19.47

Abgeordneter Christian Ries (FPÖ): Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich spreche heute zur Bürgerinitiative Haft für Klimakleber. Werte Damen und Herren! Jeder von uns kennt das: Wenn man im Stau steht, ist das ganz einfach ärgerlich, aber nicht immer kann man dem aus dem Weg gehen, wenn sich zum Beispiel ein Unfall ereignet und Personen geborgen oder versorgt werden müssen, Fahrzeuge von der Straße entfernt werden oder die Unfallstelle gereinigt wird. Ich meine, dafür muss jeder denkende Mensch Verständnis haben. Wer sich da nicht dazuzählt oder wer dafür kein Verständnis hat, der wird wohl nicht zum Kreis der denkenden Menschen zu zählen sein.

Aber dennoch wissen wir alle, dass es Leute gibt, die aus Neugier oder aus Geltungssucht ganz einfach ihren Platz bei einem Verkehrsunfall nicht freimachen und dadurch Rettungsfahrzeuge blockieren. Nach der geltenden Fassung des § 95 StGB, Unterlassung der Hilfeleistung, ist es so, dass durch dieses Verhalten, durch dieses Blockieren ein Hilfsbedürftiger konkret geschädigt werden muss. Eine bloße Verzögerung bei der Hilfeleistung reicht dazu nicht aus. Das ist aus unserer Sicht unbefriedigend. (Beifall bei der FPÖ.)

Wer durch sein Handeln – mag es vorsätzlich oder auch nur bedingt vorsätzlich sein – die Hilfeleistung verzögert und dadurch wissentlich, sage ich einmal, in Kauf nimmt, dass jemandem daraus einen Nachteil erwachsen könnte – wohlgemerkt: könnte –, setzt dadurch ein Verhalten, das man durchaus unter Strafe stellen kann. Deutschland hat das 2017 bereits unter Strafe gestellt.

Werte Damen und Herren! Wir in Österreich sind ja, speziell in Wien, einiges an Verzögerungen im Straßenverkehr durch Kundgebungen gewöhnt. Bei uns gibt es ja Kundgebungen für und gegen praktisch alles. Es gibt Kundgebungen gegen Menschenrechtsverletzungen, gegen Tanzveranstaltungen, gegen Zwangsimpfungen, für und gegen Israel, für oder gegen Palästina. Und es gibt sogar Kundgebungen für die Demokratie, wo man gleichzeitig demokratische Parteien verbieten will, was an und für sich völlig absurd ist, aber: soll so sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Was auch wichtig ist: Bei uns ist niemand von diesem Recht ausgeschlossen. Egal, ob Inländer oder Ausländer, Männlein oder Weiblein, Schulschwänzer oder spätpubertierende Omas – jeder darf bei uns eine Kundgebung abhalten. Jeder und jede darf dazu auch den Verkehr blockieren, wenn sie die Kundgebung zuvor angemeldet haben und sich die Verkehrsteilnehmen darauf einstellen können und eventuell eine andere Fahrtroute wählen können.

Wo aber unser Verständnis abrupt endet, ist dort, wo Klimaapokalyptiker unangekündigte Blockaden veranstalten. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie picken sich hier fest, wo 0,2 Prozent des CO2-Ausstoßes auftreten, und nicht in Amerika, Indien oder China, nein, hier machen sie das. Sie halten arbeitende Bürger davon ab, zur Arbeit zu kommen, die sie brauchen, um leben zu können, und auch, um die Steuern bezahlen zu können – und das sind genau jene Steuern, die diese Uhu-Tanten und diese sozusagen Pattex-Jünger am Leben erhalten. Sie verursachen diese Staus ganz bewusst ohne Vorwarnung.

Dazu kommt noch das Naturgesetz, wenn man im Stau steht: Wenn man einmal steht, steht man. Das gilt natürlich auch für Rettungskräfte – da gibt es dann kein Vor und kein Zurück mehr.

Gegen diese Praxis muss man aus unserer Sicht vorgehen, daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag der Abgeordneten Christian Ries, Kolleginnen und Kollegen ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Christian Ries, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Strafbarkeit bei Behinderung der Hilfeleistung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere“ der Bundesminister „für Justiz, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die die Einführung eines neuen Straftatbestandes vorsieht, der die Behinderung von Einsatzfahrzeugen und zu Hilfe eilenden Personen beinhaltet.“

*****

(Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der SPÖ: ... der Bundesminister?!)

Ich ersuche um Zustimmung. (Beifall bei der FPÖ.)

19.51

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Christian Ries

und weiterer Abgeordneter

betreffend Strafbarkeit bei Behinderung der Hilfeleistung

eingebracht im Zuge der Debatte über den TOP 22, Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 103, 105, 117, 128 und 131 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 56, 58 und 59 sowie 61 bis 63 (2480 d.B), in der 255. Sitzung des Nationalrates, XXVII. GP, am 20. März 2024

Noch immer kommt es vor, dass Rettungs- und andere Einsatzkräfte, aber auch sonstige Menschen, die im Rahmen von Unfallgeschehen Hilfe leisten wollten, dabei durch sensationsgierige Schaulustige oder jetzt immer häufiger auch durch „Umweltaktivisten“, die sich an der Straße festkleben, behindert werden. Das Verhalten der Schaulustigen reicht von der Weigerung, den Weg zu den Opfern freizugeben, über Fotografieren der Opfer bis hin zu Beschimpfungen und Beleidigung der hilfeleistenden Personen. Das Lösen von festgeklebten Körperteilen, zumeist Hände, benötigt viel Zeit, um der festgeklebten Person so wenig wie möglich Schaden zuzufügen.

