15.26
Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Das Thema Bildungskarenz ist ein Thema, das alle paar Jahre wieder aufpoppt, und eigentlich geht es immer so ziemlich um das Gleiche und dasselbe. (Abg. Steinacker: Na ja, es gibt schon einen Rechnungshofbericht dazu!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, schauen wir uns einmal an, wovon wir überhaupt sprechen: Wie viele Menschen sind aktuell in Bildungskarenz, wie viele nutzen sie, wie viel von dem, was immer wieder behauptet wird, entspricht den Tatsachen, oder kann man vielleicht auch etwas anders sehen?
Aktuell sind circa 20 000 Menschen in Bildungskarenz, drei Viertel davon Frauen. Drei Viertel derjenigen, die aktuell in Bildungskarenz sind, sind Frauen. Das wird also von Frauen sehr gerne wahrgenommen.
Es hat insbesondere in den letzten Jahren einen starken Anstieg gegeben, und man muss jetzt kein besonderer Raketenwissenschafter sein, um zu erkennen, warum das so war: Wir haben Krisenjahre gehabt, wir haben die Covid-Krise gehabt, in der viele Menschen von Arbeitslosigkeit bedroht waren, in der sie teilweise lieber in die Bildungskarenz gegangen sind, die Zeit auch genutzt haben, um sich weiterzuqualifizieren, sich weiterzubilden, sich umzuschulen. Fragen Sie beim AMS nach, das ist dort regelmäßig passiert. Natürlich ist die Bildungskarenz auch ein Kriseninstrument – ja, es ist so, das muss man auch ehrlicherweise so sagen. (Abg. Loacker: Was haben wir jetzt gerade? Arbeitskräftemangel!)
Eigentlich finde ich es insgesamt sehr erfreulich, dass wir einen Anstieg der Zugänge zur Bildungskarenz haben, denn an Weiterbildung, Qualifizierung und beruflicher Umorientierung kann ja wohl an sich nichts Schlechtes sein. Wir reden ständig von Fachkräftemangel, wir reden von der Wissensgesellschaft, wir reden von der Notwendigkeit lebensbegleitenden Lernens, und dann, wenn wir auf einmal immer mehr Leute haben, die das tatsächlich nutzen, die eine Bildungskarenz machen, die eine Ausbildung machen, haben wir auf einmal ein Problem damit. (Zwischenruf der Abg. Graf. – Abg. Loacker: ... Englischkurs und sitzen in Hawaii!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nein, ich habe damit kein Problem, es tut mir aufrichtig leid. (Ruf bei der ÖVP: Es gibt einen sehr spannenden Rechnungshofbericht dazu!) Ich finde es sogar sehr vorteilhaft, wenn möglichst viele Menschen in Bildungsmaßnahmen sind.
Was ich allerdings bedenklich finde, sage ich auch ganz ehrlich: diesen Diskurs, den wir in den letzten Tagen, in den letzten Wochen teilweise gehabt haben, in dem genau die Leute, die in Aus- und Weiterbildung waren, auch junge Mütter, auf einmal zum großen Problem geworden sind. Die Menge an Unterstellungen, die Leute, die Bildungskarenz in Anspruch nehmen, da über sich ergehen lassen mussten, geht – sorry – auf keine Kuhhaut.
Das sind Leute, die ihre Matura nachmachen, das sind Leute, die ein Studium nachholen, die ihren Studienabschluss nachmachen, das sind Leute, die sich weiter-, zusätzlich qualifizieren wollen, damit sie mehr Einkommen haben, damit sie mehr Chancen im Betrieb haben, damit sie im Betrieb aufsteigen. (Abg. Loacker: ... verdienen weniger ...! ... AMS-Studie lesen!) Ja, das sind Abertausende, und Abertausende derartige Karrieren gibt es. Schau einfach einmal im Bericht des AMS aus dem Jahr 2019 (ein Exemplar des genannten Berichtes in die Höhe haltend) nach, da wirst du einiges darüber lesen.
