16.21

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! – Alles ruhig, danke schön. Schön, dass wir jetzt wieder ein bisschen beruhigt sind, denn: Worum geht es? Es ist auch für uns so – selbstverständlich ist es so! –, dass jedes Opfer eines zu viel ist. Wir sehen das ganz genauso. (Abg. Schnedlitz: Ich gebe Ihnen die Telefonnummer von der Mutter von der Manuela, dann rufen Sie sie einmal an und sagen ihr das, aber dazu sind Sie nicht mutig genug! – Ruf bei den Grünen: Zuhören!)

Aber auch jeder Täter ist einer zu viel – das ist genau der Punkt, bei dem man ansetzen muss. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Dafür hat unser Gesetzesantrag die richtigen Vorkehrungen. Es ist nämlich nicht so, dass Kinder einfach groß werden, bis sie 14 sind, und dann, wenn sie etwas angestellt haben, vor den Strafrichter kommen, sondern es ist sehr wohl so, dass der Staat dort, wo die Eltern bei der Erziehung auslassen, eine Verantwortlichkeit hat und diese Verantwortlichkeit auch wahrnimmt. Diese Verantwortlichkeit liegt bei der Kinder- und Jugendhilfe. (Rufe bei der FPÖ: Nein, nein! Zwangsmaßnahmen! – Abg. Deimek: Was ist mit der afghanischen Jugendbehörde?!) Dort liegt die Verantwortlichkeit dafür und dort liegen auch sämtliche Kompetenzen, Erziehungsmaßnahmen wahrzunehmen, denn Kinder muss man erziehen, Kinder sperrt man nicht ein.

Wissen Sie auch, warum? Wissen Sie, warum? – Wenn man Kinder einsperrt, wenn man kleine Kriminelle einsperrt, kommen große Kriminelle wieder raus – das ist nämlich das Prinzip. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abg. Bogner-Strauß. – Abg. Kickl: Ach, und heraußen passiert das nicht? ... waren alle vorher eingesperrt, bevor sie vergewaltigt haben? Das gibt’s ja nicht!) Wenn man aber dafür sorgt, dass diejenigen, die irgendwo einmal anfangen, falsch abzubiegen, wieder in die richtige Richtung gehen (Ruf bei der FPÖ: Genau!), dann haben wir gewonnen als gesamte Gesellschaft. (Ruf bei der FPÖ: Ja!) Was glauben Sie denn, mit welcher Kompetenz diese Kinder, wenn sie erwachsen sind, einmal ihre eigenen Kinder erziehen werden? (Abg. Deimek: Afghanen können in Afghanistan erwachsen werden! – Weiterer Ruf bei der FPÖ: Gar nicht!) Das vervielfältigt das Problem.

Wenn man jetzt ordentlich ansetzt, dort ansetzt, wo wir noch die Chance haben, Kinder ordentlich zu erziehen, sie entsprechend unserer Werte, unserer Kultur (Abg. Kickl: Von welchen Werten reden Sie denn überhaupt? – weitere Zwischenrufe bei der FPÖ – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen), unserer Rechtsordnung in eine ordentliche Richtung zu bringen, dann haben wir eine Chance. Wenn wir das nicht machen – und ich sage Ihnen, das passiert im Moment viel zu wenig –, wenn wir das verabsäumen (Abg. Amesbauer: Das haben Sie schon verabsäumt!), dann haben wir als gesamte Gesellschaft verloren. So viele Gefängnisse können wir gar nicht bauen, wie wir dann Menschen einsperren müssten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Lausch: Wer soll das machen ...? – Weiterer Zwischenruf bei der FPÖ.)

Wenn es Ihnen unbedingt darum geht, dass man irgendwo zusperrt, dann kann ich Ihnen sagen: Das ist jetzt schon möglich, im Übrigen mit richterlicher Anordnung. Nur ist es jetzt so, dass unsere Gesetzgebung die Zuständigkeit so regelt, dass für die Antragstellung die Kinder- und Jugendhilfe zuständig ist und dass für den Ausspruch solcher Maßnahmen der Familienrichter zuständig ist. (Abg. Deimek: Und was machen die? – Nix! ...!) Das ändert aber nichts an dem Prinzip, dass das gemacht werden muss. Das kann nur dann gemacht werden, wenn man diese Institutionen mit ausreichenden Mitteln ausstattet. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich sage Ihnen das, weil ich es aus eigener Erfahrung weiß: Sprechen Sie einmal mit Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, die für die Kinder- und Jugendhilfe tätig sind. Die wissen gar nicht, wie sie diesen Mangel am besten verwalten sollten. Es gibt zig Familien, in die sie reinmüssten, bei denen es wichtig wäre, frühzeitig einzugreifen, denn ich sage es Ihnen noch einmal: Natürlich wollen wir nicht, dass Menschen Opfer werden, aber wir wollen auch nicht, dass Menschen Täter werden, und da muss man frühzeitig eingreifen – nur so kann man Straftaten verhindern. (Abg. Amesbauer: Und wenn sie dann Täter sind ... nichts mehr! – Ruf bei der FPÖ: Ihr lebt ja alle in einer Traumwelt!)

