesetzt.
Zweitens: Das Krankenhauswesen ist ein öffentliches Wesen. In Wien erheben die Grünen seit Ewigkeiten die Forderung, die 35-Stunden-Woche in den Spitälern einzuführen. Dazu gibt es Anträge, die nur angenommen werden müssen!
Das heißt, wenn Andreas Babler das will, soll er einfach zu Michael Ludwig gehen, soll er zu Doskozil gehen, soll er zu Kaiser gehen und sagen: Liebe Landeshauptleute der SPÖ, führen wir doch eine Arbeitszeitverkürzung in den Krankenanstalten durch! – Wenn ihr es schon nicht allgemein macht, dann macht halt ein paar Pilotversuche!
Warum macht er das nicht? (Abg. Kucher: Wer ist denn Bundesgesetzgeber?) Ich verstehe es einfach nicht! Es ist im Prinzip relativ einfach. (Beifall bei den Grünen.) Er ist ja der Chef, er wird ja wohl den anderen SPÖ-Granden sagen können: Bitte macht das, denn es ist uns wichtig; wir fordern das, und es ist peinlich, wenn da nichts passiert! – Tatsächlich ist es aber schlichtweg nicht so.
Lasst mich zuletzt noch etwas zur gestrigen Pressekonferenz sagen, weil es mir langsam reicht! Ich bin jetzt seit einem Vierteljahrhundert Gewerkschaftsmitglied. (Ruf bei den NEOS: Selber schuld!) Ich bin Mitglied eines überparteilichen Gewerkschaftsbundes geworden – aus gutem Grund: Ich stehe auf die Überparteilichkeit der Gewerkschaftsbewegung, denn diese macht uns stark. Was wir aber in den letzten Jahren, Monaten erleben mussten, gipfelte im gestrigen Ereignis – und das ist die Spitze des Eisbergs für mich –:
Wenn zwei Vertreter:innen in ihrer Funktion in der überparteilichen Gewerkschaftsbewegung – nicht als Sozialdemokraten, nicht als FSGler – eine Pressekonferenz mit einem Parteichef machen, dann ist das für mich Wahlkampf – Wahlkampf einer überparteilichen Organisation, die sich der politischen Vielfalt verschrieben hat (Abg. Scherak: Vielleicht ist sie nicht so überparteilich! – Abg. Wurm: Wäre möglich!) und in Wirklichkeit vollkommen ignoriert, dass es in den Gewerkschaften Abertausende Mitglieder gibt, die keine Sozialdemokraten sind, die mit der SPÖ nichts zu tun haben, die so wie ich leidenschaftliche Gewerkschafter sind.
Ich lasse mich doch von meiner Gewerkschaftsbewegung nicht für einen Wahlkampf instrumentalisieren! Das geht schlichtweg so einfach nicht! (Beifall bei Grünen und ÖVP.) Wenn die Gewerkschaften meinen, sie müssen eine Vorfeldorganisation der SPÖ werden, dann sollen sie mir das bitte mitteilen. Ich möchte nicht, dass sie das werden. Wenn die Gewerkschaften weiter überparteilich agieren wollen, was mich sehr freuen würde, weil ich leidenschaftlicher überparteilicher Gewerkschafter bin, dann müssen sie sich aber auch überparteilich verhalten. (Abg. Wurm: So sicher ist das auch nicht bei dir!) Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Gewerkschaften gehören ihren Mitgliedern, die Gewerkschaften gehören sicher nicht der SPÖ (Abg. Loacker: Aha!), und ich möchte sagen: zum Glück! – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie Beifall und Bravoruf bei der ÖVP.)
16.43
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Loacker. – Bitte sehr. (Abg. Wurm: ... zur Gewerkschaft!)