Ehrlich gesagt: Die Leute, die diese Erwerbskarrieren, diese Bildungskarrieren gemacht haben, haben sich diesen Umgang und diese mangelnde Wertschätzung schlichtweg nicht verdient. (Beifall bei den Grünen.)
Kommen wir jetzt vielleicht zu ein paar Argumenten, die da immer sehr gerne gebracht werden: Ein sehr beliebtes Argument ist, dass die Bildungskarenz eine Akademikerförderung ist. Schauen wir uns die Zahlen an: 24 Prozent derjenigen, die in Bildungskarenz sind, sind Akademiker:innen. Wie hoch ist der Anteil im Bevölkerungsdurchschnitt? – Ungefähr 20 Prozent. Na, so ein großer Unterschied ist das nicht. So eine große Akademikerförderung ist es anscheinend dann doch nicht.
In der Altersgruppe, in der die meisten in Bildungskarenz sind, nämlich knapp über 30, Mitte 30, ist der Akademikeranteil in der Bevölkerung sogar höher als unter denen, die in der Bildungskarenz sind.
Zweites Vorurteil, das immer wieder gekommen ist: Das bringt nichts, ist ineffizient, führt zu nichts! – Im Rechnungshofbericht selber steht drinnen, dass ein Drittel all jener, die in Bildungskarenz gegangen sind, im ersten Jahr nach der Bildungskarenz mehr verdient. Und nach drei Jahren sind es über 50 Prozent, die mehr verdienen. Im Rechnungshofbericht steht ebenso drinnen, dass 75 Prozent derjenigen, die in Bildungskarenz gegangen sind, nach dem ersten Jahr nach der Bildungskarenz nach wie vor in Beschäftigung sind. Das ist in Wirklichkeit, wenn man sich alle arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen anschaut, sogar eine ziemlich sinnvolle, eine ziemlich erfolgreiche arbeitsmarktpolitische Maßnahme. (Beifall bei den Grünen.)
Und dann kommt immer wieder diese Frage der Verlängerung der Babykarenz: Ist die Bildungskarenz dazu da, die Elternkarenz zu verlängern? – Nein, ist sie natürlich nicht. Der Sinn von Bildungskarenz ist natürlich Bildung, ist natürlich Qualifizierung, ist Weiterbildung. Nur, es wird doch wirklich niemanden hier herinnen wundern, und das betrifft die Elternkarenz, das betrifft den Präsenzdienst, das betrifft genauso den Zivildienst: Das sind Phasen, in denen Leute aus dem Erwerbsleben kurzfristig oder auch längerfristig ausscheiden, und danach denken sehr viele Leute darüber nach: Was mache ich weiter?, Wie gehe ich meinen Weg weiter?, und wollen sich weiterbilden, wollen sich qualifizieren, wollen sich vielleicht auch umorientieren. Ja, und genau dafür ist die Bildungskarenz gedacht.
Ich habe jetzt überhaupt kein Problem damit, wenn wir über Qualitätskriterien sprechen. Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn wir uns anschauen, wer Leistungen anbietet und ob das wirklich gescheite Leistungen sind, die man am Arbeitsmarkt brauchen kann. Ich habe auch kein Problem damit, wenn man so etwas wie eine Bildungsberatung, eine obligatorische Bildungsberatung für diejenigen einführt, die in Bildungskarenz gehen wollen, um sie darüber zu informieren: Was ist sinnvoll? Was ist gescheit? Was sollen die Leute machen? Ich habe kein Problem damit.
Ich sage aber schon, womit ich ein gröberes Problem habe: Ein gröberes Problem habe ich damit, wenn man die Diskussion über die Bildungskarenz darüber führt, den Leuten Barrieren aufzubauen, es ihnen schwerer zu machen, ihnen den Zugang zur Bildungskarenz zu erschweren, in Wirklichkeit Perspektiven abzubauen, statt Perspektiven zu geben und letztlich massiv einzusparen in einem Bereich, in dem es für mich kein Sparen geben kann. Dafür stehen wir nicht zur Verfügung. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)
15.32
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Künsberg Sarre. – Bitte.