10.43

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Was wir jetzt gerade von Frau Kollegin Belakowitsch gehört haben, war eine Wahlkampfrede. (Ruf bei der ÖVP: Aber eine schlechte!) Genau darum geht es.

Wer in dieser Republik Bundeskanzler oder Bundeskanzlerin ist, entscheiden die Menschen bei einer Wahl; bei einer Wahl (Abg. Wurm: Eigentlich nicht! – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ – Abg. Loacker: Haben Sie Jus studiert, Frau Kollegin? – Abg. Wurm: Haben Sie nicht aufgepasst, Frau Kollegin? – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen) – zuhören! –, bei der wir den Nationalrat wählen und bei der wir der Partei die Stimme geben, von der wir möchten, dass sie dieses Land gestaltet. (Beifall der Abgeordneten Hofer und Schnedlitz. – Abg. Belakowitsch: Das stimmt jetzt! Das stimmt! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Unser System ist so aufgebaut, dass die Partei, der die meisten Menschen in diesem Land das zutrauen (Ruf bei der FPÖ: Soll den Bundeskanzler stellen!), mit dem Auftrag versehen wird, eine Regierung zu bilden. (Beifall der Abgeordneten Kaniak und Schnedlitz. – Ah-Rufe bei der FPÖ.) – Ja, sind Sie auch dabei? (Abg. Belakowitsch – erheitert –: So weit schon, ja!) Na Gott sei Dank! Zum Glück sind wir uns da jetzt einig. (Abg. Leichtfried: Wie war das bei Schüssel ...? – Abg. Stöger: Bei Schüssel war das nicht so!) So funktioniert unser System der repräsentativen Demokratie.

Jetzt kann man natürlich in einem Volksbegehren verlangen, dieses System zu ändern. Das ist gar keine Frage, dafür sind Volksbegehren da: Ich habe ein Anliegen, ich möchte eine Gesetzesänderung bewirken und initiiere dafür ein Volksbegehren. – Dann sollte dieses Volksbegehren aber auch mit diesem Anliegen ausgestattet sein und sagen: Ich möchte, dass in Zukunft der Bundeskanzler, die Bundeskanzlerin direkt gewählt wird! Das kann man machen. Das könnte man, wenn man ein bisschen Fantasie hat, sogar ins System integrieren. Das wäre kein großes Problem, muss man nur wollen. Ob es dafür einen Konsens gibt, das müsste man dann in Diskussionen herausfinden.

Was bei diesem Volksbegehren hier aber gemacht wurde, ist etwas anderes. Bei diesem Volksbegehren hat man sich einen catchy Slogan gesucht, „Nehammer muss weg“ – das kann man machen –, und hat – und das ist das, was ich kritisiere und womit ich wirklich ein Problem habe – den Menschen, die dieses Volksbegehren unterschrieben haben, suggeriert, dass sie das mit einem Volksbegehren erreichen können. Das geht aber nicht.

Mit einem Volksbegehren kann man nicht erreichen, dass sich an der Regierungsspitze etwas ändert, weil das System anders aufgebaut ist. Das ist das, was mich an diesem Volksbegehren wirklich stört. Da geht es mir nicht um den Inhalt des Begehrens, da geht es mir auch nicht um die Personen.

Was ich wirklich schlimm finde, ist: Es geht dabei um Personen, um Proponenten, die wirklich Erfahrung mit Volksbegehren haben. Das sage ich auch nicht wertend, sondern diese Personen haben wirklich Erfahrung damit, was man mit Volksbegehren bewirken kann, was man erreichen kann und was der Inhalt eines sinnvollen zielgerichteten Volksbegehrens sein kann.

All das haben sie ignoriert und haben einfach nur mit diesem Titel, der – wie Sie vermuten – von vielen Menschen unterstützt wird, ein Volksbegehren gemacht, um eine Diskussion zu starten. – Das ist okay, kann man machen. Was ich daran wirklich verwerflich finde, ist, dass Sie all diesen Menschen, die dieses Volksbegehren unterschrieben haben, suggeriert haben, dass sie damit das erreichen, was in der Überschrift steht. (Ruf bei der FPÖ: Wenn der Herr Bundeskanzler politische Verantwortung übernehmen würde, dann würden sie das erreichen!)

Das passt einfach nicht, denn man muss ehrlich sein mit den Menschen. Wenn ich ein Anliegen habe und wenn ich das so formuliere, dann müssen die Menschen auch wissen, ob das überhaupt möglich ist und ob das, was sie da unterschreiben, von denen, die ihnen sagen, dass sie sich dafür einsetzen, auch erreicht werden kann. (Abg. Kickl: Wieso denn nicht?) Das ist das große Problem daran. Wie gesagt, wenn man ehrlich ist - - (Abg. Kickl: Ein Misstrauensantrag und die Mehrheit im Haus, und dann ist das erledigt!) – Ja, das können Sie als Partei machen, haben Sie ja auch schon gemacht. (Abg. Kickl: Ja, wenn wir das ernst nehmen, was viele Leute sagen, dann schließen Sie sich an und dann ist er weg! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.)

Sie schlagen vor, einen Misstrauensantrag zu machen. – Ja, das kann man machen, das ist aber nicht die Aufgabe eines Volksbegehrens (Abg. Kickl: Wieso denn nicht?), deshalb ist es für mich wie gesagt wichtig, zu sagen: Man kann das System ändern, wenn man möchte, dass ein Bundeskanzler direkt gewählt wird, da muss man sich eine Mehrheit dafür suchen. Ich denke – zumindest wie ich die politische Lage im Moment einschätze –, das wird es nicht spielen, aber das macht nichts. Man kann über alles diskutieren, dafür ist dieses Hohe Haus da. So funktioniert Demokratie und so funktioniert unser System. Das ist richtig und wichtig.

Volksbegehren sind eine wichtige und richtige Ergänzung für dieses System, und es ist wichtig, dass Menschen Anliegen in Form von Volksbegehren an dieses Hohe Haus herantragen. Es ist aber genauso wichtig, dass diejenigen, die die Volksbegehren initiieren, sich der Verantwortung bewusst sind, die sie damit haben, hinsichtlich der Erwartungshaltung, die sie bei den Menschen, die das Volksbegehren unterstützen, auslösen. – Danke sehr. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Kickl: Der erste Teil war gut!)

10.48

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Scherak. – Bitte.