Sich hinterher um Opfer zu kümmern, ist wichtig und richtig, aber in Wirklichkeit ist es wichtiger, dass es gar keine Opfer gibt. (Abg. Lausch: Aber es gibt 11 000 Opfer! – Weiterer Ruf bei der FPÖ: Wie lange sind Sie in der Regierung? – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Das kann ich eben nur verhindern, wenn ich verhindere, dass Menschen zu Tätern werden. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abgeordneten Bogner-Strauß und Wöginger.)

Das wiederum kann ich nur dann machen, wenn Menschen, die dafür ausgebildet sind, nämlich Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, rechtzeitig mit diesen Familien arbeiten – nicht nur mit den Kindern, auch mit den Eltern –, und den Eltern das beibringen, was wichtig ist, was man können muss, nämlich wie man Kinder richtig anleitet, wie man sie in die richtige Bahn lenkt und ihnen so Normen und Werte verdeutlicht. (Abg. Amesbauer: Das versteht ja kein Mensch, was Sie hier reden! – Abg. Voglauer: Na, wir schon! – Zwischenruf des Abg. Matznetter.)

Das ist genau das, was wir machen müssen. (Ruf bei der FPÖ: Sagen Sie das den 11 000 Opfern! – Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen.) Das ist genau das, was die Länder endlich machen müssten – wenn ich es richtig in Erinnerung habe, sind Sie in drei Ländern in der Regierungsverantwortung –; die Länder müssten diese Verantwortung endlich einmal wahrnehmen und die Kinder- und Jugendhilfe mit ausreichenden Mitteln ausstatten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich bin vollkommen der Meinung: Es darf nicht passieren, dass Kinder mit zehn, zwölf Jahren Verbrechen begehen (Abg. Kassegger: Das passiert aber!), schon gar nicht schwere Verbrechen. (Abg. Amesbauer: Das passiert aber am laufenden Band!) Das darf nicht passieren, und das können wir uns als Gesellschaft weder leisten (Ruf bei der FPÖ: 10 000 Mal passiert es!), noch dürfen wir es tolerieren. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Deshalb müssen wir dort ansetzen, wo wir die Maßnahmen schon an der Hand haben. Eine Verlagerung in die Justiz bringt überhaupt nichts. Das bringt überhaupt nichts (Abg. Lausch: O ja, es schützt!), und schon gar nicht in der Art (Abg. Amesbauer: Was bringt was? Zusehen?!), in der Sie es im Antrag ausgeführt haben: einfach eine Zahl durch eine andere zu ersetzen (Abg. Amesbauer: Machen wir eine Demo gegen rechts, das wird helfen!), ohne irgendwelche Maßnahmen zu beschließen, ohne das mit irgendwelchen Mitteln auszustatten, sich einfach nur hinzustellen und zu sagen: Oh, das kommt gerade gut an, wir machen das, und dann haben wir etwas gemacht! (Abg. Lausch: ... jetzt schon zwei Jahre!)

Setzen Sie mit uns einen ersten Schritt!

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Rufen Sie bitte nicht dauernd heraus.

Es ist doch so einfach: Sie können sich wieder zu Wort melden, dann müssen Sie nicht permanent stören. Es ist einfach so nicht wirklich zu handhaben. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Das ist eine ernste Diskussion, melden Sie sich an, gehen Sie heraus! (Abg. Lausch: Beim Hauser war’s wurscht, gestern! – Zwischenruf des Abg. Hauser. Ich appelliere an alle, ich habe keine Partei genannt. (Ruf: ... in Ruhe reden!)

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (fortsetzend): Vielen Dank. Das gibt mir jetzt noch die Gelegenheit, einen ordentlichen Schlusssatz zu formulieren.

Wie gesagt: Es ist uns wichtig, dass es keine Opfer gibt, es ist uns genauso wichtig, dass es keine Täter gibt. Der Staat muss seine Verantwortung in diesem Punkt wahrnehmen (Abg. Amesbauer: Tut er aber nicht!), er hat alle Mittel in der Hand, um das zu machen. Man muss es nur tun. – Danke. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der SPÖ sowie der Abgeordneten Hanger und Wöginger.)

16.27

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Steinacker. – Bitte. (Abg. Amesbauer: Paralleluniversum! – Abg. Matznetter: ... sinnlos, das sind Hassprediger ...!)