Insgesamt gab es 2023 bei Klebe-Protesten etwa 650 Festnahmen, die Polizei erstattete 80 Strafanzeigen und 3015 Verwaltungsanzeigen.1

Das rücksichtslose Behindern von Rettungs- und anderen Einsatzkräften sowie sonstigen hilfeleistenden Personen kann im schlimmsten Falle sogar den Tod eines Opfers zur Folge haben.

Diese Folgen einer solchen Aktion scheinen der Klimaministerin Gewessler von nicht großer Bedeutung sein, denn sie antwortete auf die Anfrage 14338/J von NAbg. Ragger in ihrer 13404/AB wie folgt:

Wir sind die erste Generation, die die Auswirkungen der Klimakrise voll spürt, und die letzte Generation, die noch aktiv dagegen etwas tun kann. In diesem Sinne habe ich grundsätzliches Verständnis für die inhaltlichen Anliegen der „Letzten Generation“, wiewohl ich selbstverständlich auch den Unmut der Menschen verstehen kann, die sich in ihrem Alltag durch die Klebeaktionen gestört sehen Die Klimaproteste sind Aktionen der Zivilgesellschaft.

Ministerin Gewessler erkennt nicht, dass durch solche Aktionen nicht nur der Unmut der Bevölkerung gegenüber den Klimaklebern steigt, sondern auch gegenüber der Regierungspolitik, die es zulässt, dass Menschen durch diese „Proteste“ indirekt schwer zu Schaden kommen können.

In Deutschland hat der Gesetzgeber im Jahr 2017 einen Tatbestand geschaffen, mit dem die Behinderung der Hilfeleistung – neben der in Deutschland wie in Österreich schon bisher erfassten Unterlassung der Hilfeleistung – gerichtlich strafbar wurde (§ 323c Abs. 2 dStGB).2

In Österreich konnte sich die Bundesregierung dazu nicht durchringen, obwohl die ÖVP in Person des niederösterreichischen Landeshauptmannes Frau Johanna Mikl-Leitner eine strengere Regelung verlangte. Mikl-Leitner forderte sogar in einem Brief an die Bundesministerien Zadić härtere Strafen.3

Die Abgeordneten der ÖVP vertagten – wohl gegen die Intention Mikl-Leitners, härtere Strafen für die Klimakleber zu normieren – den Initiativantrag 2939/A zweimal und lehnten eine Fristsetzung im Plenum ab.4 Für die Vertagungen dieses Antrags bemühte sich die ÖVP nicht einmal um eine Begründung.

Der Antrag wurde im Wesentlichen wie folgt begründet:

„Während bei der aktiven Hilfeleistung die Anforderungen an potentiell Hilfeleistungspflichtige (wie etwa Unfallszeugen) weiterhin nicht überspannt werden sollen und die Strafbarkeit der Unterlassung der Hilfeleistung weiterhin erst dann einsetzen soll, wenn bei Gefahr des Todes oder einer beträchtlichen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung die offensichtlich erforderliche und dem Täter auch zumutbare Hilfe unterlassen wird, scheinen diese Einschränkungen bei der Behinderung der Hilfeleistung nicht erforderlich zu sein.

Das Tatbestandsmerkmal des Behinderns setzt eine spürbare, nicht unerhebliche Störung der Rettungstätigkeit voraus. Daher müssen die Hilfsmaßnahmen der hilfeleistenden Person mindestens erschwert werden, wie zum Beispiel durch Beschädigung von technischem Gerät, durch Versperren eines Wegs, durch Nichtbeiseitetreten, durch Blockieren von Straßen und Notfallgassen oder durch Beeinträchtigung der Tätigkeit von Ärzten und Krankenhauspersonal in der Notaufnahme.

Da die Strafbarkeit grundsätzlich allein an das Behindern einer hilfeleistenden Person anknüpft, kommt es nicht darauf an, ob sich dieses Verhalten konkret negativ für die Person auswirkt, der die Hilfeleistung zugutekommen soll. Die Strafbarkeit tritt also beispielsweise auch dann ein, wenn das Opfer trotz der Behinderung von anderen Personen gerettet werden konnte oder eine Rettung des Opfers gar nicht mehr möglich war, weil es zum Zeitpunkt der Behinderung einer hilfeleistenden Person bereits verstorben war.

Tritt beim Opfer durch die Behinderung der Hilfeleistung eine (Verschlimmerung der) Verletzung ein, die durch die Behinderung fahrlässig herbeigeführt wurde, so konkurriert § 95 Abs. 1 Z 2 StGB echt mit dem entsprechenden Fahrlässigkeitsdelikt. Bei Todesfolge konkurriert § 95 Abs. 1 Z 2 StGB echt mit § 81 StGB. Hinsichtlich § 80 StGB geht § 95 Abs. 1 Z 2 StGB jedoch als speziellere Norm vor (vgl. hiezu auch Jerabek in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 95 Rz 39).

Mit diesen Änderungen bringt der Gesetzgeber gleichzeitig seine Wertschätzung für Rettungs- und andere Einsatzkräfte, aber auch sonstige Menschen, die im Rahmen von Unfallgeschehen Hilfe leisten wollten zum Ausdruck.“

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz, wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die die Einführung eines neuen Straftatbestandes vorsieht, der die Behinderung von Einsatzfahrzeugen und zu Hilfe eilenden Personen beinhaltet.“

1 https://www.bmi.gv.at/news.aspx?id=763331537048335751696B3D

2 https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl117s1226.pdf%27%5D__1667996830403

3 https://kurier.at/chronik/niederoesterreich/brief-an-zadic-mikl-leitner-will-drei-monate-haft-fuer-klimakleber/402566900

4 https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/A/2939

*****

Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Ralph Schallmeiner. – Bitte, Herr Abgeordneter.